Gemeinderat,
35. Sitzung vom 24.11.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 58 von 134
nicht übersehen werden, dass - und diese Zahlen beziehen
sich jetzt auf Wien - die Anzahl der Arbeitgeberbetriebe, die 1 bis 49
Beschäftigte haben, fast 98 Prozent beträgt und nur 2,4 Prozent der
Wiener Betriebe mehr als 50 Beschäftigte haben. Diese Zahlen, sehr
geehrter Herr Vizebürgermeister, rechtfertigen meine Forderung, sich nicht nur
verstärkt um diese Betriebe zu kümmern, sondern diese auch verstärkt zu fördern
und zu unterstützen.
Ich darf diese Forderung noch weiter begründen: Wie
sieht nun die finanzielle Situation, zum Beispiel die Eigenkapitalausstattung
der Klein- und Mittelbetriebe aus? - Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Betriebe, die 10 bis 49 Dienstnehmer beschäftigen, haben ein durchschnittliches
Eigenkapital von 13,9 Prozent. Und Betriebe, die ein bis neun Dienstnehmer
beschäftigen, haben - sehr geehrter Herr Vizebürgermeister, Sie werden es
wissen oder Sie werden es schätzen können - wie viel Prozent Eigenkapital? -
Ich sage es Ihnen: Es sind 2,2 Prozent.
Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, was noch
viel dramatischer ist: Von den Betrieben mit ein bis neun Dienstnehmern haben
53,5 Prozent ein negatives Eigenkapital. Und bei den Betrieben von zehn
bis 49 Beschäftigten haben immerhin 34,5 Prozent ein negatives
Eigenkapital. Das bedeutet, dass 88 Prozent dieser Betriebe überschuldet
oder sogar Krisenbetriebe sind und somit von Fremdkapital, wie zum Beispiel
Krediten et cetera abhängig sind. Und hier, sehr geehrter Herr
Vizebürgermeister, müsste Wien seinen Betrieben helfen.
Dringend notwendig, sehr geehrter Herr
Vizebürgermeister, wäre ein Eigenkapitalstärkungspaket für Wien. Die
Bundesregierung hat in diese Richtung ja bereits Schritte unternommen. Einerseits
wurde durch die Schaffung des AWS, des Austria Wirtschaftsservice, eine
konzentrierte Finanzierungs- und Förderungsbank geschaffen, andererseits mit
der steuerlichen Begünstigung des nicht entnommenen Gewinns der richtige
Schritt zur Stärkung des Eigenkapitals gesetzt. (GR Friedrich Strobl: Aber doch nicht bei den Klein- und
Mittelbetrieben!) - Na selbstverständlich bei den Klein- und
Mittelbetrieben! Bei den Freiberuflern nicht, aber bei den Klein- und
Mittelbetrieben selbstverständlich! - Zusätzlich wurde die
13. Umsatzsteuervorauszahlung, wie schon erwähnt, ersatzlos gestrichen,
was allein eine Stärkung von etwa 2 Prozent des Kapitals bringt.
Auch Wien sollte solche Schritte setzen, denn künftig
wird die finanzielle Situation dieser Betriebe noch schwieriger werden, und
zwar durch Basel II. Schon heute wirft Basel II seine negativen
Schatten voraus. Auch wenn die Kleinbetriebe und die überwiegende Anzahl der
Mittelbetriebe für Basel II gar nicht vorgesehen sind, haben die Banken
bereits seit mehreren Jahren jeweils ein eigenes Rating für ihre Kreditvergaben
geschaffen. Unter "Rating" versteht man, vereinfacht ausgedrückt, die
Aussage über das Ausfallrisiko eines Unternehmens. Das beste Rating haben also
jene Unternehmen, die das geringste Risiko aufweisen.
Was bedeutet nun das Rating für diese Betriebe? -
Nun, bei schlechtem Rating werden sich nicht nur die Kreditkosten enorm
erhöhen, sondern für viele Betriebe wird es auch keine Kredite mehr geben.
Früher - darunter verstehe ich: vor fünf oder mehr Jahren - waren die Banken
daran interessiert, ihr Geld an die Firmen zu vergeben. Dabei war den Banken
die wirtschaftliche Situation des Unternehmens im Wesentlichen egal. Heute sind
die Banken gar nicht mehr daran interessiert, eine so genannte Hausbank zu
sein. Im Gegenteil, oftmals habe ich als Steuerberater den Eindruck, dass die
Banken bewusst ihre Kunden vergrämen, um die Geschäftsbeziehungen auf andere
Banken zu übertragen.
Sehr geehrter Herr Vizebürgermeister! Aufgrund der
ohnedies schlechten Situation im Bereich des Eigenkapitals und weiterer
kommender Ereignisse, eben zum Beispiel Basel II, wäre die Stärkung des
Eigenkapitals der Klein- und Mittelbetriebe von immenser Wichtigkeit. (GR
Friedrich Strobl: Herr Kollege Stark, das ist ja richtig, was Sie sagen, aber
wo ist die Unterstützung des Bundes? Gibt es auf Bundesebene ...?) Ich
darf daher meine Forderung nach einem Eigenkapitalstärkungspaket für Wien
wiederholen. (Beifall bei der FPÖ.)
Wie könnte diese Eigenkapitalstärkung aussehen? -
Nun, am einfachsten könnte sie durch entsprechende Dotierung der Wiener
Wirtschaftsförderung erfolgen. Leider erfolgt aber hier eine Kürzung gegenüber
dem Rechnungsabschluss 2002 im Ausmaß von 6 Millionen EUR.
Sie könnte weiters durch eine direkte Förderung der
Betriebe für ihre Dienstnehmer erfolgen. Leider gibt es auch bei der
Arbeitsmarktförderung ein Minus von 4,5 Millionen EUR.
Weiters: durch Förderung von Wissenschaft und
Forschung - aber auch hier gab es Kürzungen -, durch Förderung
betriebserweiternder Investitionen oder durch Objektförderung bei Betrieben auf
fremdem Grund und Boden, ähnlich der Mietzinsbeihilfe und ähnlicher Maßnahmen.
Weiters sollte für die Klein- und Mittelbetriebe ein
besonderer Anreiz für die Lehrlingsausbildung geschaffen werden. Für die
wirtschaftliche Zukunft eines Landes ist die Lehrlingsausbildung äußerst
wichtig. Wir benötigen gut ausgebildete und motivierte Schüler für die
Lehrlingsausbildung und danach als Facharbeiter und später eventuell als
zukünftige Unternehmer. Wir benötigen aber auch hoch motivierte Unternehmer zur
Ausbildung der Lehrlinge. Dazu benötigen wir ein entsprechend flexibles
wirtschaftliches Umfeld für die Realisierung einer effizienten Ausbildung und
natürlich die erforderlichen finanziellen Mittel.
Die laufend steigende Zahl von Jugendlichen, die Lehrstellen
suchen, zeigt aber, dass die Voraussetzungen und der Anreiz zur
Lehrlingsausbildung nicht gegeben sind. Eine große Hilfe für Klein- und
Mittelbetriebe wäre, wenn sie neben dem steuerlichen Anreiz des
Lehrlingsfreibetrages auch verstärkt von Landesebene unterstützt würden. Das
müsste für Wien und den Wirtschaftsstandort Wien doch von besonderem
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