Landtag,
3. Sitzung vom 04.10.2001, Wörtliches Protokoll - Seite 52 von 130
konterkarieren können -, dass die qualitative und
quantitative Versorgung der Bundeshauptstadt mit im europäischen Maßstab
einmaligem Hochgebirgsquellenwasser hervorragend funktioniert. Dennoch sieht
sich die sozialdemokratische Stadtregierung auf Initiative unseres
Landtagsklubs veranlasst, heute eine Gesetzesnovelle vorzulegen, die dafür
Sorge trägt, dass die Wasserversorgung unter Verfassungsschutz gestellt wird.
Welche Tendenzen, welche neuen Szenarien, die wir
nicht gering schätzen sollen und die aber in der Betrachtung der Abgeordneten
vor allem von der Volkspartei einen nur marginalen Stellenwert gehabt haben, welche
neuen Entwicklungen sind hier Anlass dafür, dass eine derartige
landesgesetzliche Absicherung kommunaler Wasserversorgung absolut notwendig
geworden ist?
Sowohl internationale als auch innerösterreichische
Entwicklungen geben diesbezüglich vermehrt Anlass zu berechtigter Sorge. In der
Europäischen Union sind nach der vollständigen Liberalisierung der Strommärkte
- mit gewaltigen Veränderungen in der Besitzerstruktur der Versorger - nunmehr
wachsende Begehrlichkeiten in Richtung Wasserwirtschaft feststellbar. Vor allem
in Großbritannien und Frankreich fand ein gewaltiger Privatisierungs- und
Konzentrationsprozess statt, in Deutschland und Spanien sind ähnliche Tendenzen
ansatzweise bereits vorhanden. Aus vielen kleinen, kommunalen, bürger- und
konsumentennahen öffentlichen Wasserversorgern sind wenige private Monopole
geworden.
Was sind die Folgen, die sich daraus ergeben? - Das
sind jetzt keine ideologischen Gruselszenarien der Sozialdemokratie, sondern
das sind an harten Fakten nachvollziehbare Tendenzen, vor allem in England
unter Thatcher und unter Major. Die nunmehr zehn großen regionalen
Wasserversorger haben im letzten Dezennium Unternehmensgewinnsteigerungen von
rund 150 Prozent gehabt. Die Wasserpreise - alles, was sich auf der
Gewinnseite darstellt, hat bekanntlich seinen Preis - sind im gleichen
Zeitraum, in zehn Jahren, bei einer Verschlechterung der belieferten
Wasserqualität durch verstärkte Nutzung von minderwertigen Oberflächengewässern
ungefähr verdoppelt worden.
Da man soziale Härte bekanntlich in Parteiprogrammen
nicht niederschreiben soll, sondern da und dort aber lebt, ist all jenen
Konsumenten, die mit den Gebührenzahlungen teilweise auch nur geringfügig ins
Hintertreffen geraten sind - sprich: sozial bedrängten Schichten - ganz
einfach, wie man in Wien sagt, der Wasserhahn abgedreht worden. Das ist eine
Tendenz, die aus der Philosophie der Wiener Wasserversorgung heraus völlig
undenkbar wäre.
Jährlich hat man dort also Tausenden Konsumenten ganz
einfach die Wasserzufuhr unterbunden. Während innerhalb kürzester Zeit - und
das ist vielleicht auch eine Intention bürgerlicher Parteien - die Spitzengehälter
der Manager bei den Wasserwerken exorbitant gestiegen sind, sind in zehn Jahren
ein Viertel der 40 000 Beschäftigten der Wasserversorgungsunternehmungen
Großbritanniens ihren Job losgeworden. Das ist die Wahrheit über die Auswirkung
dessen, was dort im Sinne von "Der private Markt wird das schon regeln,
geben wir doch den Privaten eine Chance mit mehr Effizienz, mit mehr
Leistungssteigerung" geschehen ist. Die Effizienz für die Manager war spürbar;
die Effizienz für die Konsumenten ist nicht annähernd im gleichen Ausmaß
feststellbar gewesen.
Zwecks Senkung der Fixkosten - weil auch das im Sinn
von Shareholder Value sehr nützlich ist - wurde auf substanzerhaltende
Investitionen in die Infrastruktur kein Wert gelegt, mit dem Ergebnis, dass
jetzt die englischen Wasserleitungen 25 Prozent an Transportverlusten
haben. Das ist eine Zahl, die wir in Wien nicht einmal in den Sechzigerjahren
zu verzeichnen hatten. Derzeit gehen im Wiener Wassernetz von der Quelle bis
zum Endverbraucher weniger als 8 Prozent verloren.
Hoher Landtag! Meine Damen und Herren! In aller
gebotenen Deutlichkeit: Derartige Strukturveränderungen, die uns immer mit so
harmlosem Mascherl verkauft und präsentiert werden, derartige Strukturveränderungen
vor allem in der Wasserversorgung, die nur zu Lasten der Konsumenten und der in
der Siedlungswasserwirtschaft beschäftigten Angestellten gehen und auch der
Ökologie Schaden zufügen, werden auch nicht ansatzweise oder mit anderen
Punkten in Paketen verschnürt die Zustimmung der Wiener SPÖ finden. Dafür sind
wir ein für alle Mal nicht zu haben!
Deshalb erfolgt unser heutiger Vorstoß zum verfassungsmäßigen
Schutz der kommunalen Wasserversorgung und ihrer notwendigen Einrichtungen vor
Veräußerung. Deshalb gilt aber auch unser uneingeschränktes Bekenntnis der
demokratisch legitimierten Kontrolle des Wiener Landtags und Gemeinderats
gegenüber den Einrichtungen der Stadt Wien, MA 31 und MA 49. Denn
auch in Österreich - und das wurde natürlich von keinem meiner Vorredner
thematisiert - gibt es Vorstöße der Wirtschaft und gibt es Entscheidungen der
Bundesregierung, die Anlass zu massiver Skepsis und berechtigtem Widerspruch
geben.
Ich denke in dem Zusammenhang in erster Linie - damit
es nicht immer heißt, die Sozialdemokraten schieben jetzt alles auf die Bundesregierung,
und eigentlich ist es ja ganz anders - an die letzte Novelle des
österreichischen Bundesforstgesetzes und vor allem ans Budgetbegleitgesetz
2001, wonach die Bundesforste gegen ihren erklärten Willen, gegen das
betriebswirtschaftliche Konzept und gegen die Aufgabenstellungen der
Bundesforste gezwungen wurden, zehn Kärntner Seen und zusätzlich den größten
See des Salzkammerguts, den Attersee, einfach zu kaufen.
Weil das aus dem laufenden Betriebsvermögen nicht
finanzierbar ist, musste man notgedrungen entsprechende Vorbereitungen für
Waldverkäufe treffen. Anfänglich war von der gewaltigen Summe von
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