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Landtag, 2. Sitzung vom 28.06.2001, Wörtliches Protokoll  -  Seite 32 von 74

 

Auseinandersetzungen mit der E-Wirtschaft, dass es mindestens 4 Prozent - mindestens 4 Prozent, es können auch 5 oder 6 Prozent sein, hoffentlich auch mehr - sein müssen. Das haben wir auch klargestellt. Das könnte gelingen - und wir werden uns dafür einsetzen -, wenn es einen derartigen Boom an Ökostromanlagen auch im Gebiet von Wien gäbe, insbesondere dann, wenn die WIENSTROM ein Großkraftwerk auf Biomassebasis ans Netz bringt in den nächsten Jahren.

 

Das ist ja eine Novität, eine Novität, die von der kulturellen Genese der GRÜNEN her noch gar nicht irgendwie breiter wahrgenommen wird. Grüne sind maßgeblich aus der Verhinderung von Großkraftwerken entstanden und jetzt sind es ausgerechnet die GRÜNEN, die dem Stromversorger ausrichten lassen und Druck machen, ein Großkraftwerk zu errichten, ein Verbrennungsgroßkraftwerk zu errichten. Also, das halte ich für eine interessante Weiterentwicklung.

 

Wenn jetzt in einem Arbeitskreis, den die Frau Stadträtin eingerichtet hat, einmal klargestellt ist, dass wir uns zunächst in Europa anschauen, welche Anlagen es da gibt, um aus Entwicklungen, vielleicht auch aus Fehlern der anderen zu lernen und eine entsprechende Anlage in Wien zu errichten, dann könnte hier etwas wirtschaftspolitisch, technologiepolitisch und auch umweltpolitisch sehr Interessantes und Visionäres in Wien entstehen, nämlich die Vision, dass Öl, Kohle und Gas in fossilen Großanlagen auf mittlere Sicht überhaupt nichts mehr verloren haben und dass es nicht so ist, wie viele in Deutschland darstellen, dass ein Ausstieg aus der Atomenergie zwangsläufig mit dem Anstieg der CO2-Emissionen und zwangsläufig damit verbunden ist, dass mehr kalorische Kraftwerke fahren. Nein! Es gibt Alternativen!

 

Im Ballungsraum wird es nicht primär die Windenergie sein. Die kann es aber - dazu komme ich noch - sehr wohl in Niederösterreich, im Burgenland geben, und in Wien stellt sich eben die Frage, ob wir auf erneuerbare Energieträger umsatteln können. - Also, diese 4-Prozent-Grenze ist auch geklärt.

 

Der dritte Bereich betrifft die Kennzeichnung. Das halte ich für ein besonders wichtiges Element, denn ab Oktober können ja alle von uns den Stromversorger frei wählen, und es zeigen die Auseinandersetzungen, vor allem rund um Temelin, dass, glaubt man Umfragen, 95 Prozent der Bevölkerung leidenschaftlich und mit guten Gründen gegen Atomenergie auftreten. Da kann man jetzt was tun ab Oktober, wenn die Regulierung stimmt. Und die Regulierung stimmt jetzt, denn jeder Stromversorger muss jetzt ganz genau - ich sage es jetzt laienhaft - auf die Stromrechnung draufschreiben, woher der Strom kommt, ob der aus Öl, aus Kohle, aus Wind, aus Biomasse oder aus Atomenergie kommt. Und da wird - davon bin ich überzeugt - bis hinein in die Massenblätter, bis hinein in den ORF klargestellt werden, wer die 4, 5, 6, 10, 12, 15, 20 Anbieter in Wien sind und woher der Strom kommt.

 

Es gebietet die Korrektheit und die Seriosität, darauf hinzuweisen, dass bei dem, was aus der Steckdose herauskommt, niemand garantieren kann, dass da keine Atomstromanteile drinnen sind, egal, welchen Versorger man wählt.

 

Ich versuche das immer mit einem Bild darzustellen: Oben in ein großes Fass kommen Stromquellen hinein - Wind, Biomasse, Atom, Kohle - und unten - die berühmte Steckdose - kommt der Mix heraus. Aber in dem Ausmaß, in dem Konsumenten und auch Industriebetriebe einen bestimmten Stromversorger wählen, geben sie Geld dafür, was oben an Strom hineinkommt. Würde diese vollständige Kennzeichnung, die schon Schule gemacht hat - die Burgenländer gehen jetzt diesen Weg der vollständigen Kennzeichnung, die Oberösterreicher gehen jetzt diesen Weg der vollständigen Kennzeichnung, bald hoffentlich auch die Niederösterreicher und die anderen Bundesländer -, überall angewendet werden, dann könnte ein wirksamer Druck ausgeübt werden: Wer keinen Atomstrom möchte, soll einen Versorger wählen, der keinen Atomstrom einspeist. Das ist ein wirklicher Durchbruch. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Das wird auch für Großbetriebe, für Banken, für Versicherungen, für Industrie- und Gewerbebetriebe wichtig sein. Wenn ihnen die Ökologie ein Anliegen ist, werden sie bei der Auswahl des Stroms entsprechend Rücksicht nehmen müssen. Und auch die WIENSTROM wird sich Fragen gefallen lassen müssen: Woher kommt der Strom?

 

Ich drücke mich jetzt gar nicht um diese heikle Frage der Kennzeichnung herum. Natürlich kann man, wenn man Strom direkt vom Energieversorger bezieht, leicht kennzeichnen, was macht man aber dann, wenn man den Strom von Strombörsen, von denen jetzt viele entstehen werden, bezieht. Da war ursprünglich im Entwurf vorgesehen, "unbekannt" hinzuschreiben. Die Konsequenz wäre gewesen, meine Damen und Herren: Nirgendwo in Österreich hätte es Atomstrom gegeben. Und das war der Punkt, wo wir gesagt haben: Uns ist es so wichtig, dort, wo es vielleicht nicht so einfach ist, die Stromquelle festzustellen, zu Näherungswerten zu kommen. Denn eines geht schon: Wenn ein Versorger garantiert keinen Atomstrom möchte, muss er sich eben auch auf dem europäischen Markt bemühen, Strom zu beziehen, der 100-prozentig nicht aus Atomkraftwerken kommt. Das ist möglich. WIENSTROM ist noch nicht so weit.

 

In dem Maß, wie das jetzt vollständig gekennzeichnet wird, wird es hoffentlich auch eine Bewegung geben, dass bei Unternehmen, die von Temelin, von Bohunice, aber auch aus westlichen Atomkraftwerken Strom beziehen, hier auch von der Marktmacht her etwas verändert wird.

 

Ich glaube, diese Stromkennzeichnung wird von vielen noch unterschätzt, sie kann aber eine wirkliche Änderung der Energiepolitik in Europa klein beginnen. Das zeigt, dass es nicht darum geht, zu diskutieren, Markt oder Staat, sondern dass es die Kunst der Politik ist, eine intelligente Regulierung von Märkten

 

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