Gemeinderat,
35. Sitzung vom 24.11.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 63 von 134
mit diesem Antidiskriminierungsgesetz die Gefahr verbunden
ist, dass die spezifischen Diskriminierungsregelungen für Frauen sukzessive
entsorgt werden oder unter den Tisch fallen und für Frauen immer weniger
Mittel, immer weniger Ressourcen und immer weniger strukturelle Hilfe zur
Verfügung steht.
Ich freue mich daher, dass die Stadt Wien eine
negative Stellungnahme zu dem Antidiskriminierungsgesetz der Bundesregierung
abgegeben hat, und ich freue mich auch, dass die Stadt Wien den Frauenpreis
heuer an eine Frau verliehen hat, die hier seit Jahren federführend tätig ist,
an die Gleichbehandlungsanwältin Ingrid Nikolay-Leitner, die wir alle seit
Jahren kennen. Ich denke, das ist auch ein wichtiges Signal.
Das Zweite, was ich aus dem letzten Jahr positiv
hervorheben will, sind die Dreijahresverträge, die die Stadt Wien jetzt den
Frauenvereinen anbietet, zumindest den etablierten Frauenvereinen. Auch das ist
ein wichtiges Signal, da Frauenvereine seit Antritt dieser Bundesregierung in
ihrer finanziellen Situation massiv bedroht sind, man könnte fast schon sagen,
dass sie in Österreich und auch in Wien bald vom Aussterben bedroht sind. Und
zwar nicht nur durch die Bundesregierung, sondern auch durch das neue
Bundesvergabegesetz, das durch den Wettbewerb und die Ausschreibungspflicht in
diesem Sektor kleinere Vereine, vor allem Frauenvereine, arbeitsmarktpolitische
Vereine, Bildungseinrichtungen stark unter Druck setzt, weil die einfach am so
genannten freien Markt nicht mehr mithalten können, weil sich eine
Qualitätsspirale nach unten in Gang setzt. Da ist es auch ein wichtiges Signal,
dass Wien sagt, wir gehen einen anderen Weg, wir bieten langfristige
Finanzierung oder, sagen wir, Erleichterung bei der Finanzierung an. Es ist
noch immer nicht genug, denn abgesichert sind die Frauenvereine noch nicht,
aber zumindest das Signal, die Finanzierungsmöglichkeiten zu erleichtern, ist
ein wichtiges und entspricht einer langjährigen Forderung der Wiener Grünen. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Es gibt auch Applaus für die Sozialdemokratie.
Schade, dass nur meine Fraktion applaudiert, wenn ich einmal etwas lobe. (Heiterkeit. – Zwischenruf des GR Godwin
Schuster.) Das ist ja etwas Ungewöhnliches für mich. Aber ich komme jetzt
auch schon, den anscheinend interessiert Sie das auch mehr, zu den negativen
Dingen. Die positiven sind schon abgeschlossen. (Beifall des GR Günther Barnet.) Danke, Herr Kollege. (GRin Nurten Yilmaz: Applaus bei den
Freiheitlichen!)
Zu den negativen Dingen. Die Situation der Frauen in
Wien hat sich insgesamt im letzten Jahr dramatisch verschlechtert. Ich spreche
von der Arbeitsmarktsituation und von der sozioökonomischen Situation von
Frauen. Wien hat Rekordarbeitslosigkeit. 32 000 Frauen in Wien sind
arbeitslos gemeldet. Die Dunkelziffer liegt, wie wir wissen, noch viel höher,
weil sich viele Frauen gar nicht arbeitslos melden beim AMS. 13 Prozent
beträgt der Anstieg insgesamt in Wien. Das ist der höchste Anstieg aller
Bundesländer, das haben wir heute schon an einigen Stelle gehört. Besonders
betroffen vom Arbeitslosigkeitsanstieg sind diesmal 15- bis 45-jährige Frauen.
Es freut uns, dass der Wiener
ArbeitnehmerInnen-Förderungsfonds das Budget für seine arbeitsmarktpolitischen
Maßnahmen erhöht hat, sogar recht substantiell erhöht hat, um 25 Prozent,
das ist schön. Das kommt leider sehr, sehr spät, denn die
Rekordarbeitslosigkeit ist nicht neu, auch der Anstieg der Arbeitslosigkeit ist
nicht neu. Die Wiener Grünen
haben wiederholt Anträge in diesem Haus gestellt, dass das Budget des WAFF
erhöht werden soll. Da hat es immer geheißen, Arbeitsmarktpolitik ist Sache der
Bundesregierung, der WAFF tut genug. Ich bin froh, dass man jetzt einsieht,
dass Arbeitsmarktpolitik auch in Wien gemacht werden kann und muss und wird,
und dass das Budget erhöht wird.
Ich freue mich zwar, dass auch das Budget für die
Wiedereinsteigerinnen erhöht wird, allein, man muss schon auch dazusagen, dass
im WAFF in den letzten Jahren auch massiv gekürzt wurde, vor allem für die
Frauen. Sie wissen, dass das Budget von 2000 auf 2001 halbiert wurde, von 2002
auf 2003 wurde ein bisschen aufgestockt, aber man hat nicht einmal das Niveau
von 2001 erreicht. Das heißt, es ist jetzt eigentlich höchste Zeit gewesen, für
Frauen etwas zu tun, hier den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit aufzunehmen und
ernst zu nehmen. Wir begrüßen das auch, aber es kommt zu spät und es ist zu
wenig.
Vor allem die Situation junger Frauen in Wien ist
dramatisch. 15- bis 25-jährige Frauen haben einen Arbeitslosigkeitsanstieg von
16 Prozent innerhalb des letzten Jahres – 16 Prozent! –,
Vergleichswert der Männer 10 Prozent. Das ist auch ein signifikanter
Unterschied. Die Zahl der weiblichen Lehrstellensuchenden ist um
43 Prozent gestiegen. Die Zahl der Frauen in Schulungen zum Beispiel ist
um 8 Prozent zurückgegangen, bei den Männern nur um 0,7 Prozent.
Schade!
Das heißt, ich frage mich, warum Sie in Wien noch
immer keinen Lehrlingsfonds schaffen, einen Lehrlingsfonds, wie er in
Vorarlberg zum Beispiel schon seit Jahren gut funktioniert. Wobei es jetzt
nicht nur darum geht, den Wiener ArbeitnehmerInnen-Förderungsfonds
aufzustocken, denn wir wissen, mehr Budgetmittel alleine sind zu wenig,
schaffen die Lehrstellen noch nicht, sondern was Lehrstellen schaffen würde,
wäre, auch die Wirtschaft nicht aus ihrer Verantwortung für Lehrlinge und junge
Menschen in dieser Stadt zu entlassen. Da finde ich es schade, dass Sie die
Verantwortung immer auf den Bund schieben. Ich meine, Sie haben schon Recht,
der Bund versagt da kläglich in dieser Frage, aber ich denke, Wien braucht den
Bund nicht unbedingt, um einen Lehrlingsfonds einzurichten, einen Fonds, in den
Betriebe, die nicht ausbilden, die keine Lehrlinge ausbilden, einzahlen, und
dass dann quasi eine Umverteilung zu Betrieben erfolgt, die von Lehrlingen
profitieren.
Ich denke, das wäre ein wichtiger Schritt für die
jungen Menschen in dieser Stadt. Die Wiener Grünen
haben dazu einen Antrag im letzten Gemeinderat eingebracht, und ich hoffe, dass
der Ausschuss ihn auch beschließen wird.
Nächster Punkt, der uns Wiener Grünen sehr
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