Gemeinderat,
35. Sitzung vom 24.11.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 46 von 134
Gesundheit und Krankenanstaltenverbund diskutieren. Dennoch
bleiben diese 40 Millionen EUR heiße Luft.
Noch einmal gesagt: Beide zusammen können nicht
funktionieren. Das heißt, einer ist ganz bewusst jetzt falsch, entweder der
Wirtschaftsplan oder aber das Budget der Stadt Wien! (GR Gerhard Pfeiffer:
Beides!)
Ich denke, Sie werden es jetzt verstanden haben, so
wie ich darauf hoffe, dass der Herr Finanzstadtrat dieses Rätsel tatsächlich
löst. Noch viel schöner wäre es, wenn er hier vorführt, wie aus dem Nichts
40 Millionen EUR zu machen sind. Wir würden uns alle freuen, und ich
denke, der Herr Finanzstadtrat hätte eine große Zukunft als Zauberer vor sich.
Denn für ihn als Finanzstadtrat innerhalb der Stadt Wien wird die Zukunft
wahrscheinlich langsam, aber sicher nicht mehr so rosig aussehen. Wenn es sich
medial herumspricht, dass im Zusammenhang mit dem Krankenanstaltenverbund ein
falsches Budget für 2004 vorgelegt wird, dasselbe schon 2003 passiert ist und
im Rechnungsabschluss 2002 falsch ausgewiesen wird, dann wird langsam, aber
sicher die Reputation, die der Herr Finanzstadtrat hat - und ich sage gleich
dazu, ich schätze ihn durchaus als einen höchst intelligenten Menschen -, nicht
mehr aufrechtzuerhalten sein.
Eine prinzipielle Geschichte zunächst einmal zum
Stabilitätspakt: Es freut mich, dass die Stadt Wien von dem unbedingten
Einhalten des innerösterreichischen Stabilitätspaktes abgegangen ist. Wäre dies
schon etwas früher passiert, könnte die Stadt Wien erheblich besser dastehen,
sowohl im Bereich der Bildung als auch im Bereich der Sozialpolitik und genauso
im Bereich der Gesundheitspolitik. Aber das große Problem an diesem Abgehen
ist, dass es in Wirklichkeit keine bewusste Entscheidung war. Das Abgehen von
den Zielen des innerösterreichischen Stabilitätspakts ist das Abgehen eines
Getriebenen und nicht das Abgehen aufgrund bewusster politischer Überlegungen.
Herr Finanzstadtrat Rieder! Wären Sie nicht von diesem innerösterreichischen Stabilitätspakt
abgegangen, hätten Sie in Wirklichkeit überhaupt kein ordnungsgemäßes Budget
mehr zustande gebracht.
Doch was sind die Ursachen dafür, warum kommt es
überhaupt zu einem innerösterreichischen Stabilitätspakt? - Ich möchte diese
Geschäftsgruppe nutzen, um auch ein bisschen über Wirtschaftspolitik zu
sprechen, über jene Wirtschaftspolitik, welche auf europäischer Ebene, auf
österreichischer Ebene seit gut zwei Jahrzehnten betrieben wird, im Großen und
Ganzen sowohl auf europäischer als auch auf österreichischer Ebene von drei
Parteien, die sich zu einem Zeitpunkt, zu dem einzig und allein die GRÜNEN vor
den Auswüchsen des Neoliberalismus gewarnt haben, auf europäischer Ebene und
auch in Österreich vollkommen einig darin waren, dass in Wirklichkeit mehr
neoliberalistische Elemente in einer Wirtschaftspolitik zu Fortschritt führen
sollten.
Es hat sich mittlerweile herausgestellt, dass
ebendiese Politik dafür verantwortlich ist, dass europaweit ein Anstieg an
Arbeitslosigkeit zu verzeichnen ist, wie dies in Jahrzehnten davor nicht der
Fall gewesen war. Es hat sich herausgestellt, dass dieser Neoliberalismus dafür
verantwortlich ist, dass immer mehr Menschen in Europa in die Armut rutschen
und immer mehr Menschen armutsgefährdet sind. Es hat sich herausgestellt, dass
die Vermögenden dabei immer reicher geworden sind und gleichzeitig
Gesundheits-, Sozial- und Pensionssysteme nicht mehr gesichert sind.
Jetzt spanne ich den Bogen zurück zur Stadt Wien. Ein
Budget der Stadt Wien müsste meines Erachtens, wenn es mit dieser
Bundesregierung ernsthaft in Konkurrenz treten will, auch auf
wirtschaftspolitischer Ebene versuchen, dass sich in diesem Budgetvoranschlag
ein anderes Gesellschaftsmodell widerspiegelt, ein Gesellschaftsmodell, welches
Rücksicht nimmt auf die Menschen, die nicht das Glück haben, zu den Vermögenden
dieser Gesellschaft zu gehören, auf diejenigen, die nicht das Glück haben, vor
Krankheit verschont zu bleiben, die nicht das Glück haben, nicht
pflegebedürftig zu sein. Diese Punkte müssten unseres Erachtens offensiv
dotiert werden, offensiv ausgewiesen werden und offensiv gestärkt werden.
Nichts ist der Fall, ganz im Gegenteil! Man erkennt
auch innerhalb der Sozialdemokratie, dass der Weg der vergangenen 20 Jahre
nicht der geeignete war, um Sozialsysteme abzusichern, und da wird versucht -
kein besseres Beispiel drängt sich auf als der Fonds "Soziales Wien"
-, die neoliberale Wirtschaftspolitik mit neoliberalen Elementen zu überlisten.
Die Sozialdemokratie glaubt noch heute, den Kapitalismus mit kapitalistischen
Ideen austricksen zu können. Es kommt die Ausgliederung in den Fonds
"Soziales Wien", es kommt die Umstellung auf Förderleistungen, auf
Individualförderung. Man überlegt sich dazu, ein Clearing-Stelle mit
einzurichten, damit diejenigen Menschen, die dann über die Individualförderung
verfügen, zu den richtigen Vereinen hingehen, welche die Rahmenverträge
erhalten und als Dienstleister bereitstehen.
Man vergisst aber dabei, dass es in Wirklichkeit der
erste Schritt ist, der dazu führen wird, dass in Wirklichkeit die großen
internationalen, und ich sage jetzt absichtlich nicht Sozial-, sondern fast
schon Finanz-Dienstleister wie European Home Care oder ISS im
Reinigungsbereich, die in Wirklichkeit jetzt schon ante portas warten, in den sozialen
Bereich einbrechen werden, und zwar mit einer wirtschaftspolitischen
Argumentation. Denn das schaue ich mir an, wie lange es aufrechtzuerhalten ist,
dass es großen europäischen, multinationalen Konzerne verwehrt wird, in die
Rahmenvereinbarungen für die Förderrichtlinien aufgenommen zu werden. Dann
beginnt der beinharte Wettbewerb bei den Betroffenen, bei pflegebedürftigen
Personen, bei den Menschen mit Behinderungen. Dann beginnt aufgrund dessen,
dass in Wirklichkeit - und das wissen wir ja - in diesen internationalen
globalen Konzernen oft massiver Lohndruck ausgeübt wird, direkt bei den Kunden
und Kundinnen der Wettbewerb. Es kommt das Angebot: "wir machen es
billiger", es bleibt ja vielleicht von der Individualförderung etwas
übrig.
Das bedeutet, dass der Einstieg in den Fonds
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