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Landtag, 2. Sitzung vom 28.06.2001, Wörtliches Protokoll  -  Seite 57 von 74

 

Sehr geehrter Herr Kinderanwalt, ich frage Sie: Wie stehen Sie zum Jugendschutz? Ich frage Sie: Wie stehen Sie zur freien, unbeeinflussten Meinungsbildung durch Jugendliche? - Denn ich werfe Ihnen nicht mehr und nicht weniger vor, als dass Sie hiermit nicht die Interessen der Kinder und Jugendlichen wahrgenommen haben und dass Sie in einer manipulativen und suggestiven Art und Weise eine Volksbefragung abgehalten haben. Ich werde Ihnen das an Hand Ihres eigenen Stimmzettels belegen können.

 

Es geht bei dieser Volksbefragung um die Ausgehzeiten für Kinder und Jugendliche und es geht darum, dass diese Ausgangszeiten geändert werden sollen. Suggestiv handeln Sie mit dieser Jugendvolksbefragung und manipulativ, weil Sie in Ihrer Fragestellung Nummer 1, ob es nämlich zu einer Beibehaltung der derzeitigen gesetzlichen Regelung kommen soll oder nicht, unrichtige beziehungsweise unvollständige Tatsachen angeben. Sie fragen, ob es dabei bleiben soll, dass Kinder um 21.00 Uhr zu Hause sein müssen und dass Jugendliche um 24.00 Uhr zu Hause sein müssen. Was Sie nicht anführen, ist, dass es bei Vorliegen von rechtfertigenden Gründen, was sehr oft der Fall sein wird, natürlich möglich ist, diese bestehenden Ausgangszeiten von 21.00 Uhr und 24.00 Uhr zu überschreiten. Ein solch rechtfertigender Grund liegt immer dann vor, wenn der Aufenthalt im Zusammenhang mit Anlässen steht, die den Jugendlichen nicht verboten sind, wie zum Beispiel erlaubte Veranstaltungsbesuche, Lehrkurse, Reisen oder Verwandtenbesuche. Das konnten die befragten Kinder und Jugendlichen auf Grund der von Ihnen verfassten Fragestellung nicht wissen. Sie haben über die derzeitige Gesetzeslage unrichtig informiert.

 

Nun komme ich zur Frage 2 und zum eigentlichen ganz großen Sündenfall. Sie fragen tatsächlich, ob sie es für sinnvoll erachten, für einen Vorschlag von so genannten Experten zu sein, wonach junge Menschen bis 12 Jahre bis 22.00 Uhr ausgehen können, junge Menschen von 12 bis 16 Jahren bis 1.00 Uhr und junge Menschen ab 16 Jahre ohne Begrenzung. Damit erwecken Sie ganz klar den Anschein, dass es sich um Experten handelt, die für einen solchen Vorschlag eintreten und ich kann keinen anderen Schluss ziehen, als dass Sie sich mit diesem Vorschlag verwirklichen wollen, weil Sie stark für diesen Vorschlag eintreten. Gezeichnet ist auch die Aktion als "Jugendanwaltschaft Wien" und da sich diese immer sehr gerne als Experten bezeichnet, ist nichts anderes anzunehmen und diese Erklärung nicht anders aufzufassen, als dass dieser Vorschlag von der Jugendanwaltschaft stammt.

 

Sehr geehrter Herr Kinder- und Jugendanwalt! Ich frage Sie: Glauben Sie wirklich, dass ein Anwalt so die Interessen seiner Klientel wahrnimmt? Junge Menschen bis 12 Jahre sollen ein Ausgangsrecht bis 22 Uhr haben und die ab 12 Jahre bis 1 Uhr? - Sie müssen sich das einmal vorstellen! 12-jährige Kinder ohne Begleitung von Erwachsenen sollen bis 1 Uhr morgens in Diskotheken, in Lokalitäten, im Hof, auf der Straßen sich bewegen dürfen, ohne irgendeinen rechtfertigenden Anlass!

 

Herr Jugendanwalt! Damit haben Sie dem Jugendschutz einen Bärendienst erwiesen. Das ist ganz offensichtlich. Und die Empörung war selbstverständlich groß nach dieser Ihrer Aktion. Eine Fülle von Wortmeldungen hat es dazu gegeben: Die Kinder werden der Drogengefahr ausgesetzt, der Alkoholgefahr ausgesetzt. Vieles andere mehr. Die Elternvereine haben sich umgangen gefühlt, ausgebootet gefühlt. Ich darf stellvertretend für die ganz große Anzahl von Kritikern nur einen ganz großen Kritiker nennen, und zwar ist es Max Friedrich, der Vorstand des Instituts für Neuropsychiatrie des Kindes- und Jugendalters der Universität Wien. Nämlich niemand anderer als Univ Prof Max Friedrich sagt, das ist blanker Unsinn. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen! (Beifall bei der ÖVP und bei der FPÖ.) 

 

Was das wirklich Schlimme ist, wenn ich den Jugendbericht in seiner Gesamtheit Revue passieren lasse, ist, dass diese Aktion Ausfluss eines ideologischen Denkmusters ist, in dem die Eltern kaum mehr eine Rolle spielen. Ich lese in diesem Jugendbericht, wo es so sehr um die Rechte von Kindern und Jugendlichen geht, das Wort "Eltern" so gut wie nie. (Aufregung bei der SPÖ.) Und wenn Sie von Rechten von Kindern sprechen, so vergessen Sie doch bitte um Gottes willen nicht, gegenüber wen diese Rechte in allererster Linie bestehen. Natürlich gegenüber den eigenen Eltern in erster Linie! Denn den Rechten der Kinder entsprechen, korrelieren Pflichten der Eltern auf der anderen Seite, nämlich die Pflicht zur Fürsorge, zur Verantwortung, zur verantwortungsvollen Erziehung, zur Liebe den Kindern gegenüber. (Abg Günter Kenesei: Selbstbestimmung!) Dieser Grundsatz fehlt mir in Ihren Überlegungen vollkommen. Auf die Eltern wird in Ihrer Ideologie vergessen.

 

Auf Grund dieses großen Sündenfalls ist es meiner Fraktion nicht einmal möglich, Ihren Bericht in diesem Jahr zur Kenntnis zu nehmen. (Beifall bei der ÖVP und bei der FPÖ.) 

 

Präsidentin Erika Stubenvoll: Als Nächste ist Frau StR Landauer zum Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.

 

StR Karin Landauer: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Herr Abg Ulm hat an sich schon relativ viel gesagt, was aus diesem Kinder- und Jugendanwaltsbericht zu entnehmen ist. Er beginnt ja auch schon so, dass Kinder und Jugendliche wieder in der politischen Diskussion wichtig geworden sind, aber leider nur als Familienmitglieder, also als Anhängseln der Eltern. Ich denke mir, die Kinder sind die Zukunft, nur wenn es keine Eltern gibt, gibt es auch keine Kinder. Aber gestern hat uns ja eh die Frau Wehsely erzählt, wie das Familienbild von Ihnen aussieht. (Abg Jürgen Wutzlhofer: Genau!) Von der Kinder- und Jugendanwaltschaft, gestehe ich ein, erwarte ich mir etwas anderes.

 

Ich gehe jetzt auf einige Punkte ein. Es ist so, dass

 

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