Landtag,
4. Sitzung vom 22.11.2001, Wörtliches Protokoll - Seite 30 von 60
Wie die Frau Stadträtin soeben gesagt hat, soll man die
Hoffnung nie aufgeben - selbst dann nicht, wenn es sich um die MA 12, also
das Sozialamt, handelt. Ich habe lange überlegt, welchen ersten Satz ich zum
Thema Sozialamt sagen darf, und habe mich nach reiflicher Überlegung dafür
entschieden, zu sagen, dass der Vollzug des Sozialamts ein Skandal ist, weil er
menschenunwürdig ist.
Ich stehe dazu! Ich weiß, dass man das Wort
"Skandal" nur in geringer Dosis verwenden soll. Denn wenn es einmal
inflationär verwendet wird, dann ist schon klar: Wenn alles ein Skandal ist,
dann ist nichts mehr ein Skandal. Die ganze Geschichte läuft ja unter dem Motto
ab: Es lebe die Bürokratie - aber nicht die einfache Bürokratie, die der Mensch
vielleicht noch durchschaut, um zu wissen, wo seine Rechte sind und worauf er
Anspruch hat -, es lebe in diesem Fall die Vernebelungsbürokratie!
Damit sind wir GRÜNE so etwas von absolut nicht
einverstanden, dass wir dringendst eine Reform einfordern! Ich weiß, es wird
eine Reform geben. Ich bin auch nicht die Frau Gescheit, die behauptet: Ich bin
die Erste und Einzige in dem Haus, die draufgekommen ist, dass es ein Skandal
ist, was dort stattfindet. Ich weiß, dass auch viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
dies sehen und selbst dringend eine Reform verlangen.
Ich möchte Ihnen, bevor ich ein bisschen näher auf
diesen wundervollen, wunderbaren und merkwürdigen Vollzug des Sozialamts eingehe,
auch sagen, was wir wollen. Denn die Dinge, die wir wollen, sind ganz einfach.
Wir wollen, dass die Menschen dort anständig behandelt werden - banal und ganz
einfach, man braucht es nur zu machen! Wir wollen, dass die Menschen dort
informiert werden - no na, ganz banal, ganz einfach: Informieren wir sie doch
einfach! Wir wollen, dass die Menschen dort beraten werden. Ist das so
schwierig? Ist das eine derartige Schwierigkeit fürs Sozialamt, die Menschen
darüber zu beraten, welche Rechte sie haben?
Wir wollen, dass die Menschen dort nicht
mindestversorgt werden, sondern wir wollen, dass dort aktive Hilfe zur
Selbsthilfe geleistet wird, damit die Menschen irgendwie und irgendwann auch
wieder aus diesem Sumpf herausfinden können. Wir wollen und verlangen - wir
wollen es nicht nur, das klingt zu lässig, sondern wir verlangen es dezidiert -
Menschlichkeit im Vollzug des Sozialamts!
Ich weiß, dass die Zahl der Beschwerden über das
Sozialamt steigt. Auch das muss man zur Kenntnis nehmen, seine Schlüsse daraus
ziehen und Reformen setzen. Wir hatten das Sparpaket Nummer 1. Wenn Sie
ein Stückchen zurückdenken: das war jenes, das rot-schwarz war. Dann haben wir
ein Sparpaket Nummer 2 gehabt, das ebenfalls wieder rot-schwarz war. Jedes
Mal ist die Zahl derjenigen, die aufs Sozialamt pilgern mussten, gestiegen, und
zwar deutlich gestiegen.
Jetzt haben wir nach diesen zwei Sparpaketen eine Nulldefizit-Politik
einer neuen Regierung, die erneut dafür sorgt, dass die Zahl der Arbeitslosen
steigt, und dadurch in der Folge auch die Zahl der Menschen, die darauf
angewiesen sind, aufs Sozialamt zu gehen. Gern geht dort niemand hin und die
meisten Menschen - nein, ich sage nicht "die meisten", sondern ich
sage: viele Menschen ersparen sich den Gang zum Sozialamt und ersparen es sich,
auf ihre Rechte zu bestehen, weil sie wissen, wie sie dort behandelt werden,
sodass sie lieber in der Familie schauen, dass das Geld sonst irgendwie
aufgetrieben wird.
Ich möchte Ihnen auch ein bisschen die Beamtengrätsche
beschreiben, die dort gemacht werden muss. Man kann nämlich auch nicht sagen,
dass die Beamten, die dort vollziehen, die Bösen sind. Vielmehr sind sie ja
gezwungen - durch uns gezwungen, durch unser Budget und durch das Gesetz, das
ein schlechtes ist, gezwungen -, eine phantastische Grätsche zu vollführen, die
ihresgleichen sucht.
Auf der einen Seite gibt es die Klienten und
Klientinnen, die berechtigte Ansprüche haben. Das sind ja Rechtsansprüche und
keine Gnadenakte. Es gibt also Rechtsansprüche von Klientinnen und Klienten
einerseits und auf der anderen Seite gibt es einen Budgetrahmen und
selbstverständlich die Weisung von oben, dass dieser Budgetrahmen einzuhalten
ist. Wie das funktionieren soll, weiß ohnehin niemand, wahrscheinlich auch
niemand in diesem Raum! Denn diese Rechtsansprüche können sich mit dem Budget,
das wir beschließen und in den letzten Tagen wieder beschlossen haben,
tatsächlich nicht ausgehen. Wie wird nun dieser Widerspruch von den Beamtinnen
und Beamten am Sozialamt gelöst?
Jetzt kommen meine Kritikpunkte. Meine Damen und
Herren von der SPÖ, bitte hören Sie mir kurz zu; ich denke, Sie sind ja keine
KlientInnen am Sozialamt. Was ich Ihnen jetzt berichte, ist nicht etwas, was
Jerusalem irgendwo und irgendwann erfunden hätte - wie immer wieder behauptet
wird -, sondern das sind Erfahrungsberichte.
Wir haben innerhalb der GRÜNEN eine Frau, die allen
Sozialämtern in Wien mittlerweile gut bekannt. Wir haben eine Frau, die viele
Menschen - nicht aus Jux und Tollerei - aufs Sozialamt begleitet; Sie kennen
sie mittlerweile wahrscheinlich. (Abg
Martina Malyar: Ja! - Abg Mag Sonja Wehsely: Wir haben auch welche!) Ja,
gut! Offensichtlich haben das viele Klubs, viele Politikerinnen und Politiker
mittlerweile beschlossen: Da man am Sozialamt ja nicht zu seinem Recht kommt -
auch nicht zu Hilfe, nicht zu Beratung und nicht zu Information kommt - und
dort eine Politik der Abschreckung und Demütigung gemacht wird, ist es am
besten, jemand, der das entsprechende Auftreten hat, nimmt denjenigen an der
Hand, geht mit ihm dorthin und schaut, dass dieser Mensch zu seinen Rechten
kommt.
An dieser Hand von uns sind ganz besonders viele Menschen
mit nichtdeutscher Muttersprache und nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft.
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