Gemeinderat,
34. Sitzung vom 04.11.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 17 von 99
Beantragt.
Ich ersuche den Erstredner, Herrn GR Dr Salcher,
diese Aktuelle Stunde zu eröffnen. Seine Redezeit ist mit 10 Minuten
begrenzt. – Bitte schön.
GR Dr Andreas Salcher (ÖVP-Klub der
Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr
Stadtrat! Sehr geehrte Damen und Herren!
Der Rabenhof ist eigentlich die Chronik eines
angekündigten Theatertodes. Chroniken sind normalerweise langweilig, aber wann
immer es bisher in diesem Hause um den Rabenhof gegangen ist, ist es nie
langweilig geworden. Das kann ich Ihnen auch für heute versprechen.
Ganz kurz zur Vorgeschichte: Am Ende der rot-schwarzen
Koalition hat es in der Frage des Rabenhofes Auffassungsunterschiede über
dessen Fortführung gegeben. Es gab dann eine Privatinitiative des
SPÖ-Kultursprechers Ernst Woller und der Bezirksvertretung des
3. Bezirkes, die gegen den deklarierten Willen des damaligen amtsf StR
Marboe und auch gegen den der Beamten der MA 7 dieses Theater einmal mit
Bezirksmitteln gestartet haben.
Es gibt auch einen Kontrollamtsbericht darüber – da
sage ich der Fairness halber dazu, dass es sich um die Vor-Mailath-Pokorny-Ära
handelt –, und wir gehen davon aus, dass dieser Kontrollamtsbericht der
Staatsanwaltschaft übermittelt wird. Wenn nicht, werden wir das tun.
Ich zitiere jetzt das erste Mal wörtlich über diese
Ära, die Vor-Mailath-Pokorny-Ära.
"Auf Grund fehlender rechtlicher und
kaufmännischer Kompetenzen führte diese Konzentration der Aufgaben- und der
Entscheidungsgewalt" – damit ist Herr Welunschek gemeint – "innerhalb
kürzester Zeit in ein kaufmännisches Fiasko. Es wurden kaum Verbindlichkeiten
beglichen, die Belege, sofern welche vorhanden waren, landeten nach Auskunft
das damaligen Obmannes gegenüber dem Kontrollamt in einem Karton und harrten
der Bearbeitung."
Diese Vorwürfe waren dem Herrn StR Mailath-Pokorny
bekannt, trotzdem hat er den Herrn Welunschek im November 2001 bestellt. Unter
welchen Voraussetzungen? Ich zitiere jetzt nicht einen ÖVP-Kultursprecher oder
sonst irgendjemand, sondern einen unabhängigen Zeugen, einen der angesehensten
Schauspieler und Künstler dieses Landes, Helmut Lohner, der in einer
Presseaussendung damals gegen den Herrn StR Mailath-Pokorny wörtlich gesagt
hat:
"Weiters wandte sich Lohner gegen die Aussage
des Kulturstadtrates, dass die Josefstadt von sich aus mit Karl Welunschek
einen Vertrag über den Rabenhof abgeschlossen habe. 'Welunschek als
künstlerischen Leiter des Rabenhofes zu ernennen, war Wunsch des
Kultursprechers der SPÖ-Fraktion, Ernst Woller, im Sommer 2000', meinte
Lohner."
Und weiter: "Allen anderen Interessenten für das
Theater im Rabenhof wurde es von der Stadt Wien unmöglich gemacht, die Leitung
des Theaters zu übernehmen."
Daher wissen wir einmal ganz genau, von wem dieser
Skandal ausgegangen ist. (Beifall bei der ÖVP.)
Die Pressekonferenz, bei der der Herr Stadtrat stolz
den Herrn Welunschek präsentiert hat, sei auch noch einmal kurz in Erinnerung
gerufen. Das ist nicht meine Wertung, sondern der "Standard", eine
unabhängigen Zeitung, auf die Frage, warum Welunschek und nicht ein anderer
Bewerber: "Mailath-Pokorny sagt, ihn hätte das Konzept überzeugt. Wie denn
das ausschaut? Welunschek trocken: 'Ich bin für mich Konzept genug.' Da wurde
Mailath-Pokorny blass und rief: 'Moment, es gibt sehr wohl eines, und ich stehe
zu dieser kulturpolitischen Entscheidung.' (Die Jury hatte sich verweigert.)
Dann stand er auf" – damit ist Mailath-Pokorny gemeint –: 'Ich muss
jetzt eine Ausstellung eröffnen', und ging." (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.)
Der "Kurier" berichtet uns, wie es
weitergeht: "Nach der offiziellen Pressekonferenz lieferten sich erhitzte
Gemüter Streitduelle, die oberflächlich betrachtet einem Kabarett glichen, aber
für die Probleme stehen dürften, die die Stadt und ihre Theatermacher
offensichtlich miteinander hätten."
Jetzt komme ich zu einigen ganz wenigen Auszügen –
denn ich möchte meinen Kollegen auch noch etwas übriglassen – aus dem
Kontrollamtsbericht über die Ära, die Mailath-Pokorny zu verantworten hat.
Erstes Zitat: "Ein ungewöhnlicher Spareffekt
trat am Ende des Jahres 2001 aber doch ein, weil die beiden künstlerisch
Verantwortlichen K. W." – Karl Welunschek – "und Herr H." – das
ist Herr Jochen Herdieckerhoff – "ihre unterschiedlichen künstlerischen
Auffassungen immer öfter mit Verbalinjurien, in weiterer Folge sogar mit
Handgreiflichkeiten austrugen. Nachdem Herr K. W. seinen Chefdramaturgen in
einem Cafe öffentlich geohrfeigt hatte, was in einem später nachfolgenden
Protokoll vom 29. November 2001 von diesem auch bestätigt wurde, wurde
Herr H. im Sommer 2002 und somit sechs Monate vor Vertragsende vom Verein
freigestellt. Bis Jahresende musste der Verein jedoch auf Grund der vertraglich
vereinbarten Kündigungsfrist von sechs Monaten den Chefdramaturgen weiter mit
vollen Bezügen entlohnen."
Interessant ist übrigens, dass nicht der, der die
Watschen ausgeteilt hat, sondern der, der die Watschen bekommen hat, gehen
musste.
Weiteres Zitat: "Am 15. Oktober 2002
stellte der Vereinspräsident, Herr Dr Marhold, auf Initiative von Herrn K. W.
in einer Vorstandssitzung Herrn G." – das ist Herr Gratzer – "als möglichen
zukünftigen Oberspielleiter vor. Herr G. erhielt als Regisseur der Produktion
'Der erste Wiener Theaterarsch' (Arbeitstitel) auf Grund seiner diesbezüglichen
Honorarnote vom 13. Dezember 3 835 EUR zusätzlichen USt."
Ein weiteres Zitat: "Herr Karl Welunschek hat trotz der
Hinweise auf seinen Vertrag immer wieder schriftliche Verträge und auch
Aufträge erteilt. Einer dieser Aufträge war gegenüber einem Kakerlakentrainer
abgeschlossen worden, der nach Ende der Vorstellung 300 EUR vom Inspizienten
des Rabenhofes bar ausbezahlt bekam. Dieser Betrag wurde nach beharrlicher
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