Gemeinderat,
37. Sitzung vom 19.12.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 29 von 98
wenn sie ihre Beschäftigen
schlecht bezahlen, schlecht ausgebildete Beschäftigte haben. (GR Heinz Christian Strache: Gibt es keine
Kollektivverträge?) In den wenigstens Bereichen. Und das ist die große
Gefahr, wenn man sich diese Entwicklung auf diesem Markt ansieht, dass in
Wirklichkeit Hilfskräfte, schlecht bezahlte Hilfskräfte, insbesondere im
Bereich der Pflege, qualitativ hochwertige Arbeit erbringen müssen, für die sie
zum Teil überhaupt nicht ausgebildet sind. Nur, die jetzige Konstellation des
Fonds “Soziales Wien“ führt dazu, dass spätestens in fünf Jahren genau auf
dieser Basis letztendlich dann die Abwicklung dieser Leistungen erfolgt.
Ich will Ihnen auch illustrieren,
weshalb dies der Fall sein wird. Wie gesagt, weder auf Organisationsebene noch
auf individueller Ebene besteht beim Fonds “Soziales Wien“ ein Rechtsanspruch,
sondern nur ein Förderanspruch. Jeder und jede die sich überlegt, ich möchte
eine Leistung außerhalb des Fonds Soziales Wien in Anspruch nehmen, zum
Beispiel im Bereich der Pflege, hat den Rechtsanspruch darauf und wird ihn auch
bei der Gemeinde Wien durchkämpfen, was dazu führen wird, dass anstatt dass
alles günstiger wird, so wie Sie es ja prinzipiell planen, in Wirklichkeit die
Stadt Wien schon in zwei Jahren Doppelstrukturen und Doppelgleisigkeiten haben
wird, um überhaupt mit diesen Ansuchen der betroffenen Personen umgehen zu
können.
Und warum wird es dazu kommen?
Weil die großen europäischen Dienstleister in diesem Bereich auch nicht auf den
Kopf gefallen sind. Sie werden sich die Lücken im System ansehen, sie werden
bei den einzelnen zu betreuenden Menschen mit Dumpingangeboten hineinfahren und
werden sagen, kämpfe deinen Rechtsanspruch bei der Gemeinde Wien durch, wir
unterstützen dich in dem Kampf um den Rechtsanspruch. Damit wird aber der Fonds
“Soziales Wien“ in seiner Konstruktion - die auf den ersten Blick recht
lieblich wirkt, die aber das Vergabegesetz nicht zum Tragen kommen lässt, die
verhindert, dass Wettbewerbsrichtlinien zum Tragen kommen, dass die
Dienstleistungskonzession nicht zum Tragen kommen wird - langsam aber sicher
zerbröseln.
Sie treiben mit der Konstruktion
des Fonds “Soziales Wien“ den Teufel mit dem Beelzebub aus. Sie versuchen, fünf
Jahre herauszuschinden in einem geschützten Bereich für die Ihnen liebsamen
Vereine. Diese sollen überleben und fit gemacht werden für den freien Markt und
leiten damit gleichzeitig unumkehrbar die Marktunterwerfung der Sozialen
Dienste ein.
Die Absurdität der
Sozialdemokratie, dafür verantwortlich zu sein, als Totengräber des dritten
Sektors zu agieren, ist in unseren Augen nicht mehr zu überbieten. Sich
tagtäglich hinzustellen, und wenn man sich die Reden des Herrn Bürgermeisters
und auch anderer Vertreter der Sozialdemokratie in den letzten Wochen und
Monaten anhört, so wird die Kritik am Neoliberalismus immer schärfer. Und dann
Mittel und Wege des Neoliberalismus zu nehmen und zu glauben, ihn dadurch
aufhalten zu können, aber damit endgültig als Totengräber des dritten Sektors
in die Geschichte einzugehen, das ist tatsächlich eine absurde Strategie, eine
unpolitische Strategie und eine kurzsichtige Strategie.
Meine sehr geehrten Damen und
Herren, ich ersuche Sie daher, dass Sie heute nicht der geplanten Änderung der
Geschäftseinteilung, insbesondere der Zuweisung in einen Fonds “Soziales Wien“
zustimmen, sondern dass Sie ganz im Gegenteil gemeinsam dafür Sorge tragen,
dass zunächst einmal in diesen Bereichen Qualitätskriterien diskutiert werden,
Transparenz geschaffen wird, eine demokratische Möglichkeit der Mitgestaltung
und Mitsprache geschaffen wird, und dass wir uns gemeinsam überlegen, wie wir
es in Hinkunft verhindern können, dass die sozialen Dienste langfristig auf der
Strecke bleiben.
Denn damit bleiben nicht nur die
MitarbeiterInnen des Magistrats, die jetzt ausgegliedert werden und in fünf
Jahren ebenfalls dem freien Markt unterworfen sind, dabei bleiben nicht nur die
Vereine und die MitarbeiterInnen der Vereine auf der Strecke, sondern
hauptbetroffen von dieser Umgestaltung sind diejenigen Menschen, die unserer
Unterstützung bedürfen, die der Betreuung auf Grund ihrer Lebenssituation
bedürfen.
Das sind diejenigen Menschen, die
Sie schon jetzt dazu verurteilen, in spätestens fünf, sechs Jahren nicht auf
qualitativ hochwertige Leistungsangeboten greifen zu können, sondern auf
Leistungsangebote niedrigen Standards zurückgreifen zu müssen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, überlegen Sie es sich noch einmal.
Stimmen Sie mit uns gegen die geplante Ausgliederung in den Fonds “Soziales
Wien“ und überlegen wir uns gemeinsam, wie es möglich ist, langfristig
sicherzustellen, dass in Wien all jene Menschen, die Unterstützung benötigen,
diese auch qualitativ hochwertig und sozial verträglich zur Verfügung gestellt
bekommen. Ich danke sehr! (Beifall bei
den GRÜNEN.)
Vorsitzende GRin Josefa Tomsik:
Als nächste Rednerin zum Wort gemeldet ist Frau GRin Korosec. Ich erteile es ihr.
GRin Ingrid Korosec (ÖVP-Klub
der Bundeshauptstadt Wien): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren!
Wieder einmal, leider Gottes muss ich es sagen, debattieren wir heute,
und das hat ja schon mein Vorredner sehr ausführlich und auch sehr
eindrucksvoll getan, einen der wesentlichsten Bereiche dieser Stadt, die
Sozialpolitik.
Die Sozialistische Fraktion ist an dieser Sozialpolitik offensichtlich
nicht interessiert. (Beifall bei der ÖVP
und GRin Dr Sigrid Pilz.) Ich freue mich, dass Sie, Frau StRin
Dr Pittermann, hier sind und die Vorsitzende vom Gesundheitsausschuss,
aber ansonsten herrscht gähnende Leere. (GR
Mag Harald STEFAN zur SP-Fraktion zeigend: Einer ist da von der SPÖ!) Meine
Damen und Herren, schauen wir ein bisschen zurück. Warum kommt es denn zu
dieser geplanten Neuordnung.
Anlass waren zwei Berichte. Erstens der des Kontrollamts und
zweitens die Artur-Andersen-Consulting-Studie. Das Ergebnis ist, es gibt eine
hohe Leistungsdichte bei betrieblich und betriebswirtschaftlich katastrophalem
Zustand. Das war das Ergebnis. Beide Berichte
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