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Gemeinderat, 37. Sitzung vom 19.12.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 28 von 98

 

Bürgermeister Häupl gestern eindrucksvoll bei der Anfragebeantwortung der Dringlichen zur LehrerInnen-Situation in Wien, oder Vizebürgermeisterin Laska zum Finanzloch im Sozialressort, oder Bürgermeister Häupl zu den Einsparungsvorschlägen im Sozialressort dokumentiert hat, keine Antworten. Sie fahren mit Ihrer absoluten Mehrheit über alles drüber, was in Richtung mehr Demokratie, mehr Transparenz und mehr Mitgestaltung geht.

 

Und dann glauben Sie, damit können Sie tatsächlich die Sozialen Dienste in Wien retten? Genau das Gegenteil ist der Fall, und ich werde das noch näher ausführen. Es gibt ein Motto für diese Auslagerung in den Fonds “Soziales Wien“, und dieses Motto lautet: Fit machen für den freien Markt.

 

Für den freien, neoliberalen Markt, denn diese Konstruktion, die gewählt wurde, zeigt ganz eindrucksvoll, dass es überhaupt nicht darum geht, dass die Stadt Wien in Hinkunft tatsächlich die Sicherheit, die qualitative, hochwertige Erbringung sozialer Dienste sicherstellt, sondern in Wirklichkeit ist es ein Armutszeugnis. Es ist die Aufgabe und das Eingeständnis, dass weder innerhalb noch außerhalb des Magistrats die Sozialdemokratie glaubt, dass es realisierbar wäre, dass diese Dienstleistungen gemeinnützig und nicht gewinnorientiert, erbracht werden.

 

Und ich werde das jetzt noch näher ausführen: Wie schaut die Konstruktion des Fonds aus? Ganz bewusst, und nicht unintelligent, das gebe ich wirklich zu, ist es gelungen eine Konstruktion zu schaffen, die die Wettbewerbsrichtlinien umgeht, die das Bundesvergabegesetz umgeht und die auch umgeht, dass es sich um Dienstleistungskonzessionen handelt. Prinzipiell könnte man zustimmen, wenn dahinter – ich betone es nochmals – die Absicht der Demokratisierung gestanden wäre, der Transparenz von qualitativ hochwertigen Kriterien, alles etwas, womit man tatsächlich den Auswüchsen einer neoliberalen Politik die Stirn bieten könnte.

 

Doch das Gegenteil ist der Fall, denn was passiert jetzt? Organisationen werden zu Bittstellern. Zu Bittstellern, ob sie überhaupt anerkannt werden, in Zukunft Dienstleistungen erbringen zu können. Die Förderrichtlinien, die dafür entwickelt werden müssen, entwickelt das Kuratorium. Gibt es in diesem Kuratorium irgendeine Möglichkeit der politischen Mitsprache? Nein. Gibt es in dem Kuratorium eine mögliche Mitsprache der MitarbeiterInnen des Magistrats? Nein, außer der führenden und leitenden Angestellten. Gibt es in diesem Kuratorium die Möglichkeit der Mitsprache der MitarbeiterInnen in den leistungserbringenden Organisationen? Nein.

 

Die Mitsprache erfolgt - unter Ausschluss der Öffentlichkeit - durchwegs durch die höchsten Beamten der Wiener Stadtregierung und als Verein sollte man sehr aufpassen, sich unliebsam in diese Erstellung der Förderrichtlinien einzumischen.

 

Denn in den Satzungen des Fonds “Soziales Wien“ steht auch ein zweiter, ganz wesentlicher Punkt: Das Anerkenntnis kann jederzeit, ohne Angabe von Gründen, widerrufen werden. Bislang haben die dienstleistungserbringenden Organisationen in den allermeisten Fällen zumindest Verträge. Es gibt auch vertragsfreie Bereiche, wie wir wissen, zwar nicht gewollt, sondern durch die Macht des Faktischen, insbesondere im Bereich der Fahrtendienste, der Behindertenhilfe, doch ansonsten gab es Verträge, die die rechtlichen Rahmenbedingungen absicherten. Jetzt gibt es ein Anerkenntnis, und wer die Sozialdemokratie kennt muss sagen, Gnade Gott dem Verein, der es sich traut, einmal gegen die Sozialdemokratie aufzumucken. Weg vom Fenster ohne die Möglichkeit einer Berufung, weg!

 

Sie wissen, dass es innerhalb der unterschiedlichsten Vereine und Organisationen auch so etwas wie einen Wettbewerb gibt und wir wissen, es gibt Ihnen sehr nahe stehende Vereine und Organisationen, Ihnen noch näher stehende Vereine und Organisationen und welche, bei denen  Sie eigentlich überhaupt kein Interesse daran haben, sie fit zu machen für den freien Markt, weil es durchaus sein kann, dass diese die rote Allmacht tatsächlich einschränken würden. Das sind die Voraussetzungen für die Vereine und die Organisationen.

 

Und womit haben Sie ihnen gedroht, dass sie sich tatsächlich darauf eingelassen haben auf den Fonds “Soziales Wien“? Sie selbst haben damit gedroht, das Bundesvergabegesetz käme zur Anwendung und das würde den Tod vieler dieser Vereine bedeuten, anstatt sich von vornherein zu überlegen - unter Einbindung der Opposition - wie wir gemeinsam ein demokratisches, transparentes, qualitativ hochstehendes System von sozialen Diensten ermöglichen können.

 

Im Endeffekt besteht die Frage, was bleibt über. Was bleibt über in fünf Jahren, denn das System hat natürlich auch einen Haken. Damit man das Bundesvergabegesetz umgeht, wurden die Förderrichtlinien aufgestellt, damit man den Wettbewerb umgeht, wurde auf die Individualförderung abgestellt und damit man die Dienstleistungskonzession umgeht, bleibt selbstverständlich der Rechtsanspruch auf eine Leistung innerhalb der Gemeinde Wien auch rechtlich durch verschiedene Gesetze verankert.

 

Weil eines ist klar: Was passiert auf individueller Ebene, wenn ein Mensch, der eigentlich Anspruch hätte auf die Betreuung, auf Unterstützung, nehmen wir an, im Bereich Menschen mit Behinderungen, der kein Interesse daran hat, mit dem Fonds Soziales Wien zusammenzuarbeiten? Ja, dieser Mensch erfüllt nicht die Förderrichtlinien des Fonds “Soziales Wien“, sehr wohl hat er oder sie jedoch einen Rechtsanspruch auf diese Förderleistung. Diesen Rechtsanspruch muss er, sie, versuchen, bei der Gemeinde Wien zu verwirklichen.

 

Und es wird funktionieren. Es wird funktionieren im Bereich der Heimhilfe, es wird funktionieren im Bereich der Pflege. Und Sie wissen es genauso gut wie wir, dass die großen europäischen Dienstleister in diesen Bereichen vor der Tür stehen und nur darauf warten, dass sich ein Tor öffnet, um in diesen sehr umkämpften Dienstleistungsmarkt einzubrechen. (GR Heinz Christian Strache: Das bringt ja Qualität!) Es ist die Frage, ob Dienstleister, die insbesondere deshalb ihre Dienstleistungen billig anbieten können, wirklich Qualität bringen,

 

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