Gemeinderat,
35. Sitzung vom 24.11.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 38 von 134
mit Budgetvoranschlägen grundsätzlich gut, sinnvoll und
wichtig für die Demokratie ist. Ich bin aber schon über Teile der
Wortmeldungen, insbesondere der ÖVP und der Freiheitlichen, verwundert, die in
einem unglaublich großen Ausmaß die Realität, unter der dieser
Budgetvoranschlag zu erstellen war, schlicht und ergreifend negieren. Ich
denke, dass die Basis für die kritische Diskussion, die ich sehr gerne führe,
der Budgetvoranschlag sein muss, aber in mindestens gleich großem Ausmaß müssen
auch die Rahmenbedingungen gesehen werden, in denen dieser Budgetvoranschlag
erstellt wird und mit denen sich die Stadt Wien konfrontiert sieht. (GR Dipl Ing Martin Margulies: Schuld
ist die Bundesregierung! Wir wissen es!)
Die Rahmenbedingungen sind im Gegensatz zum Gesicht
des Kollegen Margulies keine lustigen, weil die Rahmenbedingungen sind die
Realität, die auch von den Grünen zur Kenntnis genommen werden muss, wo die
Schuldigkeit nicht damit getan sein kann, zu sagen, wir wissen, der Bund ist
schuld, aber im Übrigen soll die Stadt Wien, eine Insel der Seligen, einfach
all das lösen, was der Bund an Problemen aufgibt. Ich komme sehr wohl und sehr
detailliert noch zum Voranschlag zu sprechen, glaube aber schon, dass es
eingangs wichtig ist, diese Rahmenbedingungen, die die Kollegin Rothauer nicht
mehr hören kann (StRin Dipl Ing Dr
Herlinde Rothauer: Doch! Ich bin hier!), die aber der Wahrheit entsprechen
und daher die Basis für unsere Auseinandersetzung sein müssen, hier darzulegen.
Tatsache ist – da zitiere ich weder irgendwelche
FPÖ-Parteiorgane noch linke Blätter, sondern schlicht und ergreifend sagen das
Wirtschaftsforscherinnen und Wirtschaftsforscher unisono –, dass der
Wirtschaftsaufschwung fraglich ist. Es ist fraglich, ob dieser kommt. Wir
wissen, wenn es keinen Konjunkturaufschwung gibt, dann kommt es auch zu keiner
Entspannung auf dem Arbeitsmarkt.
Wir wissen auch – darauf kommen wir später noch zu
sprechen, insbesondere mein Kollege Strobl –, dass die Investitionen in
Veränderungen der schlechten Situation am Arbeitsmarkt im Bund ausgesprochen
gering sind und – das wurde heute schon gesagt – im Gegensatz dazu das Budget
des AMS Wien in dieser Situation um fünf Prozent gekürzt wird und keine
Erhöhung vorgesehen ist.
Wir wissen auch – das ist ganz zu Beginn gesagt bei
der Rede des Herrn Vizebürgermeister gesagt worden und eigentlich ist bisher
niemand darauf eingegangen –, dass wir 2004 deutlich geringere Einnahmen haben
werden und dass das erst der Anfang von einer noch viel schwierigeren Situation
ist, die heißt, erste Steuerreform 2005, wo wir davon ausgehen, dass weit
über 100 Millionen EUR weniger Ertrag in Wien sein werden und im
Gegensatz dazu der Bund deutlich mehr als 300 Millionen EUR an
Mehreinnahmen durch diese Steuerreform haben wird. (GR Dipl Ing Martin Margulies: Wenn man mit einem falschen
Budgetvoranschlag in die Finanzverhandlungen hineingeht, wird man dabei nichts
erreichen können!)
Dazu kommt – das wird sich erst weisen, aber es würde
mich sehr wundern, wenn es anders wäre und ich werde mich wieder inhaltlich
damit auseinander setzen –, dass der Bund, was heute noch gar nicht dargelegt
worden ist, ständig Aufgaben an die Länder übergibt, ohne diese dann finanziell
abzugelten. Ich nenne nur das, was in der letzten Zeit passiert ist, das Pass-
und Meldewesen, aber es gibt eine Reihe weiterer Vorschläge, wo das nach dem
selben, für die Länder und Gemeinden gefährlichen, Vorbild passieren soll,
zusätzlich Aufgaben zu übernehmen, ohne die entsprechenden finanziellen
Abgeltungen zu bekommen.
Tatsache ist – auch wenn das in diesem Raum nicht
mehr gehört werden will, ich denke mir, wenn man es öfters sagt, wird es
vielleicht doch auch wahrgenommen –, die Stadt Wien ist als Metropole ganz
besonders von diesen Dingen betroffen. Da können Sie, Frau Kollegin Rothauer
noch so oft sagen, dass die Investitionen zu hoch sind. Tatsache ist schlicht
und ergreifend –, das habe ich mir nicht aus den Fingern gezuzelt, sondern das
ist das, was Wirtschaftsforscherinnen und Wirtschaftsforscher sagen –, dass die
Investitionsquote des Bundes mit 1,2 Prozent, gemessen am
Bruttoinlandsprodukt, die Hälfte des europäischen Durchschnitts ist. Das muss
man zur Kenntnis nehmen. Darüber hinaus muss man auch zur Kenntnis nehmen, dass
die Stadt Wien in Wien mehr investiert als der Bund in ganz Österreich.
Tatsache ist, es ist schon gesagt worden, dass der
Stellenabbau des Bundes ganz besonders Wien als Hauptstadt trifft. Ein Drittel
der Arbeitsplätze in Wien löst in Wahrheit Arbeitsmarktprobleme der
Bundesländer, weil ein Drittel der Arbeitsplätze in Wien von Einpendlern
wahrgenommen wird. Ein Viertel der Lehrplätze wird von Jugendlichen
wahrgenommen, die hier ausgebildet werden, aber nicht in Wien leben. Und heute
ist noch gar nicht gefallen, dass es insbesondere im Frauenbereich und im
Kulturbereich eine ganz große Anzahl an Subventionen gibt, die bis zum
Jahr 2000 der Bund wahrgenommen und als seine Aufgabe gesehen hat. Wenn
die Stadt Wien nicht in vielen Bereichen seit dem Jahr 2000 eingesprungen
wäre, gäbe es viele dieser Frauen- und Kulturprojekte einfach nicht mehr.
Das sind Tatsachen, die man als Basis nehmen muss, um
sich mit dem Budgetvoranschlag 2004 auseinander zu setzen. Das heißt, die
Rahmenbedingungen sind 2004 schwierige und die Budgeterstellung ist auch eine
große Herausforderung. Ich möchte nicht hier stehen und sagen, das ist alles
kein Problem und ich kann mir gar kein schöneres Budget vorstellen, denn das
ist nicht so, weil die Rahmenbedingungen gerade für Wien so schwierig sind,
wenn es unser Ziel ist, was es ist, sich auch in dem Budgetvoranschlag
niederschlägt, den sozialen und kulturellen Standard zu halten. Es bedarf ganz
großer Anstrengungen, dass das möglich ist. Ich denke, dass es im
Budgetvoranschlag 2004 sehr wohl gelungen ist, in einer schwierigen
Situation, bei schwierigen Rahmenbedingungen, die richtigen Schwerpunkte zu
setzen! (Beifall bei der SPÖ.)
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