Gemeinderat,
37. Sitzung vom 19.12.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 13 von 98
Verkehrsstadtrat gefragt habe.
Ihr Verhältnis zu
Niederösterreich ist ja demonstrativ durchaus gut. Tatsache ist, dass auf
Betreiben Niederösterreichs eine lange Reihe von Straßenausbau-Projekten in
Richtung unserer Nachbarländer betrieben werden. Was ich als noch
problematischer sehe, sind - ich nenne es bewusst so - Stadtgründungen, wenn
Outlet Centers errichtet werden, die ganz gezielt einem Wiener Publikum gelten
und ausschließlich mit dem Auto angefahren werden können. Derartige Projekte
sind nicht nur in Niederösterreich, sondern auch unmittelbar an der Grenze der
Fall. Es wird zwar appellativ immer gesagt, wir bauen ohnehin die Schiene aus,
aber die faktischen Zahlen zeigen, dass insbesondere Straßen ausgebaut werden
und dass rund um diese Straßen höchstrangige Wirtschaftseinheiten ohne jegliche
überregionale Raumplanung gebaut werden.
Ich begrüße es, dass die
Wirtschaftsregion Wien-Bratislava in Bewegung kommt, und ich begrüße auch
Industrieansiedlungen und entsprechende Wirtschaftsentwicklungen. Da ich aber
sehe, dass dies auf keiner planerischen Grundlage beruht, möchte ich jetzt
dieselbe Frage stellen, die ich dem Herrn Verkehrsstadtrat gestellt habe - er
hat ja gesagt, er wäre dafür; das ist aus meiner Sicht begrüßenswert, aber ein
bisschen wenig -: Sehen Sie realistische Möglichkeiten, oder was haben Sie
schon getan, was werden Sie tun, um gemeinsam mit Niederösterreich, aber auch
gemeinsam mit den Wirtschaftsbetrieben und Kommunen an unseren Grenzen diesen
kommenden Boom - von dem ich hoffe, dass er kommt - in raumplanerisch
vernünftige Bahnen zu lenken? Derzeit passiert genau das Gegenteil.
Ist also zum Beispiel so etwas wie eine Strategische
Umweltprüfung, die man dann anders nennen wird, um Niederösterreich ins Boot zu
holen, im Raum Wien-Bratislava geplant, oder setzen Sie andere Schritte? Dass
die Auswirkungen jetzt ausnehmend kritisch sind, werden Sie, denke ich, nicht
bezweifeln. Hier ist die Politik aufgefordert, Prioritäten zu setzen. Was haben
Sie getan, und was werden Sie in diesem Bereich tun, in dem es ja keine
Gebietskörperschaft gibt, die dafür zuständig ist?
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer:
Bitte.
Bgm Dr Michael Häupl: Herr Klubobmann!
Genau darum geht es auch in der Diskussion und
Begründung dieser Europaregion Mitte oder Vienna Region oder EUREGIO - wie
immer man das bezeichnet -, ein Instrumentarium, das ja nicht wir erfunden haben,
sondern das uns auch von der Europäischen Union gegeben wurde. Hier geht es
darum, dass man eine gemeinsame regionale Entwicklung über die österreichischen
Staatsgrenzen hinaus zu organisieren hat. Es ist ja innerstaatlich, wenn man so
will, schon schwierig genug, zur gemeinsamen Planung der ökonomischen
Entwicklung einer Region zu kommen. Da sind sogar Verkehrsinfrastrukturprojekte
noch sehr viel leichter durchzuführen als eine Raumplanung, die dabei die
ökonomische Entwicklung - Stichwort Betriebsansiedlung - ermöglicht.
Weil wir wissen, dass die PGO, die
Planungsgemeinschaft Ost, kein hinreichendes Instrumentarium ist -
innerstaatlich ja, nicht aber hineingehend in die Regionen in Ungarn, Slowakei
und der Tschechischen Republik -, haben wir uns vor geraumer Zeit entschlossen,
den Prozess der Entwicklung dieser Europaregion Mitte in Gang zu setzen. Es ist
dies zur Zeit die einzige tatsächlich einigermaßen auf einer Rechtsgrundlage
fußende Möglichkeit, hier zu einer gemeinsamen, integrierten Entwicklung zu
kommen, die die wirtschaftliche, die verkehrsinfrastrukturelle, die ökologische
und natürlich auch die kulturelle Entwicklung gewährleisten kann.
Auch da stehen wir mitten in einem Prozess, aber ich
sehe zu diesem Prozess und zu seiner positiven Erledigung zur Stunde eigentlich
keine wirkliche Alternative. Finanziell gesehen werden wir uns bis zu dem
Zeitpunkt, zu dem die Nachbarländer der Europäischen Union beitreten, noch
einiges zu überlegen haben, denn die Cross-Border-Projekte sind mangels Border
natürlich von einer enden wollenden Aussicht geprägt. Ich halte es daher für
sehr wichtig, dass wir die Möglichkeit dieser Europaregion Mitte, dieser Vienna
Region, entsprechend nutzen, denn ich sehe dazu, wie gesagt, keine Alternative.
Ich möchte aber zu einer anderen sehr ernsten Frage
kommen, die mir auch Sorge bereitet und über die man sehr intensiv nachdenken
muss, um herauszufinden, wie man dieses Problem löst. Das ist die Frage der
Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur bei zwei Geschwindigkeiten, wenn man so
sagen möchte. Dabei geht es um das - weil finanziell besser abgesichert -
größere Tempo des Ausbaus der Straße und das - weil finanziell nicht
abgesichert - geringere Tempo des Ausbaus der Schiene. Das macht mir große
Sorgen, weil wir bei dieser Ungleichzeitigkeit trotz all unserer Bemühungen im
Hinblick auf eine ökologisch vernünftige Verteilung des Modal Split bei einer
insgesamt zu erwartenden, wesentlich größeren Menge an Gütertransport aufgrund
der ökonomischen Entwicklung in den neuen EU-Ländern das angestrebte Ziel einer
halbwegs vernünftigen Verteilung nicht erreichen.
Dies ist der Grund dafür, dass etwa der Wiener
Verkehrsstadtrat einen Vorschlag aufgegriffen hat, den es schon seit längerer
Zeit gibt, nämlich auf die LKW-Maut, auf das Road-Pricing für LKW, einen
bestimmten, ohnehin nicht sehr hohen Cent-Satz aufzuschlagen und diesen in
einer Querfinanzierung zum Ausbau der Schiene zu verwenden. Mir scheint dies
ein sehr vernünftiger Vorschlag zu sein, weil er das Problem der zwei Geschwindigkeiten
beim Ausbau von Straße und Schiene entsprechend minimieren könnte. Entscheidend
und wesentlich ist dabei die Frage der Wegekostenrichtlinie, aber nicht nur.
Denn ich denke, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, wie
man mit etwas Kreativität hier zu einer Lösung kommen könnte, etwa
gesellschaftsrechtlich dadurch, dass man durch eine entsprechende Verschmelzung
der Baugesellschaften, von Bau - Schiene und Bau - Straße, auch auf
Basis des jetzt existierenden EU-Rechts solche
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular