Gemeinderat,
37. Sitzung vom 19.12.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 43 von 98
Anerkennung für Ihre Arbeit und meine allerbesten Wünsche
für Ihren künftigen Lebensweg. Wir haben uns politisch immer wieder ein Match
geliefert, als Person schätze ich Sie, und ich habe Sie auch in Ihrer
Vorsitzführung geschätzt, weil Sie über alle Parteigrenzen hinweg demonstriert
haben, dass Sie als Vorsitzende der Sache verpflichtet sind und klar
unterscheiden können zwischen Ihrer politischen Rolle und Ihrer Rolle als
Ausschussvorsitzende. Ich hoffe, dass es künftig in der Arbeit auch
diesbezüglich gut weitergeht.
Nun zum Thema Fonds Soziales Wien. Ich betrachte
diese Umstrukturierung – es tut mir Leid, dass Kollege Hacker nicht da ist; oh
doch, da hinten sitzt er – als einen abenteuerlichen Trapezakt ohne Netz, den
in erster Linie der Kollege Hacker jetzt vor sich hat. Ich stehe auch nicht an,
ihm persönlich von dieser Stelle aus zuzubilligen, dass er sich sehr bemüht und
dass ich den Eindruck habe, er will wirklich das Allerbeste für diese Stadt.
Das macht die Sache aber nicht einfacher, und zwar insofern nicht, als die
Rahmenbedingungen, unter denen diese Ausgliederung stattfindet, abenteuerlich
sind. Man versucht die Quadratur des Kreises, man möchte durch diesen Wechsel
in die Förderwelt den Rahmenbedingungen, die die Europäische Union hier setzt,
entgehen. Man möchte durch Förderung etwas wieder einfangen, was durch die Entwicklung
in der europäischen Gesellschaft längst schon aus dem Ruder gelaufen ist, in
einem negativen Sinne, oder auch, wenn man es in einem positiven Sinne sieht,
neue Rahmenbedingungen verlangen, neue Transparenz und neue Klarheit.
Dieser Umstieg von der Leistungswelt, wie das hier
bezeichnet wird, in eine Förderwelt muss durchgeführt werden – das sagt das
Papier, das uns hier vorgelegt wurde, in bemerkenswerter Offenheit –, weil das
Bundesvergabegesetz zuständig ist. Das Bundesvergabegesetz wäre auch in der
Vergangenheit schon heranzuziehen gewesen bei den Leistungsverträgen, die hier
vergeben wurden. Es ist ein Versäumnis der Gemeinde Wien, darauf nicht geachtet
und so viele Jahre hindurch Strukturen in einer Weise abgewickelt zu haben,
dass nicht sichergestellt war, dass Qualität gesichert ist, dass Gerechtigkeit
herrscht und dass Transparenz und Kontrolle gewährleistet ist.
Das Papier, das uns vorgelegt wurde, fußt auf einem
Vordokument aus dem August, das wir nicht bekommen haben, das ich aber kenne.
Darin steht in bemerkenswerter Offenheit, dass es bisher am Berichtswesen
gefehlt hat, dass wir, nämlich die Gemeinde Wien, nicht in der Lage sind,
präzise Ausschreibungsunterlagen zu erstellen, dass das Qualitätsmanagement
nicht ausreichend funktioniert hat und dass es, wenn man ausschreiben müsste,
schwierig wäre, Leistungspreise im Nachhinein zu revidieren, weil das nach dem
Vergabegesetz nicht möglich ist, und dass Einrichtungen nicht mehr der
Überprüfbarkeit ihrer Finanzgebarung durch die Stadt obliegen.
Meine Damen und Herren! Das war auch in der
Vergangenheit das Problem, dass es Organisationen gegeben hat, die den Auftrag
"Erbringen Sie Ihre Leistung, wir bezahlen Sie dafür" sehr extensiv
für sich interpretiert haben. Da wurden Zinshäuser angemietet oder gekauft, da
wurden Fernreisen getätigt, die Stadt konnte nicht intervenieren, weil sie eben
Leistungen eingekauft hat.
Und in diesem Papier aus dem August stellen Sie auch
die richtigen Fragen, die im November-Papier nicht mehr vorkommen. Sie fragen:
Was finanziert die Stadt? Wer entscheidet über Leistungen? Wer bestellt die
Leistung? Soll sozial gestaffelt werden? Wie sollen die Finanzströme laufen?
Wer hat mit wem welche Verträge? Wer kontrolliert die Qualität? Wie wird
dokumentiert?
Auf viele dieser Fragen, die Sie stellen, geben Sie
selbst keine Antwort in Ihrem geplanten Umstieg in die Förderwelt, und das
halten wir für das zentrale Risiko in dieser Umstrukturierung. Die Beziehung
zwischen der Stadt, dem Kunden und dem Dienstleister wird sich durch die
Förderwelt fundamental ändern – fundamental! –, auch wenn hier immer wieder
betont und beteuert wird, dass sich für den Leistungsbezieher, die
Leistungsbezieherin nichts ändert. Das muss erst bewiesen werden, denn der
Kunde, die Kundin ist geschwächt in diesem System, denn die Stadt ist als
Partnerin heraus aus dem Geschäft und der Fonds Soziales Wien weitgehend nicht
in die Pflicht zu nehmen, denn er bezieht und beschränkt sich auf die Rolle,
eine Förderung an das Individuum auszuzahlen und den Dienstleister
anzuerkennen. Die Stadt ist von ihrer politischen Verantwortung entbunden, und
das halten wir für eine Katastrophe.
Wer wird wie anerkannt? Das wird eine der zentralen
Fragen sein, die Sie sich nicht nur deshalb stellen müssen, weil die Opposition
das einfordert, sondern weil Sie möglicherweise eine Klage vor dem
Bundesvergabeamt oder vor der Europäischen Kommission zu gewärtigen haben. Wer
wird wie anerkannt und warum? Sind es die üblichen Verdächtigen, sind es jene
Organisationen, die in der Vergangenheit schon mit durchaus kritikwürdiger
Gebarung gemeint haben, weil wir das immer schon machen, werden wir das künftig
machen, die unterschiedliche Preise und Tarife verrechnen, die unterschiedliche
Overheadkosten für sich veranschlagen, die sich auf Tradition und auf
Geschichte beziehen, wenn sie legitimieren wollen, dass hier gleiche Leistung
nicht gleich bezahlt wird?
Werden Sie, Frau Stadträtin, alle diese
Organisationen umstandslos anerkennen und damit sozusagen sich und vor allem
den Organisationen eine Atempause für notwendige Veränderung verschaffen oder
nehmen Sie jetzt zu diesem Zeitpunkt endlich zur Kenntnis, dass die Prinzipien
der Transparenz, der Kostenwahrheit, der Nichtdiskriminierung, des gleichen
Zugangs zu Dienstleistungen zu wahren sind? (Mag
Thomas Reindl: Das wird auch gewahrt!) Beantworten Sie mir die Frage, wer
wie anerkannt wird, und reden Sie mit Leuten, die sich im Vergaberecht
auskennen, dann werden Sie nämlich erfahren, dass sich sehr viel ändern muss,
wenn Sie ernst machen mit Ihrer Absicht, keine Klage riskieren zu wollen und
dann keine Klage verantworten zu können.
Die Anerkennung der Organisationen muss den
Wettbewerbsregeln entsprechen, damit Sie keine Klage
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