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Gemeinderat, 36. Sitzung vom 26.11.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 33 von 53

 

ist aber ein falsches, weil diese Quartalsberichte in weiten Bereichen der privaten Wirtschaft ein gängiges Instrument sind. Bei allen börsennotierten Unternehmen sind diese Quartalsberichte sogar gesetzlich vorgeschrieben. Sie sind im § 87 des Börsegesetzes ausdrücklich vorgeschrieben, darin wird verlangt, dass alle amtlich notierten Unternehmen über die ersten drei Monate, über die ersten sechs Monate und über die ersten neun Monate eines jeden Geschäftsjahres Quartalsberichte abliefern müssen.

 

Meine Damen und Herren! Ich meine daher, dass genau diese Rechte, die jedem privaten Aktionär selbstverständlich eingeräumt werden, die ihm schon im Sinne des Anlegerschutzes eingeräumt werden, natürlich auch hier diesem Wiener Gemeinderat eingeräumt werden sollten! (Beifall bei der FPÖ.)

 

Meine Damen und Herren! Es ist bereits erwähnt worden, dass entgegen einer langjährigen Usance in diesem Haus alle sechs freiheitlichen Beschlussanträge gestern nicht einmal zugewiesen worden sind, sondern einfach ohne Prüfung abgelehnt worden sind. Wir hätten mit diesen Anträgen die Chance gehabt, über die Budgethoheit dieses Gemeinderates einmal ganz offen zu diskutieren, Vorschläge zu sammeln und die Umsetzung zu prüfen. Wir wollten damit eben die Budgethoheit dieses Gemeinderates umfassend, auch in den ausgegliederten Bereichen, wiederherstellen.

 

Die Ablehnung dieser Anträge hat gezeigt, wie ernst die Budgethoheit tatsächlich noch genommen wird. Meine Damen und Herren, diese Ablehnung gestern, sodass diese Anträge nicht einmal zugewiesen worden sind, hat uns gezeigt, dass der politische Wille überhaupt nicht mehr vorhanden ist, umfassende Kontrolle und umfassende Information in diesem Gemeinderat zu garantieren! Es hat gezeigt, dass bei der Mehrheitsfraktion dieser politischer Mehrheit fehlt, die parlamentarischen Kontrollrechte sicherzustellen.

 

Meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion! Herr Klubobmann! Herr Ex-Klubobmann! Sie haben gestern mit der Ablehnung dieser Zuweisung dem Stellenwert dieses Hauses, dem Stellenwert dieses Gemeinderates, so meine ich, keinen guten Dienst erwiesen. Sie haben mit dieser Diskussionsverweigerung eigentlich gezeigt, welchen Stellenwert demokratiepolitische Fragen für Sie noch haben. Ich fordere Sie daher auf, Herr Klubobmann, Herr Ex-Klubobmann: Überdenken Sie das wirklich noch einmal! Das Selbstverständnis dieses Hauses insgesamt, aber auch das Selbstverständnis eines jeden einzelnen Gemeinderates erfordert es, jetzt in eine ernste demokratiepolitische Diskussion einzutreten und diese einmal zuzulassen.

 

Meine Damen und Herren! Es ist daher - lassen Sie mich auch das noch sagen - sicher kein Zufall, dass auch dieser Fonds Soziales Wien, von dem gestern zumindest einmal die Satzungsentwürfe allen Fraktionen zur Verfügung gestellt worden sind, genau in jene Rechtsform gekleidet wird, die wiederum die Rechte hinsichtlich der Budgethoheit dieses Hauses maximal beschränkt, maximal beschneidet. Denn es gibt bei einem solchen Fonds kein Genehmigungsrecht dieses Hauses mehr für den Wirtschaftsplan, aber auch kein Genehmigungsrecht mehr für den Jahresabschluss.

 

Meine Damen und Herren! Es war daher immer gute Sitte, auch den Fraktionen, die in diesem Gemeinderat vertreten sind, Sitz- und Stimmrecht in all diesen Fonds einzuräumen, und zwar genau in jenem Gremium, welches das Budget dieses Fonds beschließt. Es war daher immer gute Sitte, den Fraktionen dort Sitz- und Stimmrecht einzuräumen, damit sie als Oppositionelle Ihre Budgethoheit auch tatsächlich ausüben können. Das ist etwa so beim Wiener Wirtschaftsförderungsfonds, es ist auch so beim Wiener Arbeitnehmerförderungsfonds.

 

Es kann daher kein Zufall sein, dass dieser Satzungsentwurf anders ausschaut. Es ist offenbar die pure Absicht dieser Stadtregierung, mit der Ausgliederung dieses Fonds Soziales Wien aus der politischen Verantwortung, vor allem aber aus der sozialen Verantwortung in dieser Stadt zu flüchten. Das geht aus diesem Satzungsentwurf klar hervor, diesem Satzungsentwurf, der ja gestern noch schnell verteilt wurde.

 

Meine Damen und Herren! Es ist dieser Satzungsentwurf ein gewaltiger rechtspolitischer Rückschritt, eigentlich ein Rückschritt in eine vorkonstitutionelle Ära. Bei diesem neuen Fonds liegt die Budgethoheit beim Kuratorium dieses Fonds. Das Kuratorium beschließt den Budgetvoranschlag, das Kuratorium beschließt auch den Rechnungsabschluss. Bei anderen Fonds, etwa beim Wiener Arbeitnehmerförderungsfonds, ist es daher selbstverständlich, dass natürlich alle Fraktionen in diesem Kuratorium vertreten sind. Alle im Gemeinderat vertretenen Parteien haben daher als Ausfluss der Budgethoheit dieses Hauses eben im WAFF, genau dort in diesem budgetbeschließenden Gremium, Sitzrecht, aber auch Stimmrecht.

 

Anders ist es nun bei diesem Satzungsentwurf. Auch das zeigt so erschütternd, welchen Stellenwert demokratiepolitischen Fragen für diese sozialdemokratische Fraktion noch haben. Laut dieser Satzung sind im Kuratorium nur Vertreter der Regierung, nur Vertreter der Stadtregierung zugelassen. Der Beirat, in dem die Vertreter der Opposition sitzen dürfen, wird zu einem bloßen Diskussionsforum degradiert, zu einem Diskussionsforum ohne wirkliche Kompetenzen, vor allem ohne Budgetkompetenzen.

 

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Herr Klubobmann! Es ist daher diese Satzung, die gestern verteilt wurde, in Wahrheit ein Anschlag auf die Budgethoheit dieses Hauses! Es ist diese Satzung ein gewaltiger Rückschritt, ein Rückschritt in eine vorkonstitutionelle Zeit, als die Budgetrechte des Parlaments mühsam erkämpft werden mussten, mühsam erkämpft werden gegen eine damals kaiserliche Regierung. Dieser Satzungsentwurf ist daher auch ein Ausdruck für die Präpotenz der Macht, für die Arroganz, mit der die absolute Mehrheit in diesem Haus bereits gebraucht wird.

 

Ich fordere Sie daher von dieser Stelle aus auf: Nehmen Sie diesen Satzungsentwurf zurück! Nehmen Sie ihn zurück, räumen Sie - so wie es bisher in diesem

 

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