Gemeinderat,
37. Sitzung vom 19.12.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 33 von 98
ich. Von denen habe ich eh nicht erwartet, dass sie mir das
erklären können. Ich habe die Hoffnung schon aufgegeben. Aber wenigstens die
von ihnen delegierten Experten hätten es uns erklären können, aber auch die
können es bis heute nicht erklären.
Das Einzige, was Sie wollen, ist, dass wir zustimmen,
und zu so etwas können wir nicht zustimmen.
Es geht bei dieser Aufgabendelegation natürlich auch um
die Flucht aus der Verantwortung. Es geht um einen Bereich, der für Sie von der
Sozialdemokratie nicht mehr finanzierbar ist, für den Sie nicht mehr länger den
Kopf hinhalten wollen, aber über den Sie natürlich weiter Einfluss und Macht
ausüben wollen. Sie sagen: Wir sind nicht mehr verantwortlich, das ist der
Fonds Soziales Wien. Wir bestimmen zwar, was im Fonds Soziales Wien passiert,
aber wenn ihr uns fragt, wissen wir von nichts. Unser Name ist Hase. Und Sie
setzen dazu jemanden ein ... (GR Dr
Kurt Stürzenbecher: Das ist reine Polemik!) Geh, Kurti
Stürzenbecher, danke für den ersten Zwischenruf, ich habe schon geglaubt, du
bist eingeschlafen. Aber danke herzlich, ich begrüße dich, ich gratuliere dir, ich
hoffe, du hast schon gut zu Mittag gegessen und kannst jetzt weiter meinen
Ausführungen folgen.
Die Sozialdemokratie setzt die Charmereserve ein, den
Geschäftsführer Hacker. (Zwischenrufe bei
der FPÖ.) Das ist auch klar. Der jetzigen Stadtregierung müsste man bei
alternativen Filmfestspielen die Goldene Banane oder irgend so ein besonderes
Ding verleihen für die Fähigkeiten, die sie bisher im Zusammenhang mit dem
Fonds Soziales Wien präsentiert hat. Und weil Sie es eben nicht können, kommt
die Charmereserve Hacker, ein Mann, zwar nicht so schön wie Karl-Heinz Grasser
– aber Schönheit ist zum Glück keine politische Kategorie; ich brauche mich nur
selber in den Spiegel zu schauen –, nein, aber einer, bei dem die Oma schmelzen
und sagen wird: Na dem vertraue ich. Die Medienmitarbeiter glucksen nahezu
frohlockend vor Weihnachten, weil er mit seinen geschliffenen Ausführungen uns
allen erklärt, dass er eigentlich noch immer nicht weiß, was genau passiert,
aber er sagt es sehr schön. Und wenn man etwas schön sagt, dann zählt es ja
schon.
Worum geht es auch noch? Es geht um einen
Bürgermeister, der zwar formell zuständig ist, denn Angelegenheiten der
Geschäftseinteilung ressortieren zu ihm, der aber nie da ist, wenn es um die
Diskussionen geht. Der ist nie da, der ist auf Tauchstation oder sonst
irgendwo, wo es Flüssigkeiten gibt. Ich weiß es nicht. Jedenfalls: Er ist nie
da. Immer, wenn es um den Fonds Soziales Wien geht, wenn es um die
Geschäftseinteilung geht, ist er nicht da. Das sind lauter Sachen, für die er
zuständig ist. Für die Geschäftseinteilung – nachschauen in der Wiener
Stadtverfassung, Angelegenheiten des Bürgermeisters; Kollege Driemer, Sie lesen
schon, ich sehe das – ist der Bürgermeister zuständig. Nur, wann ist er nicht
da? Wenn es darum geht, dann ist er nicht da.
Worum geht es noch? Es geht um eine
Vizebürgermeisterin, die zahlreiche geschäftseinteilungsmäßige Kompetenzen
abgibt und neue dazubekommt. Vielleicht. Die einzige geschäftseinteilungsmäßige
Kompetenz – das fehlt, man sollte das wirklich hineinschreiben in den Akt –
heißt: Ich bin so glücklich! Was darf ich heute wieder eröffnen? Das ist
nämlich das Einzige, was Ihnen am Schluss übrigbleibt. Sie haben ja nichts mehr
zu arbeiten. Sie haben einen Bereichsleiter, der macht alles, das ungeliebte
Sozialwesen haben Sie an eine andere Stadträtin abgegeben, und bei Ihnen bleibt
das Bandldurchschneiden. Hallo, da bin ich! Trinken wir ein bisschen etwas. Nur
die geschäftseinteilungsmäßige Kompetenz gibt es nicht. Das werden wir einmal
festhalten: Die gibt es noch nicht, auch wenn Sie nichts anderes mehr tun
werden.
Es geht bei diesem Vorgang auch um einen anderen
Vizebürgermeister. Der ist ganz glücklich, denn der braucht nicht mehr so viel
Geld dafür auszugeben, von dem er ohnehin nicht gewusst hätte, woher er es
nimmt. Der hat schon seinen Gesundheitsbereich, in dem alles darniederliegt, an
jemand anderen abgetreten, an eine Stadträtin, die so ein naives
Politikverständnis hat, dass sie glaubt, sie kann in dieser Stadt gegen den
Willen ihrer eigenen Fraktion etwas reformieren. Das ist natürlich unmöglich.
Die gesundheitspolitische Vision der StRin Pittermann – nichts Rauchen, nichts
Trinken; morgen wieder bei "Wir", und außerdem reformiere ich den
Gesundheitsbereich –, die ist schön, aber das geht halt nicht, weil ihre eigene
Fraktion das nicht zulässt. Sie hat einen Bürgermeister, der sich herausnimmt,
Spitäler zu öffnen oder zu schließen, wobei er nach der Frage vorgeht: Ist
einer der Primarärzte dort mein Freund oder mein Spezi? und nicht fragt: Ist
das gesundheitspolitisch richtig oder falsch? Denn immer, wenn sie das tut,
dann bremst er sie ein.
Man hat im Zusammenhang mit dieser Diskussion
geglaubt, dass sie vielleicht eh aufgeben wird. Vielleicht gibt die Pittermann
nach und ist weg – angepatzt ist sie ja schon genug, man wird sicher noch
fragen müssen, von wem –, und dann übernimmt irgendwer anderer den Gesundheits-
und den Sozialbereich, denn die wesentlichen Agenden liegen ja dann sowieso
nicht mehr beim Stadtrat, der braucht ja nichts mehr zu tun, die Agenden liegen
beim Geschäftsführer Hacker. Und so titelt ja auch der "Kurier":
"Mehr Macht als ein Stadtrat". – Und genau darum geht es: Der Fonds
Soziales Wien wird uns alle in unseren Rechten beschränken.
Und es geht auch um ein Geschäftsstück, das, wenn man
es genauer liest, vor Fehlern und Mängeln nur so strotzt, das uns politisch
verhöhnt und das verfassungsrechtlich mehr als fragwürdig ist.
Lassen Sie mich bei den Fehlern beginnen: Wer sich die Mühe
gemacht hat, das Geschäftsstück genau durchzulesen – und das haben Sie ja alle,
davon gehe ich aus, sonst könnten Sie ja nicht zustimmen –, der weiß, dass man
dazu, wie der Verfassungsgerichtshof sagen würde, drei Sachen braucht:
akribischen Fleiß, archivarische Fähigkeiten und die Lust zur Lösung von
Denksportaufgaben. Das sind die drei Kriterien, mit denen man dieses
Geschäftsstück lesen muss. Denn um es zu lesen, braucht man zuerst einmal drei
zuvor verlautbarte Amtsblätter. Die muss man dann alle im Detail aufschlagen
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