Landtag,
31. Sitzung vom 29.06.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 25 von 93
Aber damit ist es natürlich nicht getan. Wir könnten
der Versuchung unterliegen, weil wir heute mit allen hundert Stimmen - allen,
die anwesend sind - diese Auslieferung an die Staatsanwaltschaft, an das
Landesgericht beschließen, dem Irrtum unterliegen, dass wir in all diesen
Fragen tatsächlich einer Meinung sind. Ich bezweifle das. Es ist ja nicht so,
dass es einen Gudenus gibt und einen Kampl, sondern wir müssen
uns leider seit Jahrzehnten immer wieder mit Aussagen herumschlagen von hohen
Politikern - und weniger Politikerinnen -, die sich immer wieder mit diesem
Thema beschäftigen.
Die Frage, ob man nach 60 Jahren nicht endlich
aufhören soll, darüber zu reden, lässt sich ganz einfach beantworten: Nein, man
kann eben nicht damit aufhören! Wie soll man auch in einem Land aufhören,
darüber zu reden, was vor 60, 70 Jahren geschehen ist? Und vor allem, wie
stellen sich die Leute diese Frage dann, stellen sie so vorwurfsvoll: Ihr redet
über Sachen, die vor 60 Jahren passiert sind? Wie stellen sich die Leute
eine geschichtliche Betrachtung vor? Der Israelische Botschafter in Wien, Dan
Ashbel, hat gemeint: Worüber wollt ihr dann reden?
Über Kaiser Franz Joseph, über Maria Theresia und
über Mozart wird schon gesprochen - was alles wesentlich länger zurückliegt -,
aber über die eigene Geschichte möchte man am liebsten den Mantel des
Schweigens breiten. Das möchten die Herren Gudenus und Kampl nicht, weil sie eh
darüber reden. Diesen Fehler, zu glauben, es wäre besser, wenn man nicht
darüber redet und wenig darüber redet, begehen leider andere.
Heuer ist das Gedankenjahr 2005 mit sehr vielen
runden Jubiläen, und im Zuge dieser vielen Jubiläen war auch ich bei
Veranstaltungen, zu denen ich den geschichtlichen Hintergrund und das
Detailwissen nicht überall parat hatte. Letzte Woche war eine Veranstaltung im
1. Bezirk über die jüdisch-ungarischen Zwangsarbeiter, die auf
Todesmärschen durch Österreich unterwegs waren; nur wenige haben diese Todesmärsche
und die Folgen, vor allem die Inhaftierung danach, überlebt. Ich halte solche
Projekte für wichtig, aber interessant war dort, dass der Künstler, der dieses
Projekt ausgestellt hat, selber gesagt hat, er hat nichts von diesen
Todesmärschen gewusst, er hat das vor allem nie gelernt. Er war einmal in
Israel auf Besuch, und dort ist er darauf gestoßen. Es waren bei dieser
Veranstaltung über 50 Kinder von mehreren Schulen in Wien anwesend, die
hatten das alle gehört mit ihren 14, 15, 16 Jahren, die wissen das in dem
Alter.
Viele von uns haben einen Geschichtsunterricht
genossen, der diese Zeit ausgeklammert hat. Ich gehöre, obwohl ich Jahrgang
1963 bin, immer noch einer Generation an, die im Gymnasium nichts darüber
gelernt hat. Das war Römisches Reich in der Unterstufe, es hat genau dort
aufgehört, und das war es dann. Da hat man überhaupt nichts gelernt, was
irgendetwas mit dem vergangenen Jahrhundert zu tun hatte. Das hat sich
wesentlich gebessert.
Das hat sich wesentlich gebessert, aber wenn ich mir
anschaue, wie oft in der Politik der Macht wegen Koalitionen gesucht werden mit
Leuten, die wir vorher aufgezählt haben und denen dann die Ausrutscher
passieren - die aber vorher auch schon drinnen sind, und wir wissen das alle,
diese Herren sind ja bekannt, Gudenus ist zumindest schon seit 1995 ein
Beginner mit seiner Serie, die Sonnwendfeiern in Österreich sind alle Legende,
die Reden bei Krumpendorf und so weiter und so fort -, wenn man sich wegen der
Macht mit solchen Leuten gemeinsam ins Bett legt, darf man sich nicht wundern,
wenn immer wieder solche Ausrutscher auch publik werden. Es wäre dringend
notwendig gewesen, es wäre dringend notwendig ab jetzt, das sehr viel
konsequenter zu Ende zu denken.
Wir haben gestern einen Antrag für ein Denkmal für Deserteure
der Wehrmacht eingebracht. Jetzt weiß ich haargenau, dass das eigentlich viele
im Haus ganz gut finden. Schlussendlich haben leider nur die GRÜNEN dem Antrag
zugestimmt. Das ist in Wirklichkeit eine Kleinigkeit, aber es sagt schon aus,
dass man immer wieder Schwierigkeiten hat. Warum hat man dem nicht zugestimmt?
Das ist ja auch nicht begründet worden.
Es ist eine Angst vor einer Stimmung draußen, sodass
man glaubt, es schadet: Es schadet dem eigenen Wahlergebnis, das kann man sich
nicht leisten, man verletzt damit Leute, man darf das nicht so offensiv
spielen. Genau das ist wieder ein Fehler! Da draußen sind nicht
50 Prozent, die glauben, dass Gudenus Recht hat; es sind nicht einmal
25 Prozent. Wenn man mit den Leuten intensiv redet, kann man sie mit
Leichtigkeit davon überzeugen, dass diese Verbrechen nicht nur nicht wieder
passieren sollten. In meiner Verwandtschaft gibt es auch Leute, die nicht alle
Grün wählen, sondern das komplette Spektrum der anwesenden Parteien, glaube ich
sogar. Aber es gibt keinen Einzigen in meiner Verwandtschaft, der FPÖ wählt und
den Holocaust leugnet oder verharmlost, das gibt es nicht.
Ich behaupte daher, es sind draußen nicht einmal
10 Prozent. Dass man sich vor diesen 10 Prozent so zusammenreißt,
dass man immer wieder versucht, okay, jetzt machen wir hier gemeinsame Sache,
wir liefern den Gudenus aus, da sind wir uns alle einig, und damit sind wir
alle brave Antifaschisten und Antifaschistinnen!, das ist zu wenig. Man kann
nicht Koalitionen mit Leuten machen, die in dem Bereich immer wieder auffällig
sind, immer wieder auffällig waren. Ich sage es deutlich: Ich verstehe eine
Koalition der Sozialdemokratie in Kärnten überhaupt nicht. Ich weiß auch, dass
nicht alle 52 in dem Haus das gut finden; vielleicht gar keiner, das wäre meine
Lieblingsvorstellung.
Aber es ist die Macht in der
Politik nicht das Einzige, weil alle von uns auch Inhalte an die Menschen
bringen wollen. Gerade in dem Bereich nehme ich es vor allem sehr vielen Leuten
der fortschrittlichen Reichshälfte, Republikhälfte, und vielen aufgeklärten
Bürgerlichen ab, dass sie damit nichts zu tun haben wollen. Es sind auch sehr
viele Leute, der Verteidigungsminister hat sich in der Frage klar
ausgesprochen, deswegen gibt es ja unter anderem auch den nächsten
Tagesordnungspunkt mit der Auslieferung ans Bundesheer, das offensichtlich ein
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