Gemeinderat,
35. Sitzung vom 24.11.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 18 von 134
eingehen, die eigentlich Wien betreffen. Ich werde mich
daher vor allem mit dem Haushaltsvorschlag, -anschlag 2004, mit seinen
Schwächen und Versäumnissen beschäftigen. (GR
DDr Bernhard Görg: Mit dem Anschlag? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Manchmal ist eine irgendwie aus dem Intuitiven kommende Bezeichnung richtiger
als das, was der formale Begriff ist. (GR
DDr Bernhard Görg: Man sollte diesen Begriff vielleicht weiter verwenden!)
Ich werde mich gerne daran halten, denn ich glaube, das sagt mehr aus als der Begriff
"Haushaltsvoranschlag".
Also ich komme auf den Haushaltsvoranschlag 2004
zurück. Beim Haushaltsvoranschlag handelt es sich immer um die in Zahlen
gegossene Politik, und dazu muss man sagen: Hier wird eine Politik fortgesetzt,
die falsch ist. Mittlerweile ist es so, dass andere Bundesländer uns im Abbau
von Schulden längst überholt haben. Und wo sind die Maßnahmen zur
Konjunkturbelebung? Es wird beispielsweise in den Bereichen Soziales und
Bildung gespart.
Ich nenne hier nur einige Beispiele:
Kinderbetreuungseinrichtungen: minus 5,5 Millionen EUR. Oder:
Sonstige Einrichtungen und Maßnahmen der Sozialhilfe: minus
4,5 Millionen EUR. Auch bei den familienfördernden Maßnahmen gibt es
bedenkliche Einsparungen in der Höhe von 2,7 Millionen EUR. (VBgm Dr Sepp Rieder: Da haben Sie ein Feld
verwechselt!) Oder allgemein bildende Pflichtschulen. Auch hier gibt es
entsprechende Einsparungen.
Wir haben vor wenigen Wochen die Situation mit dem
Warenkorb erlebt, wo einfach willkürlich ein Teil der Schülerinnen und Schüler
dieser Stadt diesen Warenkorb nicht bekommen hätte sollen, und erst nach
massivem Widerstand ist es gelungen, dass hier ein wenig Gerechtigkeit
eingezogen ist. Gleichzeitig erfolgte die Ankündigung, im nächsten Jahr wird es
das für die Privatschulen nicht geben. Das ist ein Anschlag auf die Bildung,
und das ist Teil des Verständnisses der Bildungspolitik dieser Wiener SPÖ. (Beifall
bei der ÖVP.)
Ich werde auch aufzeigen, dass es andere Bundesländer
in ihrer Finanz- und Wirtschaftspolitik, vor allem in ihrer Arbeitsmarktpolitik
besser machen als Wien. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache.
Faktum eins ist: Österreich gehört, was den
Arbeitsmarkt betriff, zu den Besten in Europa. Vergleichen Sie nur etwa die
Situation Österreichs mit der in der rot-grün regierten Bundesrepublik
Deutschland. Österreich hat 2002 die Hälfte der Arbeitslosigkeit gehabt. Und
wie sieht die Situation aus, wenn man den Arbeitsmarkt in Wien und den
Arbeitsmarkt auf Bundesebene vergleicht? Welches Bundesland hat die höchste
Arbeitslosenrate? Das sozialdemokratisch regierte Wien. Sehen Sie sich die
Zahlen im September an: 9,2 Prozent Arbeitslosigkeit in Wien,
6,1 Prozent im Bundesschnitt. (GR Godwin
Schuster: Ihr Vorsitzender hat Bundesbedienstete eingespart!) Und nehmen
Sie einige ÖVP-regierte Bundesländer her: Oberösterreich: 3,8 Prozent,
Salzburg: 5,3 Prozent und selbst die Steiermark, die traditionell –
Mur-Mürz-Furche und Ähnliches – immer wieder Probleme gehabt hat: nur
6,2 Prozent. Oder Niederösterreich: 5,9 Prozent. Das könnte sich Wien
zum Vorbild nehmen.
Und weil Sie jetzt in einem Zwischenruf davon
gesprochen haben, dass es angeblich nur der Abbau im öffentlichen Dienst ist. (GR Godwin Schuster: Ich habe nicht gesagt,
nur öffentlicher Dienst!) Wie schaut es denn aus mit Siemens, Grundig,
Anker-Brot, Varta? Da ist überall Stellenabbau in den letzten Wochen erfolgt. (GR Johann Driemer: Womit hängt das
zusammen?) Das hängt mit den mangelnden Rahmenbedingungen zusammen, die die
Stadt Wien der Wirtschaft und der Industrie gibt. Das ist die Wahrheit. (Beifall
bei der ÖVP. – GR Johann Driemer schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. – GR
Franz Ekkamp: Nehmen Sie doch Vernunft an! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Ich würde Sie eines ersuchen: Ich glaube,
sozialdemokratische Gemeinderäte sollten doch ein höheres Maß an Sensibilität
haben, wenn es das Schicksal der Menschen betrifft, wenn es die
Arbeitslosigkeit betrifft. Schauen wir uns die Situation im längeren Vergleich
an. In Österreich unter dem Bundeskanzler Schüssel gibt es 3,22 Millionen
Beschäftigte. Das ist ein Gesamtrekord. So viele hat es noch nie gegeben. (GR Johann Driemer: Mit Teilzeitarbeit und
atypischen Arbeitsverhältnissen!) Und wie sieht es in Wien aus? Wie hat es
beispielsweise in Wien im Jahr 1994 ausgesehen, als Bgm Zilk gegangen ist und
Bgm Häupl gekommen ist? Damals hat es 788 000 Menschen gegeben, die Arbeit
gehabt haben. Heute sind es 30 000 weniger. Können Sie da noch sagen, dass
das nicht hausgemacht ist? (Beifall bei der ÖVP. – GR Godwin Schuster: Ja!)
Ich kann Ihnen eines sagen: Ich rede erst wenige
Minuten und habe schon ein paar Mal Applaus gehabt. Sie waren sehr sparsam mit
dem Applaus, als der Herr Finanzstadtrat gesprochen hat. (Beifall bei der
ÖVP. – Zwischenruf des GR Franz Ekkamp.)
Meine Damen und Herren! Noch erschreckender aber ist,
wenn man sich die Situation seit Beginn der siebziger Jahre ansieht. Da hat
Wien noch 30 Prozent der Arbeitsplätze von Österreich gehabt. 2002 sind es
nur noch 24 Prozent. Das hängt natürlich auch mit der Wertschöpfung
zusammen, die abnimmt in Wien. Die ist eindeutig zurückgegangen. 1994 – das ist
wieder so eine markante Zahl – waren es 30 Prozent, heute, knapp zehn Jahre
später, sind es nur noch 27 Prozent. – Und Sie wollen behaupten, dass das
nicht hausgemacht wäre?
Die Ostregion hat von der EU-Erweiterung, von unserem
Beitritt und den verschiedensten Maßnahmen, die hingehen zur Osterweiterung,
profitiert. Schauen Sie sich die Bundesländer im Osten an. 20 000 neue
Arbeitsplätze. Das gilt für Niederösterreich, das gilt für das Burgenland. Und
Wien verliert Arbeitsplätze? Wie ist eigentlich Wien vorbereitet auf die neuen
Herausforderungen, die vor uns stehen, wenn wir um uns herum Ziel-1-Gebiete
haben, wenn die Region um Pressburg – ich sage, Gott sei Dank – eine boomende
Region ist? Sind wir dann mit den wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die gesetzt
werden, imstande, hier mitzuhalten, oder laufen wir Gefahr,
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