Gemeinderat,
35. Sitzung vom 24.11.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 75 von 134
nachgeben soll oder ob sie nichts bedeuten, ob das Kopftuch
etwas bedeutet oder ob es freiwillig ist und daher nicht zur Diskussion steht,
ob man Kreuze aufhängen soll oder nicht – nicht in diesem Landtag, aber im
Niederösterreichischen Landtag wird das gerade diskutiert; ich hielte es aus,
mich störte es nicht, aber es muss auch nicht sein –, oder ob das
Ein-paar-Schritte-dahinter-Gehen symbolisch oder rein zufällig ist.
Aber wenn alle diese Symbole für die Migranten etwas
bedeuten, dann müssen sie auch einen Wesensgehalt haben, und dieser
Wesensgehalt ist mir fremd. Ich kann daran nichts erkennen. Wenn man sagt, bei
uns ist vor hundert Jahren auch noch das Kopftuch getragen worden, dann kann ich
mich zwar nicht persönlich daran erinnern, aber im Rahmen meiner
Volkskundebildung weiß ich, dass es stimmt. Aber die Frauen haben es nicht
getragen als Zeichen der Unterwerfung, sondern weil es angenehm war, die langen
Haare zusammenzubinden, weil sie sonst bei der Feldarbeit gestört haben. Ich
frage mich nur, welche der Migrantinnen heute ein Kopftuch tragen müssen, damit
die Haare sie bei der Feldarbeit nicht stören. Es ist vielmehr ein Symbol, bei
dem wir uns fragen müssen, ist es eines, das wir uns gefallen lassen können
oder nicht, ist es ein Symbol, von dem wir ihnen sagen müssen: Kameraden, ihr
seid hierher gekommen, das müsst ihr ablegen, das wird auf Dauer nicht gehen. (GR
Hein Hufnagl: Kameraden? – Weitere fragende Rufe: Kameraden? – GRin Martina LUDWIG: Wir sind nicht am
Ulrichsberg!) Das habe ich
mir gedacht, dass euch das aufregt: "Kameraden". Na gut. Wenn das der
einzige geistreiche Zwischenruf war, der Ihnen eingefallen ist, nehme ich ihn
hin. (GR Heinz Hufnagl: Wollen Sie jetzt alle kroatischen Frauen des
Burgenlandes belehren!) Das sagen Sie gerade mir, wo mein Großvater Kroate
war? Da sind Sie jetzt beim Falschen. Das muss ich Ihnen wirklich sagen, da
sind Sie beim Falschen. Die vielen kroatischen Frauen, die außer bei der Tracht
noch das Kopftuch tragen, die kann ich in jedem Dorf an einer Hand abzählen,
ohne die Finger mehrmals zu gebrauchen. Also fünf für Sie! Das ist wirklich
kein gutes Argument. Das ist vielleicht Teil einer Tracht, aber ein
Unterwerfungsritual der Burgenland-Kroaten oder der March-Kroaten ist das
Kopftuch wirklich nicht. Meine Frau kommt aus einem marchkroatischen Dorf. Dort
trägt keine einzige Kroatin mehr ein Kopftuch. Das können Sie mir wirklich
nicht erzählen. (GR Kurth-Bodo Blind: Aber einen Hut tragen sie dort!)
Das war jetzt ganz daneben. Macht nichts, ersparen wir es uns beim nächsten
Mal.
Ein anderes Kapitel, Frau Stadträtin, im Zusammenhang
mit der Integration: die Asylpolitik. Von Seiten der Sozialdemokratie gibt es
da viel Kritik am Bund. Sie meinen, das neue Asylgesetz sei vielleicht inhuman.
Sie kritisieren die Drittstaatenregelung, dass unsere Nachbarländer sichere
Drittstaaten wären und man daher nahezu grundsätzlich von dort nicht als
Asylsuchender kommen würde. Und jetzt frage ich einmal: Was ist daran
eigentlich falsch? Viele davon sind EU-Mitglieder, viele werden bald
EU-Mitglieder sein, alle haben einen Rechtsstaat, manche sogar mehr oder besser
ausgeprägt, als der österreichische Rechtsstaat, wenn ich den zurzeit in
Betracht ziehe. Was soll daran falsch sein, zu sagen, wer aus diesem Land
kommt, hat kein Recht, bei uns um Asyl anzusuchen? Wenn darauf gesagt wird,
dann bleibt nur noch der Flugplatz übrig, dann sage ich: Ja genau, da bleibt
nur der Flugplatz übrig. Denn jeder, der aus Ungarn kommt, kann doch nicht
ernsthaft behaupten, dass er in Ungarn kein Asyl bekommen würde oder dass
Ungarn kein sicherer Drittstaat wäre. Das muss mir einer glaubhaft erklären.
Deswegen ist dieses Asylgesetz grundsätzlich in
Ordnung. Es ist nicht inhuman, ich sehe die Inhumanität nicht, aber vielleicht
kann man es mir erklären. (Beifall bei der FPÖ.)
Wenn es in der Asylpolitik auch international eine
Diskussion gibt, die offenbar an der Stadt-SPÖ-Regierung etwas vorbeigegangen
ist – jetzt im übertragenen Sinn, ohne die Vollziehungskompetenzen zu
berücksichtigen –, dann ist es die Frage, ob es für viele nicht besser ist,
nach einem gewaltsamen Konflikt oder was immer sie zur Flucht getrieben hat, in
der Region zu bleiben, aus der sie stammen, denn das ist grundsätzlich noch
nicht inhuman.
Ich nehme ein Beispiel: Afghanistan. Da kann ich
zufällig etwas dazu sagen, denn erstens war ich schon dort, zweitens habe ich
mich damit beschäftigt. In Afghanistan waren viele Menschen auf der Flucht vor
dem Taliban-Regime oder vor dem herannahenden Krieg zum Jahreswechsel
2001/2002. Jeder Dritte des Jahres 2001, den wir an Österreichs Grenzen als
Illegalen aufgegriffen haben, war Afghane. Sie werden es nicht glauben – oder
Sie werden es doch glauben –, die Zahl der Afghanen hat sich natürlich
drastisch reduziert, seit das Taliban-Regime dort weg ist, seit der Krieg bis
auf Einzelerscheinungen nahezu vorbei ist und eine internationale Friedentruppe
dieses Land stabilisiert. In der Zeit, in der ich in Kabul war – das kann ich
persönlich bestätigen –, sind jeden Tag 50 Familien allein nach Kabul
zurückgekehrt – 50! –, und die waren natürlich alle in den Nachbarregionen. Die
waren in Pakistan, die waren im Iran oder in anderen angrenzenden Ländern. Für
die war es nicht notwendig, hierher zu kommen, denn es war auch kein Asylgrund
mehr vorhanden.
Was ist daher falsch daran, zu sagen, dass diese
Menschen nach Ende des Konfliktes wieder in ihr Heimatland zurückkehren und es
wiederaufbauen sollen. Denn es bedarf ihrer auch dort. Die Afghanen sind ein
Volk – das muss man auch sagen –, das auch sehr gerne wieder zurückgeht, weil
sie ihre Heimat über alles lieben. Ein Afghane ist bei uns in Wahrheit falsch
aufgehoben – das gilt für die Masse der Afghanen –, der will eigentlich gar
nicht da leben, der will in Kabul, in Kandahar oder in irgendeinem Hochtal
leben, denn dort ist seine Heimat und dort fühlt er sich auch wohl.
Daher ist eine Asylpolitik, die sich damit auseinander
setzt, nicht falsch. Sie wird auch im nächsten Jahrhundert nicht falsch sein
können, denn – ohne jetzt quasi groß an die Wand zu malen, was uns im dritten
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