Gemeinderat,
35. Sitzung vom 25.11.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 6 von 120
sorgen werden, dass gerade auch im Kulturbereich nach wie
vor eine kräftige, konstruktive Opposition ihre Stimme erheben wird. Wir haben
hier zwei, die tatsächlich in der Kultur unterwegs waren, und ich bin sicher,
dass sie die politischen Interessen an einer fairen, aber sehr konstruktiven
Auseinandersetzung weiter mit voller Kompetenz wahren werden. Alles Gute auch
für diese Aufgabe!
Meine Damen und Herren! Der verantwortungsvolle Umgang
– um jetzt von Viktor Matejka direkt zu uns zu kommen – mit der Vergangenheit,
vor allem mit dem dunkelsten Kapitel unserer Geschichte, mit der
"Gottesfinsternis", wie Martin Buber die Nazizeit genannt hat, muss
nach wie vor zu den wichtigen Anliegen unserer Stadt zählen. Das ist genauso
wichtig wie das Wissen um die eigene Kulturgeschichte, die im erzwungenen
ausländischen Exil geschrieben werden musste.
Ich möchte hier dem seinerzeitigen Koalitionspartner
und vor allem Herrn Bgm Häupl dafür danken, dass in der Zeit unserer
Zusammenarbeit, aber auch darüber hinaus bis zum heutigen Tag so klare Zeichen
der Entschlossenheit – vom Restitutionsbeschluss über das Schönberg Center bis
hin zum Mahnmal auf dem Judenplatz – gesetzt werden konnten. Die wirklichen
Mahnmale aber, meine Damen und Herren, müssen in unseren Herzen und Hirnen
entstehen: durch Erziehung, durch Bildung, durch die gesellschaftliche
Bewusstmachung. Und diesem Anliegen muss unsere Stadt ohne Wenn und Aber
weiterhin verpflichtet bleiben. (Beifall
bei der ÖVP.)
Der große Ihnen bekannte Theatermensch Hermann Beil
hat in der "Süddeutschen Zeitung" einmal sinngemäß geschrieben, dass
er, wann immer er von Berlin nach Wien kommt, auch den Judenplatz besucht und
dass er jedes Mal, wenn er von Wien wegfährt, als besserer Mensch nach Berlin
zurückkommt. Ich glaube, dass mit dem Judenplatz etwas gelungen ist, was für
diese Stadt wichtig ist, nämlich einen akzeptierten Ort der Besinnung, des
Nachdenkens, der Bewusstmachung zu schaffen. Von ihm darf aber nicht nur Trauer
und Betroffenheit ausgehen, sondern auch die Entschlossenheit zur Mitgestaltung
einer vorurteilsfreien menschlichen Welt, in der es keinen Platz für den
Antisemitismus geben darf. Ich glaube, dass wir christlichen Politiker da auch
eine ganz besondere Aufgabe zu erfüllen haben.
Meine Damen und Herren! Wenn Richard von Weizsäcker
einmal formuliert hat, dass Kultur die Substanz sei, um die es in der Politik
geht, dann ist hier sozusagen die ganze Bandbreite zwischen Kulturpolitik und
politischer Kultur aufgezeigt. Deshalb glaube ich auch, dass uns alle, die im
Parteibuch nicht nur eine Art Durchschwindelpapier oder eine
Versicherungspolizze gegen berufliche Inkompetenz sehen, sondern den Ausdruck
eines politischen Bekenntnisses im demokratischen Gefüge, wo immer das sein
mag, im höchsten Ausmaß willkommen sein müssen, genauso wie uns sogenannte
Quereinsteiger willkommen sein müssen, die bereit sind, auf Zeit ihre Kompetenz
der Politik zur Verfügung zu stellen. Auf diesem Weg wird die Zweite Republik
immer wieder Antithese zur Ersten Republik sein können. Und das müssen wir uns
wünschen, um im neuen Europa eine Rolle spielen zu können, meine Damen und
Herren. (Beifall bei der ÖVP.)
Wien ist jetzt wieder in den Mittelpunkt gerückt. Wir
kennen die damit verbundenen Ausdrücke. Als "Drehscheibe
Mitteleuropas", als "Brücke zwischen Ost und West" und immer im
"Herzen Europas" liegend hat Wien es nie aufgegeben, stets auch Ort
des europäischen Kulturdialogs zu sein. Mir klingt noch in den Ohren, wie 1966
Dr Josef Klaus als damaliger Bundeskanzler vor dem Europarat seine große
Grundsatzrede mit den Worten geschlossen hat: "Civis europaeus sum!"
Das war das erste Mal, dass ein Staatsmann diese Formulierung verwendet hat.
Meine Damen und Herren! Heimat, Patriotismus,
Vaterlandsliebe dürfen nicht als einengende, ausgrenzende Begriffe verstanden
werden, sondern als unmissverständliche Absage an aggressive Nationalismen. (Beifall
bei der ÖVP sowie bei Gemeinderäten der GRÜNEN und der GRin Sonja Kato.)
Für Ausländerfeindlichkeit darf es in unserer Stadt,
die ihre Bedeutung nicht zuletzt der Zuwanderung zu verdanken hat, keinen Platz
geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Gemeinderäten der SPÖ und der GRÜNEN.)
Patriot und Weltbürger in einem – das ist es, was wir
in Wien sein wollen, meine Damen und Herren.
"Wir im Osten haben die Träume und nicht die
Mittel, und ihr im Westen habt die Mittel und nicht die Träume", hat
Václav Havel 1989 oder 1990 einmal gesagt. Und im Don Carlos heißt es:
"Sag ihm, da jetzt zum Manne er wird, Achtung er soll haben vor den
Träumen seiner Jugend."
Wir müssen gerade deshalb, weil es heute auch um das
Kulturbudget geht, alles tun, damit in dieser Stadt die Verwirklichung der
Träume unserer Kreativen, unserer Kulturschaffenden immer wieder möglich ist.
Immer muss in unserer Stadt die Politik der Kunst dienen und nicht umgekehrt. (Beifall
bei der ÖVP und bei Gemeinderäten der GRÜNEN.)
Ich möchte hier auch meiner Fraktion danken, die
nicht immer diskussionslos, wie es sich in einer breitgefächerten Partei
gehört, aber letztlich immer geschlossen hinter einer solchen Kulturpolitik
gestanden ist.
Danken möchte ich auch den anderen Fraktionen, die
mir während der Zeit der Amtsführung nicht nur sozusagen gegenüber gestanden
sind, sondern die mir dort, wo es um die Verteidigung von Grundprinzipien, vor
allem von kulturpolitischen Grundprinzipien ging, auch zur Seite gestanden
sind.
Da möchte ich stellvertretend die damaligen
Klubobleute Johann Hatzl, Christoph Chorherr und Gabriele Hecht erwähnen, die
wie gesagt, in den zwei, drei oft nicht einfachen Situationen ohne Kompromiss
zur Verteidigung bereit waren.
Meine Damen und Herren! Bruno Kreisky hat einmal auf die
Frage, was Kulturpolitik eigentlich sei, kurz und bündig gemeint: "Den
Künstlern die Luft zum Fliegen zu bereiten." Urbaner, offener, weiter kann
man es
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