«  1  »

 

Gemeinderat, 35. Sitzung vom 24.11.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 55 von 134

 

großen Betrieben bestellen. ICN, Information and Communication Networks - das heißt die Festnetztelefone - verzeichnen europaweit einen Einbruch von 40 Prozent, meine Damen und Herren! 40 Prozent - das geht auch an einem großen Konzern nicht spurlos vorbei. Das geht nicht nur in diese Sparte hinein, sondern sogar in die Programm- und Systementwicklung - bei uns heißt das PD -; auch dort werden Kolleginnen und Kollegen abgebaut, weil eben die Entwicklung von Softwareprogrammen bereits zu teuer ist. Daher versucht man auch, gewisse Teile der Produktion auszulagern, um Mischpreise zu erhalten und so wieder konkurrenzfähig zu sein.

 

Meine Damen und Herren! Weil ich gesagt habe, die Aufträge fehlen, darf ich in diesem Zusammenhang aber auch daran erinnern, dass Österreich nicht gewonnen hat bei der Autobahnmaut - das ist an ein italienisches Unternehmen gegangen; das hätte viel Beschäftigung für Österreich bedeutet. Ich darf weiters daran erinnern, dass ein Funknetz, nämlich das Funknetz "Adonis", zwar vertraglich schon beschlossen worden ist, letztlich aber durch ein stümperhaftes Vorgehen in einem Ministerium nicht zustande gekommen ist. - Also wenn man sagt, die Stadt Wien sei schuld, dann muss man schon auch gewisse Rahmenbedingungen einmal sehr fair und sachlich analysieren. Wenn wir mehr staatliche Aufträge hätten, wenn auch mehr investiert würde, dann würde es auch den Betrieben zu einem gewissen Teil besser gehen.

 

Ich darf nur daran erinnern: Wenn wir zum Beispiel den U-Bahn-Ausbau, die U-Bahn-Erneuerung nicht hätten, dann hätten Konzerne in dieser Stadt weniger Beschäftigung im Bereich der Verkehrstechnik. Wenn wir die Erneuerung der Straßenbahn, den ULF in Wien nicht hätten, dann würde das bedeuten, dass mehr als tausend Menschen in Wien keine Arbeit finden würden. Da, glaube ich, macht die Stadt Wien vorzügliche Arbeit! (GR Dr Helmut GÜNTHER: ... eh eine Vorstandsdirektorin! Genügt das nicht?) Naja, die ist aber dafür nicht zuständig. Aber das hilft nichts, wenn der Bund keine Aufträge gibt.

 

Meine Damen und Herren! Auch wenn es heute von Ihnen anders dargestellt wird: Mit ein Mosaikstein für eine nicht sehr gute Situation – wenn auch nicht allein dafür ausschlaggebend - ist eben der Personalabbau des Bundes. Wir haben ja gehört, 60 Prozent der 15 000 zu streichenden Stellen betreffen eben Wien. Das ist so, und das passt anscheinend in die politische Strategie der ÖVP – und ich sage bewusst: in die politische Strategie der ÖVP. Es hat ja Herr Generalsekretär Lopatka am 12. Februar 2003 im "Kurier" den Kampf ums rote Wien ausgerufen. Ich glaube, wenn die ÖVP der Meinung ist, sie richtet ihre Politik gegen Wien, dann soll sie es machen; die Menschen werden das schon erkennen. Da reiht sich genauso die Art und Weise ein - das passt in dieses Bild -, von der wir heute gehört haben – wir haben es, glaube ich, schon einmal gehört, aber es ist ja in aller Munde -, wie Herr Staatssekretär Morak im Kulturbereich agiert, und auch die Aussagen des Herrn Kukacka zum Bereich der U-Bahn, nämlich betreffend Kürzung der U-Bahn-Mittel, sind ja noch in aller Munde.

 

Meine Damen und Herren! Die Sozialdemokratie in Wien lässt sich nicht entmutigen: Wir setzen Maßnahmen für den Arbeitsmarkt! Obwohl im Bereich des AMS die Agenden beim Bund sind - und diese Kritik muss man schon anbringen: drei Prozent vom Bruttoeinkommen bis zu einer Höchstbemessungsgrundlage zahlt jeder Arbeitnehmer als ASVG-Versicherter oder -Versicherte an Arbeitslosenversicherung, und es wird schon einiges von diesen Mitteln zweckentfremdet, meine Damen und Herren! -, stellen wir in Wien, obwohl wir, wie ich nochmals wiederholen möchte, nicht zuständig sind, 56 Millionen EUR zusätzlich für arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitische Notstandsmaßnahmen zur Verfügung. Der WAFF ist schon erwähnt worden als erfolgreiches, in Österreich einzigartiges Modell, das in Wien, so glaube ich, hervorragende Arbeit leistet. Es wird auch künftig gelingen, zukunftsorientierte Projekte für die Wiener Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu organisieren und abzuwickeln.

 

Die Hilfe für Lehrlinge möchte ich noch erwähnen: Erhöhung von 1 000 auf 2 400, Ausbildung im Insolvenzfall – Beispiel: Grundig -, damit alle Lehrlinge wieder einen Ausbildungsplatz haben. Weiters werden spezielle Wiedereinsteigerinnenprogramme angeboten. Und um das noch einmal zu verdeutlichen – nicht, dass da ein Missverständnis aufkommt -: Neu wird auch ein Pilotprojekt "Regionales Vermittlungsservice" installiert, das als direkte Hilfe für die Wiener Betriebe und für Arbeitsuchende eingerichtet wird, und zwar in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsmarktservice, meine Damen und Herren.

 

Ich darf vielleicht hier aber trotzdem noch zwei Forderungen anbringen. Erstens: Im Bereich der Lehrlingsausbildung herrscht eine sehr angespannte Situation. Die erste Forderung ist daher die Einführung von Lehrlingsstiftungen. Wir wissen, dass der Bund beziehungsweise der zuständige Minister diese abgeschafft hat.

 

Vorteil 1: Beim Anspringen der Konjunktur wird sicher wieder der Ruf nach Fachkräften laut. Das heißt, wir müssten uns die Fachkräfte nicht aus dem Ausland holen oder hereinbitten, sondern wir könnten derzeit bereits ausbilden und hätten sie, wenn wir sie dann brauchen, auch zur Verfügung.

 

Der zweite wichtige Vorteil davon wäre, dass die jungen Menschen wieder Perspektiven hätten und nicht in die Trostlosigkeit und in die Hoffnungslosigkeit gedrängt würden.

 

Eine zweite Forderung scheint mir auch ganz wichtig zu sein, meine Damen und Herren, nämlich dass wir endlich zu einem Ausbildungsfonds - das soll ein Arbeitstitel sein; ich glaube, um die Bezeichnung braucht man sich nicht zu streiten -, wenn es auch regional und auf Branchenbasis ist, kommen. Das heißt, alle Betriebe leisten einen Beitrag, und diese Beiträge kommen jenen Betrieben zugute, die Lehrlinge ausbilden. Das ist mehr als gerecht und mehr als notwendig, denn wir haben schon zu viel Zeit verloren. Ich denke, wenn es in Vorarlberg möglich ist, dass ein Ausbildungsfonds funktioniert, dann müsste das nicht nur in Gesamtösterreich funktionieren, sondern das könnte auch in Wien funktionieren.

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular