Gemeinderat,
35. Sitzung vom 24.11.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 13 von 134
Herr Vizebürgermeister!
Es ist nicht ganz leicht, nach dieser ausführlichen
Rede, die ich nicht zu qualifizieren habe in ihrem rhetorischen Gehalt,
stimmungsmäßig ein bisschen Schwung in die Bude zu bringen. Angesichts dessen,
was ich hier vorhabe, bin ich sicher, dass mir das gelingen wird, weil sich ein
paar aufregen werden. (GRin Mag Sonja
Wehsely: Nein!) Na, wartet ein bisschen. (Heiterkeit bei den Grünen.)
Man kann in diesen Tagen nicht über ein Budget
diskutieren, ohne auf den Kern dessen einzugehen, worauf die Sozialdemokratie
stolz ist, wofür sie zu stehen glaubt: Das ist die Sozial- und
Gesundheitspolitik. Und wenn das Wort, das die Sozial- und Gesundheitspolitik
der SPÖ kennzeichnet, in den, glaube ich, 70 Minuten kein einziges Mal
vorgekommen ist, dann ist es bezeichnend, nämlich das Wort „Lainz“, das Wort
„Lainz“, das für das steht, was die SPÖ in den letzten Jahrzehnten in Wien war.
Geahnt hat die SPÖ, dass darüber diskutiert wird. Das erkenne ich, wenn ich mir
nur die Nominierung Ihres Erstredners, des Kollegen Hundstorfer, anschaue. Also
offensichtlich ist man schon dafür gewappnet, auf das einzugehen, was viel mehr
als die breiten Ausführungen des Herrn Vizebürgermeisters die Öffentlichkeit zu
Recht interessiert.
Ich möchte jetzt gar nicht auf all das im Detail
eingehen, was Sigrid Pilz, was die Medien, was viele andere öffentlich
klargemacht haben, was so viel Empörung, so viel Kopfschütteln hervorgerufen
hat, ich möchte dahinter schauen, ich möchte hinter das schauen, was ich
"System SPÖ" in Wien nennen möchte, das in Lainz sichtbar wird und
das auch in vielen anderen Bereichen in einer unglaublichen Art diese Stadt
lähmt und diese Stadt insbesondere im Sozial- und Gesundheitsbereich nicht
lebenswert macht. Insofern ist die Aussage des Vizebürgermeisters, Wien werde
auch weiterhin seine bewährte Politik fortsetzen, keine Verheißung, sondern
eine Drohung.
Nicht
betrifft das einen Punkt, und den möchte ich jetzt zu Beginn nur ganz kurz
zurechtrücken: Natürlich ist der Hauptgrund dessen, dass in Wien die
Arbeitslosigkeit steigt, dass in Wien auch im Integrationsbereich vieles falsch
funktioniert, in einer verheerenden Politik der Bundesregierung zu suchen.
Hier
vorweg nur – da sich die Reihen bei der SPÖ völlig lichten, denn wenn es um
Kritik geht, ist man schnell weg; das ist ein Hauptproblem, aber zum Glück gibt
es noch freie Medien, die darüber berichten –: In einem einzigen Bereich möchte
ich auf die ÖVP eingehen, weil es die Wiener ÖVP betrifft. Wenn die Kürzungen
im Bereich der Wiener Polizei, die alle als falsch bezeichnen, dazu führen,
dass sich der, der hauptverantwortlich für die Kürzungen ist, nämlich der
Innenminister, mit dem Kollegen Ulm herstellt und sagt, wir brauchen in Wien
eigentlich eine Privatpolizei (GR Dr
Matthias Tschirf: Stadtpolizei!) – eine Stadtpolizei –, dann zeigt das, wie
verheerend sowohl die Politik des Innenministers Strasser, aber auch der Wiener
ÖVP ist, die offensichtlich kein Interesse daran hat, die Situation in Wien zu
verbessern, sondern nur Steigbügelhalter der Politik einer Bundesregierung ist,
die längst die Unterstützung der Öffentlichkeit verloren hat. Also allein
diesen Punkt möchte ich erwähnen, weil auch die Wiener ÖVP, weil Kollege Ulm
hier mitgespielt hat.
Ansonsten
möchte ich aber nicht umfassend auf das eingehen, was ausschließlich die
Argumentation der SPÖ ist: Der Bund ist schuld, der Bund ist schuld!, sondern
auf das eingehen, wofür Wien Eigenverantwortung trägt. Ich bin froh, dass
jetzt ... Nein, die Frau Pittermann ist nicht mehr da. Einmal mehr. Man
darf es ja sagen. Zumindest ist Frau Neck-Schaukowitsch da. Ich würde Ihnen
empfehlen, dazubleiben, ich werde mich nämlich ein paar Mal auf Sie beziehen.
Zumindest der Kollege Rieder kann nicht weggehen (Heiterkeit bei den Grünen), und mit dem möchte ich eigentlich
beginnen in der Diskussion um Lainz. Sicherheitshalber schaue ich, ob er sich
vertreten lässt. Sicher ist sicher. Ich drehe mich um. Ja, man muss sich
umdrehen bei der Wiener SPÖ.
Was ist das eigentlich so Empörende, was so viele
nicht verstehen? Wenn jetzt im Untersuchungsausschuss mit einer gewissen
Zerknirschung auch die Gesundheitsstadträtin sagt, diese Achtbettzimmer sind
eigentlich wirklich erschreckend, die sind wirklich nicht zeitgemäß, wir haben
aber hier ohnehin vieles andere, dann muss man aber auch den Dr Rieder
fragen: Wie lange war Ihnen das bekannt? Wie lange wurde hier geleugnet? Warum
haben Sie – ich frage Sie als ehemaligen Gesundheitsstadtrat und ich frage Sie
als Finanzstadtrat – diese Missstände nicht abgestellt?
Ich kann mich erinnern, da bin ich dort hinten
gesessen in der ersten Periode und hier heraußen stand GR Margulies, der GR
Schani Margulies, und hat als Gesundheitssprecher die Achtbettzimmer
angeprangert. Das ist jetzt mehr als zehn Jahre her, und von all diesen Dingen,
von all dem Verheerenden – das ist es, was ich der SPÖ einmal mehr vorhalten
muss – haben Sie gewusst. Und was haben Sie getan?
Ich frage das nicht zuletzt angesichts der Tatsache –
es wäre ja etwas anderes, wenn man sagen könnte, dass kein Geld da ist, dass
Wien eine arme Stadt ist, wir können uns halt nicht mehr leisten, wir können
uns halt nur Achtbettzimmer leisten, tut uns Leid, wir müssen sparen –, dass
eine inhumane Unterbringung in einem Achtbettzimmer in Lainz oder in einer
anderen dieser inhumanen Einrichtungen – ich kann die Zahl nicht oft genug
sagen – pro Person 4 000 EUR im Monat kostet. 4 000 EUR im
Monat!
Auf den Punkt festgemacht: Inhuman, menschenunwürdig
und extrem teuer – das ist Gesundheits- und Sozialpolitik der Wiener SPÖ.
Wäre es nicht gelungen, daraus eine öffentliche
Debatte zu machen, käme einmal mehr, sogar nach Aufkommen des Skandals, eine
Frau Neck-Schaukowitsch hier heraus und erklärte angesichts der Zustände, die
in ihren eigenen Sektionen Empörung hervorgerufen hat, die so viele Menschen
nicht verstehen, wie super Wien ist, was nicht alles gemacht wurde, was es
nicht alles gibt. Also völlig teflonartig.
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