Gemeinderat,
35. Sitzung vom 24.11.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 24 von 134
StR DDr Schock hier noch machen – uns damit intensiver
auseinander setzen, weil das zweifellos eine Fehlentwicklung ist, die,
beginnend bei den ersten Ausgliederungen am Ende des vergangenen Jahrzehnts,
bis heute festzustellen ist.
Im Laska-Ressort verdichtet sich so viel an
Missständen, dass wir der Meinung sind, dass es gerechtfertigt ist, auch den
Rechnungshof für Prüfungen einzuschalten. Außerdem werden wir auch – das möchte
ich gleich ankündigen – eine Sondersitzung des Gemeinderates noch in diesem
Jahr beantragen.
Die Stadt – das hat der Herr Finanzstadtrat an sich
hier durchaus zugestanden, er hat sich nur wieder auf den Bund ausgeredet –
verletzt mit dem Budget 2004 die Pflichten aus dem Stabilitätspakt. Der
entscheidende Unterschied zum Bund ist, dass du, Herr Vizebürgermeister, mit
diesem Budget keine Wachstumsinitiativen und keine Konjunkturbelebung in Wien
setzt, sondern ganz im Gegenteil. Überall wird gekürzt: im Sozialressort, im
Familienbereich et cetera, aber etwa auch – und das ist fast eine Todsünde –
bei den kommunalen Investitionen; die sinken weiter um
33 Millionen EUR. Auch bei der Wohnbauförderung etwa gibt es keine
zusätzlichen Impulse.
Daher ist der Schluss zulässig – und das ist der
große Unterschied auch zur Bundesebene –: Die Gemeinde Wien, die Stadt Wien
betreibt damit schon seit dem Jahr 2000 eine falsche, weil prozyklische
Budgetpolitik, und so schauen eben auch die Auswirkungen etwa am Arbeitsmarkt
oder in der Entwicklung der Wirtschaft in Wien aus, weil es da ja auch
gegenseitige Konnexe gibt.
Wien ist – und das ist bedauerlich, das ist wirklich
bedauerlich – das Schlusslicht aller Bundesländer bei der
Beschäftigtenstatistik und bei der Arbeitslosenquote. Die andere Bundesländer
haben sich erholt und stabilisiert. Leider ist das in Wien nicht der Fall. Das
geht schon so weit, dass das negative Ergebnis für Wien auf Grund der Größe des
Arbeitsmarktes von Wien schon verzerrende Auswirkungen auf den Bundesschnitt
hat. Das Wirtschaftsforschungsinstitut dokumentiert diese Verzerrung durch das
schlechte Wiener Ergebnis in seiner aktuellen Studie folgendermaßen:
"Zuletzt kam es in Österreich zu einer
geringfügigen Beschleunigung der Arbeitslosigkeit. Diese Verschlechterung war
aber in erster Linie auf die Arbeitsmarktentwicklung in Wien zurückzuführen.
Die Beschäftigungslage verbessert sich allgemein gleich, sie lag nur noch in
Wien unter dem Niveau des Vorjahres." – Und da kann man nicht sagen, nur
der Bund ist daran schuld.
Und jetzt kommen alarmierende Eckwerte dazu:
"Vor allem der Rückzug der Industrie aus Wien setzt sich beschleunigt
fort. Der Beschäftigungsabbau der Wiener Industrie hat Ausmaße angenommen, bei
denen man nicht mehr nur von konjunkturellen Rückschlägen sprechen kann."
Und da gibt es
einige sehr bedauernswerte Beispiele: Im heurigen Jahr mussten
Traditionsbetriebe wie Ankerbrot, Grundig Austria und die Porzellanmanufaktur
Augarten die Insolvenz anmelden. Der traditionsreiche Nahrungsmittelkonzern
Inzersdorf hat seinen Produktionsstandort nach Oberösterreich verlegt. Aber
auch andere Leitbetriebe der Wiener Industrie ziehen laufend Arbeitsplätze aus
der Bundeshauptstadt ab. Der Konsumgüterhersteller Unilever hat seinen Standort
Wien zuletzt deutlich restrukturiert. Und die Flaggschiffe der Wiener
Elektronikbranche wie Philips, Siemens, Ericsson und Alcatel haben in den
letzten Jahren Tausende Arbeitsplätze vom Standort Wien abgezogen oder
abgebaut.
Das fällt sogar jemandem auf – und das sollte gerade
für Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ, eigentlich schon
eine warnende Stimme sein –, der Ihnen sonst immer die Mauer macht, immer
verbrämt unter dem Titel "Zusammenarbeit",
"Sozialpartnerschaft". Wenn sogar der Arbeiterkammerpräsident Nettig
Ende Oktober (GRin Mag Sonja Wehsely:
Arbeiterkammerpräsident Nettig?) im "WirtschaftsBlatt" vor dem
Rückzug der Konzerne warnt ... (GR
Josef Wagner: Arbeiterkammerpräsident ist der Nettig?) Nein, nein, das war
sehr bewusst gesagt, denn das ist nämlich so. (GRin Mag Sonja Wehsely: Das war ja ein Fehler!) Da müssten
eigentlich auch bei Ihnen die Alarmsignale irgendwo blinken. Sie müssten sagen,
wenn sogar ein Mann, der normalerweise immer so auf Konsens mit Ihnen aus ist,
sagt, dass da so vieles schief geht, dass da so vieles die Donau runtergeht,
dann, bitte, glauben Sie es endlich. Glauben Sie, dass das nicht nur böse
Oppositionsgerüchte sind, sondern wenn das sogar Nettig schon sagt, dann ist es
leider wirklich wahr. (Beifall bei der
FPÖ. – GR Kurt Wagner: Aber es stimmt nicht, dass der Herr Nettig
Arbeiterkammerpräsident ist! Fragen Sie den Kollegen Römer!)
Wenn auch die "Presse" im letzten Sommer in
einem langen Artikel über zwei Seiten mit der Überschrift "Was läuft da
schief mit dem Wirtschaftsstandort Wien?" zu einem ähnlichen Schluss
kommt, dann, meine sehr geehrten Damen und Herren, sollten bei Ihnen schon auch
Überlegungen Platz greifen, was falsch ist an der Wiener Stadtpolitik.
Neben der Industrie baut aber auch der Wiener Handel
laufend Arbeitsplätze ab. Das Wirtschaftsforschungsinstitut hat errechnet, dass
im Wiener Handel im Zeitraum von 1995 bis 2002 etwa 13 500 Arbeitsplätze
verloren gegangen sind. Für diesen Beschäftigungsverlust des Wiener Handels
sind vor allem die Konkurrenzierung aus dem Umland und die Verlagerung von
Betrieben verantwortlich. Daher spricht wahrscheinlich der Herr Finanzstadtrat
und Vizebürgermeister heute im "Kurier" immer von der Region Wien.
Nur, hier im Kernbereich von Wien, nämlich in der Stadt – ich rede jetzt nicht
von dem Speckgürtel, der sich um die Stadt herum ansiedelt –, schaut es eben
trist aus. Da können wir als Wiener uns nicht damit trösten, dass
Niederösterreich hier sozusagen abstaubt.
Die Bundeshauptstadt hat im dritten Quartal des heurigen
Jahres die österreichische Arbeitslosenstatistik bei der Arbeitslosenrate mit
9,1 Prozent angeführt. Wenn man sich vor Augen hält, dass seit dem
Amtsantritt von Bgm Häupl die Wiener Arbeitsmarktbilanz negativ ist,
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