Gemeinderat,
14. Sitzung vom 20.11.2006, Wörtliches Protokoll - Seite 45 von 108
wäre doch dringendstes Handeln geboten!
Was sagen diese Betriebe selbst zu dieser
Situation? – Es liegt hier eine Umfrage der Wiener Wirtschaftsauskunftei
Creditreform Österreich vor. Das Ergebnis dieser Studie zeigt: Knapp
3 400 Unternehmen mussten im ersten Halbjahr 2006 Konkurs anmelden.
Ein Großteil davon sind laut Creditreform Österreich Kleinunternehmen. Für die
im europäischen Vergleich hohe Insolvenzquote österreichischer Unternehmen
führen die heimischen KMU zu 65 Prozent die geringe Eigenkapitalquote als
Hauptursache an, 22 Prozent werden restriktiven gesetzlichen Bestimmungen
und 10 Prozent der heimischen Standortpolitik zugeordnet.
Die befragten Unternehmen übten auch Kritik am
geltenden Insolvenzrecht. So meinten 76 Prozent der befragten KMU, kranke
Unternehmen sollten vorrangig saniert werden, bevor man sie liquidiert.
Dazu ein Blick auf die Insolvenzstatistik des
Alpenländischen Kreditorenverbandes für Jänner bis September 2006: Daraus geht
hervor, dass es in Wien bei den Firmenpleiten gegenüber den anderen
Bundesländern weiterhin keine Besserung gibt. Während sich die
Insolvenzentwicklung in diesem Zeitraum bundesweit stabilisiert hat, musste die
Wirtschaft in Wien ein weiteres Ansteigen der Insolvenzen zur Kenntnis nehmen. Schlusslicht
bei der Insolvenzentwicklung war im Zeitraum Jänner bis September 2006 Kärnten
mit einem Plus von 22 Prozent, und mit einem Plus an Insolvenzen von
17 Prozent belegt die Bundeshauptstadt den zweitschlechtesten Platz. Bei
den Unternehmensinsolvenzen hat die Wiener Wirtschaft im Zeitraum Jänner bis
September 2006 mit 3 176 Fällen einen neuen Negativrekord erreicht.
Diese 3 176 Insolvenzen bedeuten, dass derzeit bereits zwölf Unternehmen
pro Tag zahlungsunfähig werden. Sehr geehrter Herr Vizebürgermeister! Das
bedeutet: Jede Stunde, die wir hier sitzen, geht ein Unternehmen pleite, und
das ist doch entsetzlich! (Beifall bei der FPÖ.)
Am gesündesten ist die Insolvenzentwicklung derzeit
in Salzburg mit einem Rückgang der Insolvenzen um 10 Prozent und in
Vorarlberg mit einem Minus von 14 Prozent.
Sehr geehrter Herr Vizebürgermeister! Aus dieser
Statistik erkennt man, dass es in den meisten Bundesländern aufwärts geht und
die Insolvenzen rückläufig sind. In Wien ist das leider nicht der Fall. Für
Wien besteht Handlungsbedarf. Hier müsste Wien seine Betriebe massiv
unterstützen!
Ich zitiere Zeitungsüberschriften anderer
Bundesländer, etwa betreffend Salzburg: „Mehr Geld für kreative KMU!“ In
Niederösterreich findet sich folgende Schlagzeile: „Gründer sollen keine
Bittsteller mehr sein.“ In der Steiermark heißt es: „Steiermark als
EU-Musterregion für Klein- und Mittelbetriebe. Der Vizepräsident der
Europäischen Union, Günter Verheugen, hat Landeshauptmann Franz Voves kürzlich
angeboten, dass die Steiermark eine Musterregion für die neue europäische
KMU-Politik werden könnte.“
Ich erinnere an ein von mir schon mehrfach erwähntes
Beispiel aus der Steiermark: In der Steiermark hat man eine Pleiteholding für
KMU gegründet. Über die Steirische Umstrukturierungsgesellschaft STUG
sollen die Betriebe saniert und anschließend wieder verkauft werden. Bei dieser
Aktion rechnet das Land Steiermark sogar mit einem finanziellen Vorteil für das
Land selbst, und zwar mit einer Rendite von 10 Prozent, die beim
Wiederverkauf der STUG-Betriebe realisiert werden.
Auch in Niederösterreich hat Ihr sozialdemokratischer
Landesrat Schabl im Zusammenhang mit der drohenden Schließung von Austria Frost
eine solche Gesellschaft gefördert. – Ich darf zitieren: „Was in der
Steiermark so erfolgreich gelang, sollte auch in Niederösterreich gelingen. Mit
der steirischen Umstruktuierungsgesellschaft ist es in unserem
Nachbarbundesland gelungen, Unternehmen und Hunderte Arbeitsplätze, die vom
Zusperren bedroht waren, zu retten“. – So, sehr geehrter Herr
Vizebürgermeister, der Pressedienst Ihres niederösterreichischen Landesrates.
Sehr geehrter Herr Vizebürgermeister! Diese
Umstrukturierungsgesellschaft in der Steiermark ist laut Medienberichten auch
arbeitsmäßig sehr aktiv. Die STUG hat seit ihrem Bestehen etwa 50 Prozent
der Basisberatungen vom kleinen und mittleren Unternehmen vorgenommen sowie
mehrere Beteiligungsfälle geprüft, zuletzt im heurigen Frühjahr im Zusammenhang
mit der drohenden Insolvenz der Hartberger Teppichfabrik Durmont.
Ich darf den Wirtschaftslandesrat zitieren: „Ohne
diese Bürgschaften der STUG hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit die sofortige
Schließung des Standortes mit seinen 95 Arbeitsplätzen erfolgen müssen.“
Sehr geehrter Herr Vizebürgermeister! Ich habe Sie im
Zuge der Verhandlungen über die Budgets und Rechnungsabschlüsse schon mehrmals
gefragt, ob solche Überlegungen nicht auch für Wien interessant wären. Leider
haben Sie mir diesbezüglich keine Antwort gegeben!
Mangels Eigenkapitals sind die Betriebe nun auf
Fremdkapital angewiesen, und damit komme ich zum nächsten Problem, das ich auch
schon mehrfach erwähnt habe, und zwar zu Basel II. – Auch wenn Basel
II erst nächstes Jahr wirksam wird, wirft Basel II schon seit den letzten
Jahren seine negativen Schatten voraus. Die Banken haben bereits seit Jahren
ihr eigenes Rating für die Kreditvergaben geschaffen.
Was bedeutet das Rating für diese Betriebe? –
Das bedeutet nicht nur, dass sich die Kreditkosten bei schlechten Ratings
ernorm erhöhen, sondern dass es für viele solcher Betriebe überhaupt keine
Kredite mehr gibt, und das bedeutet Zahlungsunfähigkeit, also Insolvenz.
Ich darf diese Problematik präzisieren. Auf Grund
bankinterner Vorgänge, zum Beispiel Übernahme durch neue Eigentümer, wie zum
Beispiel bei der Bank Austria oder vermutlich demnächst bei der BAWAG, oder
durch interne Veränderungen, Vorgaben oder Ähnliches könnte es zu neuen
Richtlinien für Überziehungen und Kredite kommen. Eine jahrelang geübte Praxis
der mündlich vereinbarten Kontenüberziehungen könnte zum Beispiel
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