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Landtag, 17. Sitzung vom 29.06.2017, Wörtliches Protokoll  -  Seite 32 von 67

 

Herr Kollege Stürzenbecher, wenn wir hier ein ordentliches, unabhängiges Gericht schaffen, sind wir noch meilenweit von einem Richterstaat, den wir auch nicht wollen, entfernt! Es geht nur darum, dass wir ein Gericht schaffen wollen, nicht im Sinne, was sich der Magistrat wünscht, sondern was sich die Rechtsschutzsuchenden wünschen. Diese stehen nämlich im Mittelpunkt, die Menschen, die von Bescheiden betroffen sind, dass sie eine Rechtsmittelinstanz von einem unabhängigen Gericht haben. Deswegen ist das das Zentrum. Nicht das, was sich der Magistrat als kontrollierende Behörde wünscht, darf im Mittelpunkt stehen! (Beifall bei der FPÖ.)

 

In so einem Rechtsmittelgericht ist es natürlich völlig klar, dass dem Einsatz von Rechtspflegern Grenzen gesetzt sind. Das ist ganz logisch. Wenn Sie sich in der ordentlichen Gerichtsbarkeit das Aufgabengebiet anschauen, geht das nicht. Das ist keine Herabwürdigung der Rechtspfleger! Gott behüte! Dass das aber in einem Rechtsmittelgericht nicht so einfach geht und nicht gehen darf, ist auch klar!

 

Das Gleiche ist, wir brauchen vielleicht einen wissenschaftlichen Dienst, so wie beim Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof des Bundes. Wir brauchen dort auch Referenten, um die Richter zu entlasten, dass ihnen zugearbeitet wird. Das kann man aber auch nicht nur über Verwaltungspraktikanten machen. Ich meine, es ist wichtig, dass es so etwas gibt, dass man hineinschnuppern kann. Aber wenn Sie letztendlich das Gericht unterstützen wollen, dann braucht man die entsprechenden richterlichen Dienstposten, dann braucht man dort auch einen entsprechenden wissenschaftlichen Dienst und natürlich auch Kanzleitätigkeit. Ich meine, dass die Geschäftsstelle nicht besetzt ist, ist an sich unglaublich! Das muss man schon sagen! Das ist ein Hilfeschrei an uns als Gesetzgeber. Ich glaube, diesen Hilfeschrei sollen wir aufgreifen und entsprechende Rahmenbedingungen schaffen.

 

Ganz kurz noch zu einem inhaltlichen Thema, weil es immer heißt, wie toll die Verwaltung funktioniert. In einem ganz sensiblen hoheitlichen Bereich, nämlich bei den Staatsbürgerschaftsangelegenheiten, die eben auch beim Herrn Berichterstatter, also in seiner Geschäftsgruppe, angesiedelt sind, stellt das Verwaltungsgericht fest, dass 67 Prozent der einlangenden Beschwerden Säumnisbeschwerden sind. In so einer sensiblen Materie entscheiden die zuständigen Organe schlichtweg nicht! Nach Einlangen der Säumnisbeschwerde gibt es dann eine statuierte dreimonatige Frist zur Nachholung des Bescheides, die regelmäßig nicht genutzt wird. Also das hat sozusagen System! Sie entscheiden nicht, dann bekommt man noch drei Monate Respirofrist und da wird grundsätzlich nichts gemacht! Ich meine, das ist ein politischer Skandal! Das ist eigentlich fast ein bisschen wie Amtsmissbrauch. Man entscheidet einfach nicht, und zwar nicht in Einzelfällen, sondern strukturell. Man lässt es einfach liegen. Wozu führt das Ganze dann? In Säumnisbeschwerdeverfahren, die von der Bundesverfassung als Ausnahmefall konzipiert sind, ist das Verwaltungsgericht angehalten, ein aufwändiges Ermittlungsverfahren zu führen, womit die Ressourcenbelastung von der Verwaltung, vom Magistrat, auf das Verwaltungsgericht übertragen wird und es - Menschenrechtsstadt Wien - aus Rechtsschutzerwägungen höchst problematisch ist, dass den Rechtsschutzsuchenden auf diese Weise eine Rechtsschutzinstanz genommen wird! Das ist doch unglaublich - Menschenrechtsstadt Wien -, in einer sensiblen Materie wie dem Staatsbürgerschaftswesen sich so etwas vom eigenen Verwaltungsgericht sagen lassen zu müssen und dann zu sagen, wir machen irgendeinen Arbeitskreis, wir werden darüber nachdenken und wir werden ein gutes Modell verbessern! Das ist skandalös! Das heißt nicht, dass die Mitarbeiter der MA 35 schlecht arbeiten. Sie sind offenkundig total unterbesetzt, und das in einer Stadt, wo hunderte hochqualifizierte Beamtinnen und Beamte in Frühpension geschickt werden, weil man angeblich die Leute nicht braucht! Das passt doch hinten und vorne nicht zusammen! (Beifall bei der FPÖ.)

 

Folglich ist die Verwaltung aufgerufen, die notwendigen Strukturen in den zuständigen Dienststellen zu schaffen, dass zum einen Anträge innerhalb der gesetzlichen Entscheidungsfrist erledigt werden, damit es nicht zu einem derart hohen Ausmaß an Säumnisbeschwerden kommt und dass zum anderen zumindest die dreimonatige Frist zur Nachholung des Bescheides genutzt wird und sohin der Arbeitsverlagerung auf das Verwaltungsgericht Wien ehestmöglich Einhalt geboten wird. Sie betreiben eine echt organisierte Arbeitsverlagerung auf ein unterbesetztes und ausgehungertes Verwaltungsgericht. Das steht da in einer Deutlichkeit, die man nicht so einfach wegwischen kann! Das ist wirklich arg! Ich finde es toll, und das ist richterliche Unabhängigkeit, dass man sich traut, so etwas zu sagen. Ich hoffe nicht, dass jetzt jemand ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen werden muss oder so. Aber es ist wirklich toll, dass das gesagt wird! Wir werden aufgerufen, das zu beheben, und zwar möglichst rasch! (Beifall bei der FPÖ.)

 

Es geht dann weiter. Bei den Amtssachverständigen ist genau dasselbe. Gegen die Heranziehung von Amtssachverständigen durch das Verwaltungsgericht, im Besonderen auch von Bediensteten der Behörde, spricht grundsätzlich nichts. Sie stehen aber dann nicht zur Verfügung. Dann sagt das Verwaltungsgericht: „Ferner wurde in der erwähnten höchstgerichtlichen Entscheidung festgehalten, dass eine Überlastung des Verwaltungsgerichts sowie eine mangelnde Zurverfügungstellung von Amtssachverständigen keine Gründe für eine Zurückverweisung sein können.“ Da hat man offenkundig argumentiert, wir können nicht, wir haben zu wenig Personal, wir kriegen keine Sachverständigen, wir haben kein Geld für nichtamtliche Sachverständige, wir müssen es zurückverweisen. Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof gesagt, das geht nicht, weil das wäre Rechtsschutzverweigerung.

 

Im Ergebnis offenbart sich bei der vorherrschenden Praxis ein Mal mehr, dass das Verwaltungsgericht Wien einerseits höchsten Ansprüchen an effizientem und qualitätsvollem Rechtsschutz von Seiten der Höchstgerichte ausgesetzt ist. Ich meine, es ist auch eine Selbstver

 

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