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Gemeinderat, 33. Sitzung vom 25.09.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 75 von 102

 

Vorsitzende GRin Josefa Tomsik: Als Nächste zum Wort gemeldet ist Frau GRin Korosec. Ich erteile ihr das Wort.

 

GRin Ingrid Korosec (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Frau Vorsitzende! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Stadträtin!

 

In dem Dringlichen Antrag geht es um eine Milliarde mehr für den städtischen Pflegebereich. Diese Forderung ist nicht Jux und Tollerei, sondern diese Forderung ist richtig und notwendig und wird hoffentlich auch realisiert werden! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

 

Frau Stadträtin! Eigentlich müssen alle Wienerinnen und Wiener Angst vor einem langen Lebensabend haben. Wenn gestern Herr GR Chorherr hier eher humoristisch ausgeführt hat, wie er daran denkt, dass er älter wird, so muss ich sagen, hat das einen sehr, sehr ernsten Hintergrund. Sie aber, Frau Stadträtin, ignorieren es! Denn der aktuelle Zustand - ich meine, das hört sich jetzt sehr zynisch an, aber der aktuelle Zustand ist ja fast paradiesisch, wenn man daran denkt, wie die Situation in 20 Jahren sein wird, wenn sich so viel tut, wie sich in den letzten 20 Jahren getan hat. Dann, so muss ich Ihnen sagen, werden die Wienerinnen und Wiener besonders arm, und das sind Leute, die heute 40, 50, 60 Jahre alt sind! (Beifall bei der ÖVP. - GR Dipl Ing Martin Margulies: Waren Sie jemals in einer Stadtregierung ...?)

 

Die Zahl der Hochaltrigen wird sich in den nächsten 25 Jahren verdoppeln. Wir wissen, dass heute 1,6 Milli-onen Menschen über 60 Jahre alt sind. Im Jahr 2030 werden das 2,7 bis 3 Millionen Menschen sein, ihr Anteil wird sich also auch fast verdoppeln. Österreich ergraut daher, und bei den Wiener Zuständen kommt mir jetzt auch das Grauen. (GR Dipl Ing Martin Margulies: Vor drei Jahren waren Sie in der Stadtregierung!) Die geriatrische Pflege wird an Quantität sehr stark zunehmen, und da muss eben vorgesorgt werden. Aber auch die Qualität muss stark geprägt werden, vor allem durch den politischen Willen, und dazu muss Geld in die Hand genommen werden. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Aber erlauben Sie mir auch einige Worte zur Hochaltrigkeit, zur Abhängigkeit, zur Hilflosigkeit und zur Pflegebedürftigkeit. Die Hochaltrigkeit wird sich in den nächsten 25 Jahren verdoppeln. Das heißt, wir werden älter und bleiben länger gesund, aber wir bleiben dann auch länger krank. Wobei alle Maßnahmen zu unterstützen sind, Prävention und so weiter - aber trotzdem werden wir auch länger krank bleiben!

 

In unserer Gesellschaft gilt heute eigentlich alles, was jung ist, was fit ist, was anpassungs- und konsumbereit ist, und so wird der gesamte Alltag des modernen Menschen von Sehnsüchten und Verhaltensweisen durchzogen, die keinerlei Berücksichtigung des Alters, vor allem des hohen Alters, enthalten. Wie kann unter solchen Bedingungen Respekt, Mitleid, Hilfsbereitschaft gegenüber den Alten entstehen?

 

Mit einem Wort, wir haben eine sehr geringe gesellschaftliche Altenfreundlichkeit. Da geht es jetzt wieder um diese Grundsatzdiskussion, und da ist eben die Politik so gefordert. Wie viel ist der Gesellschaft der alte, der pflegebedürftige Mensch wert? Ich wiederhole mich da, das habe ich schon gesagt: Genügt es, wenn inmobile Menschen in Massenquartieren in ihrem Bett satt, warm und sicher aufbewahrt werden?

 

Der Skandal, den wir jetzt erleben, zeigt uns, dass nicht einmal das der Fall ist. Denn heute werden sie dort nicht einmal (...) satt, warm und sicher aufbewahrt. Ich hoffe sehr, dass wir uns alle darüber einig sind - und ich bin überzeugt, dass wir uns da einig sind -, dass das zu wenig ist, dass wir alles unternehmen müssen, um das zu ändern. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, Zeitmangel ist Liebesmangel. Ein Altenpfleger hat gesagt: Füttern und Hintern putzen allein ist zu wenig, der Mensch hat auch eine Seele! - Und die Seele von allein stehenden Heimbewohnern verwahrlost heute schon, meine sehr geehrten Damen und Herren.

 

Frau Stadträtin! Es ist fünf Minuten nach zwölf! Die Altenpflege der Zukunft braucht dringend ein Bildungskonzept, ein Strukturkonzept, ein PR-Konzept.

 

Was das Bildungskonzept betrifft - ich möchte jetzt nicht auf Details eingehen, denn wir haben gestern bereits sehr ausführlich über dieses Thema diskutiert und meine beiden Vorrednerinnen sind dankenswerterweise sehr ins Detail eingegangen -, so glaube ich, dass es ganz wichtig ist, dass das Motto "Aufstieg statt Ausstieg" lauten muss. Es müssen viele Modelle geboten werden, auch job rotation ist ganz entscheidend, denn man kann nicht sein ganzes Leben lang bei solch einer schweren Arbeit tätig sein. Hier muss es andere Möglichkeiten geben, und hier muss es vor allem sehr viel an Aufstiegsmöglichkeiten geben. Das Bildungskonzept, meine Damen und Herren, ist die Basis, auf der die gesamte Gesundheitsversorgung ruht.

 

Und zum Zweiten, zum Strukturkonzept: Seit dem Lainz-Skandal 1989 haben sich die Strukturen - auch wenn Sie immer beteuern, es habe sich so viel geändert - viel zu wenig geändert. Daher: Abschaffen der Sechs- bis Achtbettzimmer, maximal Zwei- bis Dreibettzimmer, Einrichten von altengerechten betreuten Wohneinheiten, wo auch Wege in die Natur und Pflege im Garten möglich sind, Pflege vor Ort – diese ist ganz entscheidend! -, Nachbarschaftshilfe mit professioneller Hilfe gekoppelt, Hospizplätze mit dazugehörigen Strukturen – das System "Drehscheibe der Menschlichkeit" ausbauen. Das halte ich auch für ganz wesentlich. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Frau Stadträtin! Ich wünsche mir auch eine Befragung der Wiener Bevölkerung und vor allem der 50- bis 60-Jährigen: Wie wollen Sie im Alter leben? Wie wollen Sie im Alter wohnen? - Und auf Grund dieser Befragung kann man sich dann auch bei der Bautätigkeit darauf einstellen.

 

Weiters: Auch die häusliche Betreuung ist sicherzustellen. Familiengesundheitsschwestern zur Unterstützung von Angehörigen in der Altersversorgung sind auch etwas ganz Wesentliches. All das ist nur in Ansätzen vorhanden.

 

Dass ein PR-Konzept notwendig ist, das haben, glaube ich, Sie gesagt, Frau Stadträtin, und das ist

 

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