Gemeinderat,
33. Sitzung vom 25.09.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 69 von 102
herrscht, endlich wieder überwunden werden kann. Man
wird über die völlige Neuordnung des Gesundheitswesens und Sozialbereiches in Wien
diskutieren müssen.
Dass es sich hier um dramatische Dinge handelt,
möchte ich anhand von einigen Zitaten belegen. Wir müssen heute in einer
Tageszeitung lesen: "Die Altenpflege - selbst ein Pflegefall".
"Der Skandal daran ist vor allem, dass ein jahrelang bekannter Zustand so
spät ans Licht der Öffentlichkeit gerät", schreibt ein Arzt, der selbst
damit zu tun hat.
Wir wissen und haben gestern gehört, dass wir im
Jahre 2005 - das muss man sich vorstellen, 2005, in zwei Jahren! - in Wien
zusätzlich 4 000 Personen haben werden, die pflegebedürftig sind, und
dass wir zusätzlich zum jetzigen Bedarf 2 400 Personen beim
diplomierten Pflegepersonal brauchen werden. Da muss man eigentlich sagen, es
ist ganz dringend, dass hier eingehend diskutiert wird und dass endlich
Maßnahmen getroffen werden.
Der Stillstand dieser Weiterentwicklung ist vor allem
bei den politisch Verantwortlichen zu sehen. Denn viele, die mit der
Altenpflege zu tun haben, die in den Geriatriezentren arbeiten, haben seit
Jahren darauf aufmerksam gemacht, welche Zustände dort herrschen, haben seit
Jahren Forderungen gestellt, haben seit Jahren auch Lösungsansätze gebraucht.
Unabhängig davon möchte ich vorstellen, dass auch
hier vielfach diskutiert wurde. Frau StRin Landauer hat gestern allein unsere
freiheitlichen Initiativen des Gesundheitsausschusses im Sachen Pflegeheime
zitiert, und ich möchte das jetzt wiederholen: Wir hatten seit 1989 2 Dringliche, 1 Initiativantrag,
5 Beschlussanträge, 12 mündliche Anfragen, 21 Anträge und
60 Anfragen zu diesem Thema gestellt. Jetzt stehen wir vor der Situation,
dass vieles von dem, was von uns eingefordert worden ist, nicht zur Kenntnis
genommen wurde. Aber gestern wurde es teilweise doch zum Beispiel in der
Mitteilung von Frau StRin Pittermann aufgegriffen, und jetzt wird es vielleicht
verwirklicht werden.
Meine Damen und Herren! Ich habe gesagt, es gibt im
Bereich der Wiener Spitäler-Geriatriezentren genügend Menschen, die sich mit
der Weiterentwicklung beschäftigt haben. Da möchte ich gleich anfangs sagen,
wir haben gestern davon gesprochen, dass eine grundlegende Diskussion notwendig
ist. Ich möchte Professor Erwin Böhm zitieren, der ja hier in Wien, wie wir
unter Anführungszeichen sagen, der "Pflegepapst" ist. Er schreibt:
"Ich möchte um mein Geld und das des Staates rehabilitiert und nicht
aufbewahrt werden." Und er schreibt weiter: "Ich bin seit
40 Jahren Pflegeforscher, durch mein eigenes Alter auch schon selbst
Betroffener und Zeitzeuge der Pflege, und weiß damit mit Sicherheit: Ich will
nicht so gepflegt werden, wie heute im europäischen Raum gepflegt wird. Ich
möchte um mein Geld und das des Staates rehabilitiert und nicht aufbewahrt
werden." Er schreibt dann noch: "Es werden heute Kriminelle und
Süchtige rehabilitiert, nur die Alten nicht."
Unabhängig davon spricht er darüber, wie dramatisch
und wie schwierig es für jene Menschen ist, die in der Pflege tätig sind. Er
schreibt: "Diese Menschen sind physisch und psychisch enorm beansprucht
und erhalten meiner Meinung nach zu wenig Anerkennung." - Wie wahr!
Es ist aus dem Bereich der Pflegeheime das eine oder andere
gekommen und auch festgestellt worden. Ich darf hier wiederum zitieren, und
zwar aus einer Ausarbeitung "Standortbestimmung Pflege": "Wir
erwarten von gesundheitspolitischen Entscheidungsträgern: Stellen Sie sich mit
uns gemeinsam an die Seite der alten Menschen! Hören Sie auf uns Fachleute!
Diskutieren Sie in Zeiten von knappen Ressourcen nicht nur über den Preis,
sondern auch über den nachhaltigen Wert!"
Eine bekannte Oberin sagt, dass es eine Vielzahl von Problemen
gibt und dass heute nur die wichtigsten konzentriert aufgezeigt werden können:
"Wichtig ist Hilfe von außen und rechtliche Klarstellung." De jure
sei man Beherbergungsbetrieb, de facto arbeite man mit hoch qualifizierten
Mitarbeitern. Es besteht daher der dringende Wunsch nach einem eigenen
Pflegeheimgesetz. Ein weiteres Problem liegt in der Ausbildung des
Pflegepersonals. Die jungen Menschen können sich nicht vorstellen, über längere
Zeit in der Altenpflege zu arbeiten. Man sollte daher auch Pflegehelfern den
zweiten Bildungsweg ermöglichen, und so weiter.
Eine andere Oberin, die in einem Wiener Pflegeheim
tätig ist, schreibt und erklärt bezüglich der Standards, dass eine
Reorientierung stattfindet und die Klienten und deren Angehörigen über Angebote
informiert werden müssen. Transparenz muss vorherrschen, es soll ein
Mustervertrag mit Checkliste für alle Angebote aufgelegt werden. Es würde eine
Veränderung der Einrichtungen bereits bei der Planung berücksichtigt werden.
Qualitative Standards müssen geschaffen werden, sowohl Einrichtung als auch
Personal. Qualitätssicherung muss für alle Menschen stattfinden.
Es gibt auch ein Papier "Gesundheitsplanung im
Bereich der Pflegeheime", in dem unter anderem Folgendes gesagt wird - es
wird ein Maßnahmenprogramm vorgeschlagen -: "Bedarfsgerechtes Angebot an
Wohn- und Pflegeplätzen, bedarfsgerechtes Angebot an qualifiziertem Personal,
Sicherung der baulich-räumlichen Standards, Qualitätsentwicklung, System der
Finanzierung."
Man könnte hier noch viele andere zitieren, die sich
mit den Problemen beschäftigt haben und auch versucht haben, Lösungen
aufzuzeigen. Ich möchte daher auch Frau Dr Rosenberg-Spitzy zitieren; sie sagt:
"Durch den Umbau in kleinere Einheiten zur Wahrung der Menschenwürde des
Patienten muss jedoch mit einer Bettenreduktion bis zu 50 Prozent
gerechnet werden."
Man sieht, dass hier schon viel diskutiert worden
ist, dass schon viel aufgezeigt worden ist, dass aber von der politischen
Führung leider nichts gemacht worden ist und es zugedeckt worden ist!
Wenn ich mir vorstelle, dass wir gestern unter anderem auch
über die baulichen Einrichtungen gesprochen haben - unter anderem wurde davon
gesprochen, dass diese Sechs- bis Achtbettzimmer noch vorhanden sind
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