Gemeinderat,
35. Sitzung vom 24.11.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 10 von 134
entscheidende Verbesserungen herbeigeführt hat. So sind die
Beschäftigungszahlen in Forschung und Entwicklung seit 1995 um 80 Prozent
gestiegen, die in den Datenverarbeitungen und Datenbanken um 158 Prozent, in
unternehmensbezogenen Dienstleistungen - ein Riesenbereich auch quantitativ -
um 63 Prozent und im Gesundheitswesen, liebe Kollegin Pittermann, um 25
Prozent.
Jetzt sage ich auch dazu mit allem Nachdruck: Das
ändert allerdings nichts an der generellen Arbeitsmarktlage in Gesamtösterreich
und auch im Besonderen in Wien. Die triste Situation am Arbeitsmarkt ist ein
österreichisches Phänomen und schlägt leider voll und ganz auf Wien durch. Die
Arbeitsmarktdaten im Oktober haben das leider einmal mehr bestätigt.
Und ich möchte jetzt vier Gründe nennen, meine sehr
geehrten Damen und Herren, warum sich die Arbeitsmarktproblematik in Wien
besonders auswirkt, ja auswirken muss.
Der erste Punkt ist, der Wiener Arbeitsmarkt ist ein
bundesländerübergreifender Arbeitsmarkt, ein offener Arbeitsmarkt.
30 Prozent der in Wiener Betrieben Beschäftigten haben ihren Wohnsitz in
einem anderen Bundesland. Das ist nicht nur für die Aufteilung der Budgetmittel
- der horizontale Finanzausgleich nach der Einwohnerzahl - ein Problem, nicht
nur ein Problem unter dem Titel Fremd- oder Gastpatienten, sondern es bedeutet,
meine sehr geehrten Damen und Herren, dass die Wohnsitzbundesländer ihre
Arbeitslosigkeit teilweise statistisch nach Wien exportieren, denn jeder Wiener
Arbeitsplatz wird statistisch zu einem Drittel mit einem Nichtwiener geteilt.
Zweiter
Punkt: Ein Viertel aller Lehrlinge, die in Wien ausgebildet werden, wohnen
nicht in Wien. Das verschärft die Jugendarbeitslosigkeitsproblematik für die
Wienerinnen und Wiener, weil auf drei Wiener Bewerber um einen Lehrlingsplatz
kommt schon einer, der nicht in Wien wohnt und lebt, sondern aus einem anderen
Bundesland kommt.
Drittens, Wien ist als Bundeshauptstadt das Zentrum
der Bundesdienststellen. Das war zweifellos früher beschäftigungspolitisch ein
Vorteil und ist jetzt ein Nachteil. Ich habe die Zahlen selbst nicht geglaubt
und zweimal hinterfragt. 75 Prozent, drei Viertel der
Beschäftigungsverluste in den letzten acht Jahren, also 17 000 von 25 000,
werden in Wien durch den Beschäftigungsabbau in den öffentlichen Verwaltungen
und öffentlichen Unternehmungen verursacht. Also drei Viertel des
Beschäftigungsabbaus den wir beklagen, ist ausschließlich auf den Bereich
öffentliche Verwaltung zurückzuführen. Und die Beschäftigungsverluste aus der
öffentlichen Verwaltung können durch Beschäftigungsgewinne im Strukturwandel
nicht wettgemacht werden, und können nicht wettgemacht werden durch die
Wirtschaftsförderung, und können nicht wettgemacht werden durch beschäftigungswirksame
Maßnahmen.
Würde man diese Beschäftigungsverluste aus der
öffentlichen Verwaltung herausrechnen, dann wäre die Bilanz der
Beschäftigungsentwicklung in Wien positiv. Man muss das sehen. Das ist jetzt
nicht mit einem wie immer gearteten Vorwurf verbunden, sondern es ist es eine
Klarstellung was es bedeutet, wenn in einem Teilbereich, nämlich der
Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung, durch einen geraumen Zeitraum ein
derart dramatischer Abbau an Beschäftigungsmöglichkeiten stattfindet.
Wir können das zwar qualitativ ausgleichen, aber
sicherlich nicht quantitativ. Qualitativ, damit meine ich, dass Wien auch
weiterhin als Bundesland Spitzenreiter in der Kaufkraft und im Lohnniveau ist,
während andere Bundesländer deutlich nachhinken. Das wäre ja auch, wenn das
auch qualitativ bei diesen Beschäftigungsverlusten eine Einbuße wäre, anders,
aber in dem Fall gelingt es uns zwar qualitativ, aber nicht quantitativ, die
Verluste abzubauen, die sich gerade im Bereich der öffentlichen Verwaltung ergeben.
Was kann man jetzt dagegen tun?
Beschäftigungspolitisch kann das zweifellos nur durch eine massive
Bildungsoffensive ausgeglichen werden. Ich glaube, dass es auf allen Ebenen
notwendig ist, sich anzustrengen, um den Standard durch hochqualifizierte
Mitarbeiter auszugleichen. Es wird uns das sonst quantitativ nicht so leicht
gelingen. Das gilt auch für die Ausbildung der Facharbeiter und führt zu dem
schon seit einigen Jahren immer ernster zu nehmenden Thema der Frage der
Lehrlingsausbildung.
Das ist ein zentraler Punkt für die Frage, wie wir
unseren Standort halten und entwickeln können aus der beschäftigungspolitischen
Sicht.
Der zweite Punkt ist wirtschaftspolitischer Art. Was
können wir von der Wirtschaftspolitik her tun? Ich denke, dass es hier
notwendig ist, in den kommenden Jahren stärker noch als bisher den
überstädtischen regionalen Aspekt zu sehen, da die Wettbewerbssituation nicht
mehr von Stadt zu Stadt besteht, sondern in Wirklichkeit von Region zu Region
und dass wir, so wie es auch etwa die Industriellenvereinigung sieht, diese
Chance die in der wirtschaftspolitischen Achse Bratislava – Wien, durch das
Naheverhältnis existiert, sehr rasch und voll nützen. Also ich glaube, dass man
die Situation nicht so apathisch hinnehmen muss, aber dass uns klar sein muss,
ein derartiger Strukturwandel geht nicht von heute auf morgen, ist aber
bewältigbar.
Ich kann es nicht verschweigen, auch wenn ich jetzt
sozusagen nicht darauf aus bin die Bundespolitik zu kritisieren, aber, (GR
Mag Hilmar Kabas: Wettbewerb!) der Klubobmann Kabas muss offenbar mehr
wissen von der Regierungspolitik der Bundesregierung, weil er offenbar schon
weiß, wie viel da zu kritisieren ist, weil sonst könnte er ja meine
Zurückhaltung in der Frage nicht mit solcher Freude zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPÖ - GR Mag Hilmar Kabas:
Aber Deine Klagerede ist ja darauf aufgebaut!) Aber nach Deiner Beförderung
in die Ebene eines Koordinators auf der Landesebene mit der Bundesregierung
verfügst Du offenbar über mehr Wissen als wir haben, was da alles passiert und
fehl läuft, (GR Mag Hilmar Kabas: Was Du
alles zusammenphantasierst!) ich kann es aber nicht belegen. Angesichts der
schwierigen Situation am Arbeitsmarkt
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