Gemeinderat,
37. Sitzung vom 19.12.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 44 von 98
in Bezug auf die Dienstleistungskonzession bekommen, denn in
der Europäischen Union müssen Organisationen die Möglichkeit haben, am Markt
anzubieten, wenn sie sich dafür für geeignet halten. Sie können diese Situation
nur steuern, indem Sie klarmachen, welche Leistungen zu erbringen sind. Und da
wird es nicht genügen, dass man den Leistungskatalog, wie er jetzt besteht,
umstandslos in die neue Förderwelt überträgt (GR Godwin Schuster: Das behauptet niemand!), und man wird auch
nicht umhinkommen, Qualitätskriterien zu entwerfen. – Sie sagen, das behauptet
niemand, Sie haben nur keinen Fetzen gesehen. (GR Godwin Schuster: Sie behaupten das!) Wir behaupten das. Ja, wir
behaupten das, weil Sie nichts vorlegen und weil die Organisationen mitnichten
vorbereitet werden auf diese neuen Anforderungen. (GR Mag Thomas Reindl: Welche Organisationen?) Glauben Sie mir, wir
reden mit den Leuten. Der Erhalt der jetzigen Privilegien oder der jetzigen
Möglichkeiten wird nicht ausreichen, diesen Leistungskriterien zu genügen. (GR Godwin Schuster: Es wird eine freie
Ausschreibung gemacht!) Das ist der eine Eckpunkt.
Wenn Sie bei der Anerkennung diskriminieren, wenn Sie
bei der Anerkennung nicht den freien Zugang ermöglichen, dann werden Sie das
Bundesvergabeamt oder die Europäische Kommission sofort als Kläger haben (GR Mag Thomas Reindl: Dem sehen wir
gelassen entgegen! Selbstverständlich!) Ja, schauen Sie dem nur gelassen
entgegen. Es könnte sein, dass eine Ernüchterung oder das Heulen und
Zähneknirschen in den Organisationen ausbrechen muss, wenn Sie es dann nicht
geschafft haben, hier ordentliche Kriterien zu entwickeln und Sie somit die
Organisationen erst recht unter Stress und unter Druck und dann in
Schwierigkeiten bringen. (GR Mag Thomas
Reindl: Reden Sie doch über Ergebnisse und nicht über Mutmaßungen!)
Wir reden von Umstrukturierungen, die große
Veränderungen mit sich bringen werden, und da haben Sie auch auf der anderen
Seite des Spektrums, nämlich beim Kunden, bei der Kundin besonders Obacht zu
geben, wenn Sie nicht wollen, dass die Sache vor dem Bundesvergabeamt kippt.
Das Individuum soll eine Förderung bekommen. Damit
diese Förderung am Markt auch in Leistung umgesetzt werden kann, muss dem
Kunden, der Kundin klare Verfügungsmacht – mit Betonung auf dem Wort
"Macht" – gegeben werden. Zu sagen, es ändert sich genau überhaupt
gar nichts, alle werden von denselben Organisationen wie bisher alles kriegen,
das wird es nicht spielen. Denn wenn die Verfügungsmacht nur eine konstruierte
ist, wenn die Zahl der Anbieter sich nicht wirklich in eine richtige
Wahlfreiheit ändert, dann ist diese Verfügungsmacht eine scheinbare, dann
riecht die Konstruktion nach Umgehung des Bundesvergabegesetzes, und diese
Umgehung des Bundesvergabegesetzes werden Sie bitter bereuen. (GR Godwin Schuster: Hauptsache, dass Sie
kritisieren können!)
Sie sind sich ganz sicher, werte Kollegen von der
SPÖ, dass das alles nicht der Fall ist. Sie haben jetzt seit Februar Zeit
gehabt. Seit Februar wissen Sie, dass die Umstrukturierung auf Ihrer
Prioritätenliste steht, und trotzdem haben Sie es bis jetzt verabsäumt, die
zentrale Frage zu klären und die zentrale Frage hier auch zur Debatte zu
stellen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Das Gutachten, von dem Herr Hacker und Herr Mag
Spacek gesprochen haben, zur Klärung der Frage – die nicht nur die Sigrid Pilz
hier stellt, sondern die sich der Fonds zentral stellen muss –, ob die Sache
rechtlich halten wird, dieses Gutachten liegt – und heute haben wir den
19. Dezember – noch nicht vor. Man muss sich das vorstellen! Seit Februar
haben Sie Zeit, darüber Klarheit zu schaffen, und hochbezahlte Juristen hätten
sicher schneller gearbeitet. Doch offensichtlich haben Sie sich um die Klärung
dieser Frage bisher drücken wollen.
Sie werden nicht umhinkommen, die Organisationen
vorzubereiten, und zwar einerseits auf die Möglichkeit, dass auch in der
Förderwelt geklagt werden kann, andererseits darauf – auch davon war die Rede
in der Sitzung des Gesundheits- und Sozialausschusses –, dass die
Liberalisierung nicht aufzuhalten ist und dass in einer Frist von ein, zwei
oder fünf Jahren auszuschreiben ist, ob wir das wollen oder nicht.
Wir können nun trefflich darüber streiten, ob die
gewachsenen Strukturen in Wien das als sinnvolle Weiterentwicklung vor sich
haben oder ob damit Schwierigkeiten, möglicherweise auch ein Verlust von
Aufträgen für Organisationen die Folge ist. Das wissen wir nicht. Aber was Sie
tun, ist, die Phase der Protektion für die Organisationen zu verlängern, ohne
sich den wahren Problemen zu stellen. Ansonsten würden Sie mehr Wert auf
Qualitätssicherung, auf Qualitätskontrolle und auf Konsequenzen aus dieser
Kontrolle legen. Das müsste dann auch heißen, wer die Leistung nicht bringt,
hat mit Pönalezahlungen zur rechnen, muss damit rechnen, seinen Auftrag zu
verlieren, seine Anerkennung als Anbieter zu verlieren. So lange sozusagen
alles augenzwinkernd hingenommen wird, etwa ungerechtfertigt unterschiedlich
Tarife, ungerechtfertigte unterschiedliche Auffassung von Aufgabenerledigung,
so lange werden die Organisationen nicht vorbereitet auf eine transparente, auf
eine wettbewerbsgerechte Welt.
Kontrolle tut Not. Ich erinnere an den
Kontrollamtsbericht, der von 300 Prozent Tarifschwankungen für die gleiche
Leistung gesprochen hat. Und nicht einmal, wenn man anerkennt, dass in
Teilbereichen Organisationen unterschiedlich wirtschaften müssen, ist das zu legitimieren,
dass die einen um 300 Prozent mehr verrechnen als die anderen, und zwar
für dieselbe Aufgabe.
Dass es mit der Gebarung der
Gemeinde Wien in diesem Bereich im Argen liegt, hat nicht zuletzt die Prüfung
der Gesundheits- und Sozialzentren durch das Kontrollamt bewiesen. Dieses
Dokument sollten Sie sich anschauen, wenn Sie sich jetzt auf die abenteuerliche
Ausgliederung und den Umbau der Leistungsvergabe auf Förderwelt so umstandslos
und kritiklos einlassen werden. Hier hat das Kontrollamt festgestellt, dass der
Magistrat verabsäumt hat, die Personalressourcen in den Gesundheits- und
Sozialzentren zu steuern, dass es kein
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular