«  1  »

 

Gemeinderat, 33. Sitzung vom 25.09.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 22 von 102

 

bekommen, nicht gelesen. Es schaut natürlich anders aus. Die meisten Leute, die dort hinrennen, kriegen keineswegs die Mieten einfach bezahlt, sondern da geht es um ganz etwas anderes. Das kann man Ihnen in fünf Minuten nicht erklären. Aber lesen Sie die Berichte, die Ihnen von der Volkshilfe beziehungsweise von FAWOS zugestellt werden!

 

Tatsache ist, dass bei FAWOS die Wohnungssicherung – so heißt der Fachausdruck -, also das Gegenteil einer Delogierung, in 75 Prozent der Fälle erfolgreich ist. Es ist natürlich nicht so, dass sich in der Stadt Wien sonst niemand darum kümmert. Die MA 11 und die MA 12 kümmern sich ebenfalls darum, in erster Linie um den Gemeindebau: die MA 11 um die Gemeindebau-MieterInnen, die von Delogierung bedroht sind und Kinder haben, die MA 12 um die anderen. Und das ist auch gut so, dass man das macht. Aber es steigen die Delogierungen jährlich an, und es schaut auch nicht so aus, als ob das geändert werden würde. Die Anträge für Räumungsklagen sind heuer wieder – die Zahl stammt von Wiener Wohnen - um 7,7 Prozent gestiegen, die Delogierungsanträge um 3 Prozent. Wenn man das so fortsetzt, dann gibt es am Ende - wann immer das sein wird - der Ressortleitung Faymann nicht ein Plus von 80 Prozent, sondern eine Verdoppelung oder Verdreifachung. Das kann niemand wollen, und ich glaube auch nicht, dass es irgendeiner in diesem Haus haben will.

 

Was kann man jetzt dagegen unternehmen, dass das laufend ansteigt? Mit der Frage, wer an den Rahmenbedingungen schuld ist, möchte ich mich gar nicht lange aufhalten. Na von mir aus: Die Rahmenbedingungen haben sich verschlechtert. Schade! Aber wo ist das Gegenkonzept der Stadt Wien? Statt sich hier ans Rednerpult zu stellen und zu sagen: Wir haben die glücklichsten Obdachlosen Europas, die sind ganz zufrieden!, sollte man sich hier herstellen und sagen: Wir machen etwas!, zum Beispiel einen Ausbau von FAWOS. Warum gibt es da nicht mehr davon? Da arbeiten 14 Leute mit Kosten von 1,4 Millionen EUR jährlich, und das ist wesentlich sinnvoller als das, was Sie betreiben; Kollegin Susanne Jerusalem hat es Ihnen vorgerechnet. Auch das könnten Sie selbst nachlesen, wenn Sie sich die Mühe machen würden. Eine Delogierung kostet achtmal so viel Geld, und der Unterschied zum Privaten ist: Das zahlt auch die Stadt Wien! Wir zahlen die Delogierung - oder wir zahlen die Delogierungsprävention. Das sind die zwei Möglichkeiten, die man als öffentliche Hand hat. Wenn nun eine dieser beiden Varianten billiger und sozialer ist, dann fällt die Entscheidung eigentlich nicht schwer. Es wundert mich, dass die SPÖ damit Schwierigkeiten hat.

 

Was wahrscheinlich notwendig wäre, ist, dass die Finanzierung der Delogierungsprävention nicht ausschließlich von der MA 11 und der MA 12 erfolgt, sondern dass Wiener Wohnen hier auch in die Verantwortung genommen wird und das mitbezahlt, denn dann wäre ein ressortübergreifendes Denken möglich, und dann würde auch Wiener Wohnen ein Interesse daran haben. Denn im Moment ist es tatsächlich so, dass jede Delogierung für Wiener Wohnen ein Gewinn ist; für die öffentliche Hand natürlich nicht, weil es die MA 11 und die MA 12 bezahlen. Wenn wir Wiener Wohnen in die Verantwortung nehmen, dann haben wir auch die Kosten bei Wiener Wohnen, und dann schaut es ganz anders aus. Ich bin auch sicher, dass spätestens dann ein Umdenken in diesem Ressort beginnt und die Delogierungsprävention ausgebaut wird.

 

Vorsitzende GRin Josefa Tomsik (unterbrechend): Herr GR Ellensohn, darf ich Sie bitten, zum Schluss zu kommen!

 

GR David Ellensohn (fortsetzend): Ganz kurz noch zu der von uns genannten Zahl: 1 233 Wohnungen waren letztes Jahr delogierungsbedroht. Das hochgerechnet - was üblich ist, was FAWOS und andere Stellen auch machen - mit mal 2,4 – also nicht sagen, das seien irgendwelche Phantasiezahlen! - macht 2 959. Das sind um 41 weniger als die von uns genannten 3 000 - die schenken wir Ihnen gerne! Dann sind wir eben bei 2 959 Delogierungen – Anzahl steigend. Ihre Prognose für heuer heißt dann: Heuer garantiert mehr als 3 000 Personen delogiert von Wiener Wohnen.

 

Das ist nicht die Art der Politik, die wir von einem sozialen Wohnbau erwarten. Das ist nicht das, was wir von Wiener Wohnen insgesamt erwarten. Das ist ein weiterer Akt von Sozialabbau - das haben wir jetzt drei Tage lang gehört, und das ist ein weiterer Höhepunkt!

 

Ich hoffe, dass die zweite Rednerin von den Sozialdemokraten ein Gegenkonzept bringt und nicht gutheißt, dass es so ist, und uns wieder das Märchen von den zufriedensten Obdachlosen Europas erzählt. - Danke. (Beifall bei den GRÜNEN. – GR Dr Kurt Stürzenbecher: Was sagen der Kerbler und der Strobl dazu?)

 

Vorsitzende GRin Josefa Tomsik: Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr GR Mag Gerstl. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass ich bei jedem eine Toleranzgrenze habe - und bei den GRÜNEN war sie jetzt größer als bei den anderen. (GR Dr Herbert Madejski: Warum eigentlich?)

 

GR Mag Wolfgang Gerstl (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Nach den vergangenen beiden Tagen sprechen wir nun über das dritte Ressort, bei dem es um die Kernkompetenzen der Gemeinde geht - die Kernkompetenzen der Gemeinde, den sozial Schwachen zu helfen. Die Bereiche Gesundheit, Soziales und Jugend, Integration ebenso wie auch Wohnungsversorgung sind wesentliche Voraussetzungen, um den Ärmsten der Armen zu helfen. Nach unserer Bundesverfassung ist es ganz klar, dass diese Aufgaben den Ländern und dann den Gemeinden zukommen. Es gibt, was diese Aufgaben betrifft, gemäß der österreichischen Bundesverfassung keine Zuständigkeit des Bundes. Daher ist es auch so ein klarer Bereich, wo wir klar über die Kompetenzen reden können und über die Unterschiede, die in den vergangenen Jahren entstanden sind.

 

Mehr als zwei Drittel des Gesamtbudgets macht dieser Sozialbereich aus.

 

Aber wir haben auch im Wohnungsbereich

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular