Landtag,
31. Sitzung vom 29.06.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 31 von 93
Abg Dr Kurt Stürzenbecher (Sozialdemokratische
Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats): Sehr geehrter Herr
Präsident! Sehr geehrte Frau Berichterstatterin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Natürlich ist es grundsätzlich eine unerfreuliche
Tatsache, dass wir uns mit einer Causa wie dieser Causa Gudenus, mit so
unerträglichen Äußerungen, wie sie dieser Herr getätigt hat, hier im Landtag
beschäftigen müssen. Dass wir uns im Jahr 2005 noch immer mit so etwas
beschäftigen müssen, dass überhaupt solche Äußerungen noch möglich sind, hätte
man sich ja vielleicht früher nicht mehr gedacht. Aber, leider, es gibt diese
Äußerungen, es gibt diese Causa, und für meine Fraktion ist es
selbstverständlich, dass dem Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen auf
Zustimmung zur Strafverfolgung des Herrn Gudenus wegen Verdachtes des
Verbrechens nach § 3 Verbotsgesetz vom Wiener Landtag zugestimmt wird und
dass ebenso dem Ersuchen des Bundesministeriums für Landesverteidigung auf
disziplinäre Verfolgung zugestimmt wird.
Es ist auch erfreulich, dass es vermutlich einstimmig
erfolgen wird. Das ist aber sozusagen die untere Grenze dessen, was man als
erfreulich bezeichnen kann. Einige Äußerungen von Vorrednern – ich werde
vielleicht noch kurz darauf eingehen – waren schon wieder weniger erfreulich.
Wichtig und für den Landtag doch eine gewisse
Ehrenrettung war auch, dass wir schon frühzeitig, schon am 29. April
dieses Jahres nach den ersten neueren Äußerungen des Herrn Gudenus, einen
einstimmigen Beschluss gefasst haben, den ich noch einmal kurz auszugsweise
zitieren darf, weil es mir schon wichtig ist, was damals von uns allen
festgestellt worden ist:
„Die beharrliche öffentliche Leugnung beziehungsweise
Infragestellung von Gaskammern ist Ausdruck einer unglaublichen Verachtung von
Millionen von Opfern, die in den Konzentrationslagern des Nazi-Regimes
systematisch ermordet wurden. Wer diese entsetzlichsten Verbrechen der
Menschheit wiederholt leugnet oder verniedlicht, ist nicht geeignet, die
Aufgaben eines hohen Amtes für die Republik Österreich wahrzunehmen. Als Konsequenz
bloß die FPÖ-Mitgliedschaft zurückzulegen, ist in keiner Weise
ausreichend."
Das haben wir damals beschlossen und Herrn Gudenus
zum Rücktritt von seinem Bundesratsmandat aufgefordert. Er ist dieser Aufforderung
nicht nachgekommen. Er ist ihr nicht nur nicht nachgekommen, sondern hat sich
zu noch schlimmeren, noch ärgeren Äußerungen hinreißen lassen oder sich
hineingesteigert oder sie bewusst getätigt. Aber jedenfalls hat er sie
getätigt. Das ist ganz schlimm, und wir weisen diese Äußerungen natürlich auf
das Entschiedenste, auf das Schärfste zurück. Das ist absolut unwürdig, dass
das von einem Bundesrat gesagt wird. (Beifall bei der SPÖ.)
Es ist natürlich absolut unwürdig für jeden Menschen,
dass irgendjemand das sagt. Die Staatsanwaltschaft hat ja beim ersten Interview
die Anzeige noch zurückgelegt. Darüber kann man juristisch verschiedener
Meinung sein. Rechtsanwalt Dr Noll, ein durchaus guter Kenner der Materie und
auch politisch sicher ein grundsätzlicher Antifaschist, hat im
"Falter" argumentiert, dass man bei der ersten Äußerung gerade noch
nicht ein Verfahren einleiten musste. Also das ist ein vertretbarer Standpunkt,
ich bin aber sehr froh, dass bei den nächsten Äußerungen die Staatsanwaltschaft
dann endlich dieses Verfahren eingeleitet hat. Wie auch Kollege Ellensohn schon
ausgeführt hat, werden die unabhängigen Gerichte entscheiden, ob der Tatbestand
im Endeffekt objektiv und subjektiv erfüllt ist, aber dass wir die Äußerungen
des Herrn Gudenus auf das Schärfste verurteilen, ist sowieso klar. Wir sind es
den Millionen Opfern des Nationalsozialismus schuldig. Zudem ist einfach der
Ungeist, den Herr Gudenus verkörpert, absolut unerträglich und von niemandem zu
dulden.
Es ist aber doch eine Frage: Wer trägt die
Verantwortung dafür, dass Herr Gudenus überhaupt in so hohe Positionen in
unserer Republik kommen konnte? Das muss man an einem Tag wie heute auch als
Frage stellen können. Und da muss man schon sagen, wenn man sich die
Geschichte, den Lebenslauf des Herrn Gudenus in den letzten 15 Jahren
anschaut, dass er 1990 von der FPÖ für den Bundesrat nominiert und dahin
entsandt wurde, 1992 für die FPÖ in den Nationalrat gekommen ist und im
Oktober 1995 als Abgeordneter zum Nationalrat gesagt hat: „Gaskammern? Ich
halte mich da raus! Ich glaube alles, was dogmatisch vorgeschrieben ist."
Das hat er 1995 gesagt.
Dann ist er aus dem Nationalrat hinausgeflogen – das
war durchaus auch korrekt –, aber nicht in die Versenkung, nicht zurück
irgendwo nach Niederösterreich zu seinem, ich glaube, Forst- oder Landgut,
sondern die FPÖ-Wien hat ihn im Oktober 1996, also ein knappes Jahr nach
diesen Äußerungen, wieder für den Bundesrat nominiert. Und das ist eine
Schande! (Beifall bei der SPÖ.) Auch 2001 wurde er wieder nominiert und
ist wieder in den Bundesrat gekommen.
Insofern stimmt es nicht, wenn Kollege Strache vor
kurzem gesagt hat: „John Gudenus ist nicht mehr Mitglied der FPÖ und dadurch
ist die Sache für mich erledigt. Das sieht beim Herrn Kampl und dem BZÖ schon
ganz anders aus" – Zitat Strache. Also es ist gut, dass er jetzt nicht
mehr der FPÖ-Wien angehört, aber die Verantwortung dafür, dass er fast
15 Jahre für die FPÖ im höchsten Haus dieser Republik Mitglied war, die
bleibt natürlich.
Diese heutige Diskussion ist auch nicht vollkommen zu
trennen von einer grundsätzlichen politischen Debatte. Wir sind hier nicht im
Elfenbeinturm und nicht im luftleeren Raum. Nur in dieser Hinsicht kann ich dem
Kollegen Barnet zustimmen.
Und insofern muss ich auch zum
Kollegen Prochaska noch kurz eine Anmerkung machen. Er hat StR Ellensohn darauf
hingewiesen, dass die Opfer der NS-Militärjustiz und Deserteure jetzt im
Nationalrat ohnehin schon rechtlich korrekt behandelt worden seien. Das ist nur
halbrichtig. Richtig ist, dass im Justizausschuss eine Vorlage beschlossen
worden ist und vermutlich auch im Nationalrat beschlossen werden wird (Zwischenruf
von
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