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Gemeinderat, 35. Sitzung vom 24.11.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 53 von 134

 

es 0,7 Prozent, im Jahr 2002 1,1 Prozent, und für heuer werden 0,7 Prozent erwartet. Die Prognose für 2004 sieht besser aus und lautet auf 1,4 Prozent. Ich würde es mir wünschen, aber Prognosen haben es an sich, dass sie meistens, so wie in den vergangenen Jahren, nach unten revidiert werden. Es gibt ja auch tatsächlich keine Anzeichen eines deutlichen Konjunkturaufschwunges.

 

Deshalb wird auch für 2004 eine neue Rekordarbeitslosigkeit von zirka 300 000 Menschen erwartet. Die Jugendarbeitslosigkeit - sie ist heute schon des Öfteren angesprochen worden - zwischen 15 und 24 Jahren ist mit zirka 65 000 in Österreich noch nie so hoch gewesen. Und das bei einer Steuer- und Abgabenquote – diese bitte nicht zu verwechseln mit der Steuerquote; ich spreche hier von der Steuer- und Abgabenquote -, die im Jahr 2002 – denn jene des Jahres 2003 liegt ja noch nicht vor - 51,3 Prozent betrug, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir liegen da an vierter Stelle in Europa. Da nehmen wir eine Spitzenposition ein, denn die meisten anderen Länder haben eine geringere Steuerquote. Ich möchte nur der Fairness halber sagen, dass auch der EU-Durchschnitt bei 45,5 Prozent liegt und dass die viel gescholtene Bundesrepublik Deutschland eine Steuer- und Abgabenquote von 39,4 Prozent hat.

 

Ich habe vorher schon gesagt, dass die Kaufkraft auch ein wesentlicher Faktor für das Zustandekommen eines Konjunkturaufschwungs ist. Die hohe Abgabenquote bremst leider diesen Aufschwung! Dazu kommt noch etwas - das bemerke ich immer wieder, wenn ich mit Menschen diskutiere -, nämlich das nicht sehr gescheite oder nicht sehr geschickte - fast hätte ich gesagt: stümperhafte - Vorgehen der Bundesregierung - das muss ich jetzt sagen - in Bezug auf die Pensionskürzungsreform, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das hat die Menschen verunsichert, und weil sie um ihre persönliche Zukunft fürchten, geben sie auch nicht mehr aus, und das kommt sicher nicht einem Konjunkturaufschwung zugute.

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kaufkraftschwächung geht weiter. Ich habe heute in diversen Debattenbeiträgen den Hinweis darauf vermisst, dass es ab 1.1.2004 die Erhöhung der Energieabgaben geben wird, die 335 Millionen EUR ausmachen wird. Auch das trifft wieder die Klein- und Mittelbetriebe, aber auch viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dieses Landes. Und was das viel zitierte, hochgejubelte Konjunkturbelebungsprogramm III betrifft, so müssen wir, wenn wir ehrlich zueinander sind, feststellen: Viel Neues hat es nicht gebracht, bis auf einige Facetten. Wenn man gemein ist, kann man sagen: Alte Ideen – neu verpackt! Und außer Absichtserklärungen, gerade im Bereich der Infrastruktur, und ein bisschen Valium für die Industrie ist nicht allzu viel drinnen gewesen.

 

Aus einer Zahlengröße kann man, glaube ich, auch herauslesen, wie beispielsweise im Bereich der Infrastruktur investiert wird: Es bleiben fast 28 Prozent der EU-Förderungsgelder in Brüssel liegen! Das ist doch wirklich ein Beispiel, das zeigt, dass nicht optimal investiert wird.

 

Ich denke daher, dass der Bund im Interesse der österreichischen Wirtschaft endlich Geld in die Hand nehmen muss, um teilweise auch sinnvolle Projekte jetzt anzugehen und umzusetzen und so Arbeit zu schaffen. Reden ist in diesem Bereich zu wenig, und Marketing-Gags sind derzeit auch nicht angebracht.

 

Von einer offensiven Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik des Bundes kann daher nicht gesprochen werden. Es tut mir Leid, wenn ich im Folgenden einen Namen nenne: Herr StR Dr Schock hat gerade den Wirtschaftskurs des Bundes so sehr gelobt. Ich darf jetzt eine Kritik – die nicht von mir stammt - zitieren, die aufzeigt, wie ein verfehlter Wirtschaftskurs von Grasser und Bartenstein uns hohe Arbeitslosenzahlen beschert. Ich kann das nur unterstreichen, und wenn Sie sich die Mühe gemacht hätten, in Ihrer eigenen Homepage nachzusehen, dann wüssten Sie, dass das dort sogar drinnen steht. Es war Ihr damaliger Vizekanzler und Parteivorsitzender und jetziger Minister Haupt, der das im September in der "Pressestunde" gesagt hat. Ich kann mich dieser Kritik vollinhaltlich anschließen. Er hat nämlich nur verlangt, dass die Steuerreform von 2005 auf 2004 vorgezogen wird - da muss man ihm ja Recht geben, und wir haben ihn ja auch unterstützt -, um die Kaufkraft zu heben. Aber leider konnte er sich eben nicht durchsetzen, der Herr Minister Mag Haupt, so wie anscheinend auch jetzt die derzeitigen FPÖ-Verhandler, Herr Prinzhorn und Herr Dr Haider. Sie haben versprochen, sie werden sich faktisch ins Zeug legen, um das umzusetzen, genauso wie bei der Pensionsreform, genauso wie bei anderen Maßnahmen. Es ist leider nichts herausgekommen. (GR Mag Helmut Kowarik: Da ist schon einiges herausgekommen! ...! So ist es nicht!) Die FPÖ ist eben leider zu schwach. Die ÖVP diktiert, und die Freiheitlichen sind eben leider Mehrheitsbeschaffer.

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gebe aber gerne zu, dass die nicht rosige Wirtschaftssituation, die wir weltweit und auch in Europa vorfinden, auch vor Österreich nicht Halt macht. Wir haben heute zwar gehört, dass die USA in einem Quartal bereits wieder ein Wirtschaftswachstum von 7,2 Prozent haben, aber man muss auch sagen, dass sie ein größeres Defizit in Relation zum Bruttoinlandsprodukt in Kauf nehmen, um eben mit Kaufkraftstärkung und mit Investitionen die Konjunktur zu beleben. Dass diese Rezession oder diese rezessive Phase nicht vor den Toren Österreichs und genauso wenig vor Wien Halt macht, das wird man verstehen, insbesondere, wenn vom Bund überhaupt nichts oder fast nichts dazu beigetragen wird. Wir werden es alleine nicht lösen können. Im lang anhaltenden Konjunkturtief – das der derzeitige Bundeskanzler immer zu erkennen abgelehnt hat, das muss ich jetzt auch noch einmal herausstreichen; ich glaube, wir erinnern uns an die Diskussionen - und bei einer schwierigen Situation am Arbeitsmarkt sind für die Wiener Sozialdemokratie die Investitionen wichtig, zukunftsorientierte Konjunktur- und Beschäftigungspolitik wichtig und die soziale Sicherheit genauso wichtig. Das ist uns wichtiger als die hundertprozentige Erreichung gewisser Maastricht-Ziele, denn

 

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