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Landtag, 3. Sitzung vom 04.10.2001, Wörtliches Protokoll  -  Seite 104 von 130

 

man die Qualifikationen, die sie aus dem Ausland mitbringen, nicht anerkennt, die man schikaniert und denen man es nicht ermöglicht, einen eigenen Betrieb aufzumachen? Wie will man Menschen integrieren, denen man durch die Rechtlosigkeit, der sie ausgeliefert sind, ständig Prügel vor die Beine wirft und die man mehr oder weniger zu einem sozialen und ökonomischen Abstieg in diesem Land verdonnert?

 

Dann kommt man her, man spricht von Integration und versteht darunter, dass man sie zwingt, Deutsch zu lernen. Aber die Rechte, die sie hier zu Lande seit Jahren brauchen und nicht bekommen, die sollen sie weiterhin nicht erhalten - die brauchen sie nicht, die spielen keine Rolle. Was das mit Integration zu tun hat, ist mir überhaupt nicht klar.

 

Das heißt - und damit schließe ich ab -, Sie beschließen wissentlich ein kontraproduktives, ein demokratieunwürdiges und obendrein ein unpraktikables, ein unpraktizierbares Gesetz, und das noch dazu, um eine kleine, kleine Klientel zu befriedigen. Sie nehmen es in Kauf, dass Zigtausende Menschen darunter zu leiden haben werden, noch weiter diskriminiert werden und hier zu Lande noch weiter abgestempelt werden als, wie gesagt, schlichtweg Bürger zweiter Klasse, in jedem Sinne des Wortes.

 

Meine Damen und Herren! Das Dirndl, das ich trage, trage ich gerne. Ich finde es schön, ich finde es wirklich sehr schön, darum habe ich es auch gekauft. Aber wenn ich es tragen müsste, dann würde ich es hassen. So verhält es sich auch mit Deutsch. Deutsch ist eine wunderschöne Sprache, die ich gern habe, noch dazu gegen den Widerstand von vielen, die damals in Griechenland meinten, eine Dame sollte besser Französisch lernen. Diese Sprache habe ich also gerne gelernt. Aber hätte ich sie lernen müssen, hätte ich es nie getan!

 

Denken Sie darüber nach, ob Sie sich damit auf dem richtigen Weg befinden. (Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPÖ.)

 

Präsidentin Erika Stubenvoll: Als Nächster ist Herr Abg Dr Ulm zum Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 

Abg Dr Wolfgang Ulm (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Kollegin!

 

Ich teile manche Ihrer Aussagen, und zwar nicht nur die, dass Ihr Dirndl schön ist, sondern auch manche inhaltlich-politischer Natur wie zum Beispiel jene, dass Sie stolz darauf sind, dass Sie mehrere Sprachen sprechen, dass Sie hier "kalispera" sagen dürfen und dass das sicherlich kein Ausdruck der Integrationsunwilligkeit ist.

 

Aber ich teile nicht Ihre Ansicht, dass mit der verpflichtenden Einführung des Besuches von Deutschkursen die Bundesregierung einen Schwachsinn beschließt. Ich denke mir, dass das, was auch die Stadt Wien im viel kleineren Rahmen, aber doch angeboten hat und nun im viel größeren Rahmen von der Bundesregierung vollzogen werden wird, an sich nicht schlecht sein kann.

 

Sehr geehrte Frau Kollegin! Auch Sie haben ja gemeint, dass es etwas sehr Sinnvolles ist, wenn man Deutsch sprechen kann, ja, dass es die Voraussetzung für Integration an sich ist. Niemand denkt daran, einem eingebürgerten Österreicher einen Deutschkurs zu oktroyieren. Für uns von der Volkspartei ist es selbstverständlich, dass jeder, dem die Staatsbürgerschaft verliehen wurde, ohne Wenn und Aber Österreicher ist. Doch die Staatsbürgerschaft soll der Endpunkt der Integration sein, sie soll am Schluss dieses Integrationsprozesses stehen. Selbstverständlich gehört der Erwerb der deutschen Sprache als wesentlicher Bestandteil zu diesem Integrationsprozess dazu.

 

Ich kann Ihre Ängste nicht teilen, dass diese Sprachkurse für den Menschen schädlich sein könnten, weil man sich beim Verfassungsgerichtshof beschweren könnte. Ich sehe in diesen Bestimmungen überhaupt keine Verfassungswidrigkeit, gilt doch diese verpflichtende Teilnahme an den Sprachkursen nur entweder für neue Zuwanderer oder für solche, die keine unbefristete Aufenthaltserlaubnis haben. Das heißt, wenn jemand den Aufenthalt will, dann erfährt er das im Vorhinein, und dann muss er diese Leistung erbringen. Er kann es sich aber selbstverständlich auch anders überlegen und auf so einen Aufenthalt verzichten.

 

Ich sehe auch in keiner Weise, dass diese Bestimmungen für die Demokratie schädlich sein könnten. Sie selbst haben gemeint: Der Dialog ist notwendig und die Demokratie lebt vom Dialog. - Der Dialog ist nur möglich, wenn man sich versteht und man miteinander reden kann. Das wird in diesem Fall sicherlich erleichtert werden, wenn der Migrant Deutsch spricht.

 

Auf das Heftigste zurückweisen muss ich es, dass Sie die Bundesregierung auf Grund dieser beabsichtigten Einführung als "totalitär" bezeichnen. Es ist absolut zulässig, dass wir bestimmte Bedingungen für Migranten stellen, die wir einladen, bei uns zu arbeiten und bei uns zu leben. Sie sprechen von Zwangsmaßnahmen, und Sie sprechen davon, dass man das keinem Menschen aufoktroyieren kann. Aber auch das Pflichtschulwesen ist zwingend für die Schüler in diesem Lande und Sie werden mir darin Recht geben, dass dies eine sehr sinnvolle Einrichtung ist.

 

Ich gebe Ihnen aber in der Hinsicht Recht, dass dies möglicherweise ein Mittel ist, um auszusortieren - wobei ich den Ausdruck eigentlich gar nicht verwenden will, sondern um im Vorhinein zu sagen: Wir wollen integrationswillige Migranten, wir wollen integrationswillige Zuwanderer haben und laden diese in besonderer Art und Weise ein.

 

Es ist immer wieder davon gesprochen worden, auch in der politischen Debatte am heutigen und am gestrigen Tag, dass diesem Vertrag überhaupt keine Rechte gegenüberstehen und dass er nur Verpflichtungen vorsieht. Ich darf an dieser Stelle darauf hinweisen, dass der Migrant im Prinzip selbstverständlich an allen Errungenschaften des Sozialstaats teilnimmt.

 

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