Gemeinderat,
35. Sitzung vom 24.11.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 64 von 134
wichtig ist und dem viel zu wenig Raum auch in diesem Hause
eingeräumt wird, wenn es um Frauen geht, ist das Thema Frauenarmut. Nicht nur,
dass Armut mit dem Anstieg der Arbeitslosigkeit natürlich substantiell
zusammenhängt, sondern die Armut von Frauen steigt immer mehr. In Wien ist die
Situation eine bedrohliche. Immer mehr Frauen sind an der Armutsgrenze, die
Zahl der Notstandshilfebezieherinnen steigt. Wir haben allein 6 327 Frauen
als Notstandshilfebezieherinnen, wobei Frauen interessanterweise nur
84 Prozent des Tagsatzes von Männern im Rahmen ihrer Notstandshilfebezuges
bekommen. Die Zahl der Frauen, die Sozialhilfe beziehen, steigt dramatisch.
Seit 1999 ist die Zahl der Sozialhilfeempfängerinnen in Wien um 74 Prozent
gestiegen – 74 Prozent! – von zirka 19 000 auf 33 000.
"Frauen sichtbar machen" haben Sie, Frau
Stadträtin, im Rahmen der Frauenpreisverleihung am letzten Montag gesagt, die
eine sehr schöne Veranstaltung war. Ich habe mich auch gefreut, dass Sie trotz
des launigen Abends positive Worte für die Armutssituation von Frauen gefunden
haben. "Frauen sichtbar machen" haben Sie gesagt, und die Wiener Grünen haben bereits wiederholt einen
Antrag gestellt, den Sie im Ausschuss leider schon einmal abgelehnt haben,
nämlich zumindest einen Frauenarmutsbericht in Wien zu erstellen. Ein
Frauenarmutsbericht ist einer der wesentlichen ersten Schritte zur
Armutsprävention. Sichtbarmachen von Armut, Sichtbarmachen von weiblicher
Armut, Sichtbarmachen des höheren Frauenarmutsrisikos wäre ein wesentlicher
Beitrag, um Frauen tatsächlich sichtbar zu machen.
Ich verstehe nicht, warum Sie etwas, was auch in der
Stadt Salzburg zum Beispiel gang und gäbe und dort selbstverständlich ist,
nämlich die Erstellung eines Frauenarmutsberichtes, für Wien ablehnen. Ein
Frauenarmutsbericht sollte mehrere Funktionen erfüllen. Nicht nur hätten wir
dann endlich Daten über die aktuelle Situation von in Armut lebenden und von
Armut gefährdeten Frauen, sondern wir hätten auch eine Auflistung der Ursachen
und Auswirkungen von Frauenarmut, die systematisch erfasst werden sollte – auch
nach dem Vorbild des Armutsberichtes in Salzburg –, und wir könnten auch die
Wirksamkeit bestehender Maßnahmen gegen Frauenarmut, die es ja durchaus gibt,
evaluieren. Frauenarmut wäre, wie gesagt, nicht mehr versteckt oder weniger
versteckt – nicht mehr versteckt wäre viel zu optimistisch –, sondern würde ein
Gesicht bekommen, denn das Gesicht der Armut ist weiblich.
Deshalb möchte ich meinen ersten Antrag heute
einbringen betreffend Erstellung eines Wiener Frauenarmutsberichtes. Der Antrag
lautet: "Die Stadt Wien möge die regelmäßige Erstellung eines Wiener
Frauenarmutsberichtes veranlassen." In formeller Hinsicht beantrage ich
die sofortige Abstimmung dieses Antrages. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Der vierte Punkt, der uns Wiener GRÜNEN sehr wichtig
ist, betrifft das Gender Mainstreaming, ein Ausdruck, den viele noch immer
nicht kennen. Ich habe mir von einem Bezirk in Wien – ich sage jetzt bewusst
nicht, welcher –, wo wir einen Vortrag über Gender Mainstreaming gehalten
haben, sagen lassen, dass dort einer der Herren gefragt hat: Was wollen Sie?
Gendarmen aufstocken? Es war ziemlich schlimm. Es betrifft Ihre Partei, Sie
lachen jetzt, ich sage Ihnen dann nachher, wer es war. (GRin Mag Heidemarie Unterreiner: Vielleicht probieren Sie es einmal
mit einem deutschen Ausdruck, dann verstehen Sie die Menschen! Verwenden Sie
einfache Ausdrücke! Denken Sie an die einfachen Menschen!)
Das heißt, was Gender Mainstreaming betrifft, ist
hier einiges zu tun, ist einiger Handlungsbedarf, denn Wien hat sich dank eines
grünen Antrages verpflichtet, Gender Mainstreaming umzusetzen. Vor nunmehr zwei
Jahren wurde dieser Antrag angenommen. Am 5. Dezember 2001 hat sich Wien
verpflichtet, Gender Mainstreaming in allen Ressorts, in allen
Verwaltungsbereichen und auch in allen Bezirksgruppen umzusetzen und auch eine
Steuerungsgruppe dafür einzusetzen. Allein, passiert ist wenig.
Sie geben das auch zu, Frau Stadträtin. In einer
Anfragebeantwortung vom 7. August geben Sie zu, dass es keine
Umsetzungsstrukturen und kein Budget für Gender Mainstreaming in den einzelnen
Ressorts und auf den einzelnen Verwaltungsebenen gibt. Wir GRÜNEN wollen, dass
das schleunigst nachgeholt wird, denn schließlich ist die Stadt Wien seit zwei
Jahren dazu verpflichtet. Wir bringen daher drei Anträge in dieser Causa ein.
Der erste Antrag betrifft die Einsetzung von
Steuerungsgruppen für Gender Mainstreaming, wie es der Antrag, der vor zwei
Jahren schon angenommen wurde, eigentlich vorsehen würde. Der Antrag lautet:
"Die Stadt Wien möge in allen
Magistratsabteilungen Steuerungsgruppen zur Umsetzung von Gender Mainstreaming
einsetzen."
In formeller Hinsicht beantrage ich die Zuweisung des
Antrages an den Gemeinderatsausschuss für Integration, Frauenfragen,
KonsumentInnenschutz und Personal. Ich hatte ihn ursprünglich, wie Sie wissen,
auf sofortige Abstimmung vorbereitet, empfange aber positive Signale aus der
sozialdemokratischen Fraktion, dass man darüber gerne reden würde. Das heißt,
ich stelle gerne den Antrag auf Zuweisung.
Der zweite Antrag in dieser Causa betrifft eigene
Budgets für Gender Mainstreaming, und zwar in allen Ressorts, wie es eigentlich
eine Selbstverständlichkeit sein sollte, wenn man zum Gender Mainstreaming
verpflichtet ist, denn ohne Geld ka Musi. Dieser Antrag lautet:
"Der Gemeinderat der Stadt Wien möge
beschließen, dass in allen Geschäftsgruppen und Magistratsabteilungen der Stadt
Wien budgetäre Mittel für Maßnahmen zur Umsetzung des
Gender-Mainstreaming-Prozesses bereitgestellt werden."
In formeller Hinsicht beantrage ich auch hier die
Zuweisung an den entsprechenden Ausschuss.
Ich denke, dass die Anträge auch im Hinblick auf den Wissensstand
innerhalb der Ressorts und der Beamten und Beamtinnen, die Gender Mainstreaming
auch als
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