Gemeinderat,
35. Sitzung vom 25.11.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 17 von 120
Wissenschaft.
Zum Schluss möchte ich auf die Situation einer
Forschungsgesellschaft zu sprechen kommen, die heute in den Medien war und die
von uns schon seit Wochen mit kritischer Distanz gesehen wird, nämlich die
Entwicklung der Boltzmann-Institute. Für jene, die nicht wissen, was die Stadt
Wien mit den Boltzmann-Instituten zu tun hat, muss man schon sagen, dass die
Stadt Wien einer der nicht so unwesentlichen Förderer der Boltzmann-Gesellschaft
ist und dass der Herr Vizebürgermeister auch im Vorstand dieser
Boltzmann-Gesellschaft sitzt.
Hier passieren in den letzten Monaten Dinge, und es
ist jetzt auch in den Zeitungen gestanden – also nicht nur in internen
Papieren, sondern man ist jetzt damit auch an die Medien gegangen –, wie diese
Umstrukturierung der sehr, sehr wichtigen Boltzmann-Institute vonstatten geht.
Es schaut so aus, dass vom Vorstand beschlossen
wurde, dass die Boltzmann-Institute, von denen es mittlerweile 135 gibt, evaluiert
werden. Evaluation ist ja prinzipiell einmal nichts Schlimmes, aber die Art und
Weise, wie hier vorgegangen wird, ist doch etwas sehr skurril. Die Institute
bekamen einen Brief, in dem drinnen steht, ab 2004 werdet ihr evaluiert. Der
Vorstandsvorsitzende, der Herr Konrad, hat dann gemeint, ein paar werden nicht
evaluiert, die hätten sie schon selber evaluiert. Die haben keine
Forschungsleistung erbracht, die haben nichts publiziert, die kriegen also auf
keinen Fall Geld. Die anderen kriegen jetzt einmal ihre Förderung für ein
halbes Jahr, und in dieser Zeit wird evaluiert. Wenn sich dabei herausstellt,
dass die Evaluierung, nach welchen Kriterien auch immer, Negatives ergibt, so
wird die Finanzierung nicht mehr weiter fortgeführt.
Das Ziel ist ganz klar, Institute zu schließen,
Forschung nicht mehr möglich zu machen, und wenn, dann an Kriterien zu binden,
die für manche Institute einfach nicht leistbar sind. Es wird beispielsweise
gefordert, dass es mindestens zehn MitarbeiterInnen für die sozial- und
kulturwissenschaftlichen Institute gibt, die medizinrelevanten Institute dürfen
50 MitarbeiterInnen haben. Sie werden für maximal sieben Jahre
eingerichtet. Nach sieben Jahren lösen wir sie auf, denn dann brauchen wir sie
nicht mehr. Auch das Budget wird anders gestaltet. Man muss nämlich für
40 Prozent des Budgets mit Drittmitteln sorgen. Alle, die um die Situation
der Geistes- und Kulturwissenschaften wissen, wissen auch, was es heißt,
40 Prozent des Budgets über Drittmittel aufzutreiben. Das ist schier
unmöglich, vor allem in Situationen, wo der Bund diesen Bereich massiv kürzt
und nicht gedenkt, auch nur irgendwie zu fördern.
Jetzt hat die Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft
beschlossen, ebenfalls einen Strich zu machen, zu kürzen und eben Institute zu
schließen. Davon sind Institute betroffen, die wir alle kennen: das Ludwig
Boltzmann-Institut für Menschenrechte, aber auch das Boltzmann-Institut für
Zeitgeschichte. Dass diese guten Institute, die wirklich relevante
Forschungsleistung erbringen, plötzlich am Geld beziehungsweise an Köpfen ihrer
MitarbeiterInnen gemessen werden, um zu zeigen, ob sie sinnvolle und wichtige
Forschungsleistung erbringen, ist für mich nicht nachvollziehbar.
Ich möchte
hier zwei Anträge stellen, die eben die Neuorganisation der Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft
betreffen. Ich möchte aber auch an den Herrn VBgm Sepp Rieder, der ja da
drinnen sitzt, appellieren, dass er sich als Geldgeber dieser
Boltzmann-Gesellschaft und dieser Boltzmann-Institute dafür einsetzt, dass es
nicht so passieren kann, dass man den Instituten über die Medien ausrichtet,
dass jetzt evaluiert wird und dass sie kein Geld mehr bekommen werden.
Deshalb
stelle ich den ersten Beschlussantrag:
"Der
Gemeinderat der Stadt Wien fordert die Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft, die im
nicht unbeträchtlichen Ausmaß von der Stadt Wien finanziert wird, auf, im Zuge
ihrer Neuorganisation mehr als bisher Transparenz walten zu lassen. So soll den
VertreterInnen der Forschungseinrichtungen Gelegenheit zur gemeinsamen
Diskussion der Pläne mit dem Vorstand geboten werden.
Um die
Transparenz der Neuorganisation gegenüber der Stadt Wien zu erhöhen, spricht
sich der Gemeinderat der Stadt Wien dafür aus, dass Anfang 2004 ein Vertreter
des Vorstandes der Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft im Gemeinderatsausschuss für
Kultur und Wissenschaft über den Stand der Neuorganisation berichtet.
Der
Gemeinderat der Stadt Wien spricht sich weiters entschieden dafür aus, dass im
Zuge einer Neuorganisation auf die spezifischen Organisations- und Finanzierungsformen
der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften ausreichend Rücksicht genommen
wird. Sowohl bezüglich der Größe der Institutionen, der verlangten Höhe der
Drittmittel als auch bezüglich der Langfristigkeit der Planung müssen in diesen
Forschungsfeldern andere Maßstäbe gelten.
Weiters
weist der Gemeinderat darauf hin, dass die stärkere Konzentration auf
angewandte Forschung und Drittmittelrekrutierung nicht dazu führen darf, dass
Forschungseinrichtungen der Ludwig-Boltzmann-Gesell-schaft, die gesellschaftskritische
und reflexive Forschung betreiben, außen vor bleiben."
In
formeller Hinsicht beantrage ich die sofortige Abstimmung dieses Antrages.
Der zweite
Antrag richtet sich an die zuständige Fachabteilung sowie den
Gemeinderatsausschuss für Kultur und Wissenschaft, dass diese bei Vorliegen
eines Subventionsansuchens der Ludwig-Boltzmann-Gesell-schaft für 2004 genau
prüfen,
1. ob im
Zuge der Neuorganisation auf die spezielle Situation der Geistes-, Kultur- und
Sozialwissenschaft Rücksicht genommen wird und wurde, sowohl bezüglich der
Größe der Institutionen, der verlangten Höhe der Drittmittel als auch bezüglich
der Langfristigkeit der Planung;
2. ob die
Umstrukturierung der Gesellschaft transparent und unter Einbeziehung der
betroffenen ForscherInnen vonstatten geht oder gegangen ist, insbesondere ob
den VertreterInnen der Forschungseinrichtungen eine Gelegenheit der gemeinsamen
Diskussion der Pläne mit dem Vorstand der Gesellschaft geboten wurde;
3. ob sich die Mittelvergabe an die
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