Gemeinderat,
32. Sitzung vom 24.09.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 61 von 63
hätte mich im Grunde überrascht. (GRin Dr
Elisabeth Neck-Schaukowitsch: Das stimmt doch nicht!) Es ist noch immer
nichts geklärt. Eigentlich war festgelegt, dass das Preyer'sche in einer
abgespeckten Version in das KFJ übersiedelt, aber so scheint es offensichtlich
nicht zu sein. Man sollte auch mit den Mitarbeitern dort reden, weil diese
haben die Verunsicherungen, tragen diese Verunsicherungen an uns heran und
fragen uns und mich, wie es dort weitergeht. Ich kann die Frage nur
zurückgeben: "Fragt nach bei der Gewerkschaft oder im Stadtratbüro, beim
Abgeordneten. Ich kann es nicht beantworten." Aber es gibt diese
Bedürfnisse nach Antworten, nach klaren Linien.
Auch in der Semmelweis-Klinik sind die Leute
ungeheuer frustriert. Die Besten wandern ab und es tritt das ein, was wir
vorausgesagt haben. Das Spital wird heruntergefahren, und zwar zu sehr hohen
Kosten.
Wir haben eine Situation, dass in der Legistik nichts
weitergegangen ist. Wir warten. Es ist nur eine Verordnung, auf einen
Krankenanstaltenplan, der uns schon weiß Gott wie oft angekündigt worden ist.
Vom Pflegeheimgesetz rede ich gar nicht. Dazu darf ich zitieren. Im
Jahr 1989 hat Claus Pandi im Gefolge des ersten Lainz-Skandals ein Buch
herausgegeben, in dem mehrere Autoren geschrieben haben, unter anderem auch
Erhard Busek. Daraus zitiere ich ihn mit folgendem Satz: "So gibt es zum
Beispiel kein Gesetz, das die Führung entweder von privaten oder von
öffentlichen Altersheimen regeln würde. Diese befinden sich also im quasi
rechtsleeren Raum, sind daher unkontrolliert und auch unkontrollierbar." –
Zitat Ende, 1989. Wir haben 2003. Alle paar Monate hören wir, dass das
Pflegeheimgesetz kommen wird.
Ich würde sagen, jede Krise ist auch eine Chance. Der
einzige Vorteil der Situation, die wir jetzt haben, ist, dass Sie, Frau
Stadträtin, selbst mit Ihrer absoluten Mehrheit kein zahnloses Pflegeheimgesetz
hier präsentieren und beschließen werden können, da es momentan offensichtlich
noch immer in der Pipeline ist. Die Medien, die mittlerweile aufgewacht sind
und die Situation registriert haben, werden nicht akzeptieren, dass wir in Wien
ein Pflegeheimgesetz bekommen werden, wo praktisch nichts geregelt ist, worin
keine Standards in baulicher Hinsicht stehen, wo keine Qualitätsvorgaben in
personeller, in Qualifikationshinsicht gegeben sind und wo auf eine Verordnung
verwiesen wird, die wir noch nicht kennen und wo ich befürchte, dass die Dinge
nicht geregelt sind oder nicht so geregelt sind, wie wir es uns wünschen, etwa
zum Beispiel in der Frage der Standards von Ein- und Zweibettzimmern und nicht
von Mehrbettzimmern und dass man so etwas nicht ad infinitum tolerieren kann.
Das Einzige, das offensichtlich noch gelingt, ist ein
Landessanitätsratsgesetz, auf das wir alle wie auf einen Bissen Brot gewartet
haben. Ich respektiere auch den prächtigen Kotau, den Sie als Ärztin vor Ihren
Kollegen machen, weil die wesentlichste Änderung in diesem Gesetz besteht
darin, dass es zu einer Verdoppelung des Gremiums kommen wird, nämlich des
Landessanitätsrats.
Es ist offensichtlich, dass Sie für die wirklichen
Probleme in Ihrem Bereich, aus welchen Gründen auch immer, keine Zeit oder
keine Hinwendung finden! Sie stehen heute, Frau Stadträtin, vor dem
Scherbenhaufen Ihres aktiven Nichtstuns! Jeder Gesundheitspolitiker, zum Teil
haben wir das heute in dieser Stadt ausgesessen, könnte lange, wahrscheinlich
stundenlang, darüber reden, was alles versäumt wurde! Ich denke, die
gravierendste Fehlleistung – das ist heute schon wiederholt angesprochen worden
– ist wohl, dass Sie den Wiener Pflegeheimplan, der Ihnen vor zwei Jahren
vorgelegt wurde, praktisch offenkundig – jedenfalls für uns – ignoriert haben
und er nunmehr seit zwei Jahren in Schubladen verrottet. Ihr Vorgänger hat ihn
in weitsichtiger Weise in Auftrag gegeben, weil er offensichtlich zu den
altmodischen Menschen gehört, die auf Grund von Expertisen Pläne entwickeln
wollen. Das Pech war nur, dass der Plan erst während Ihrer Amtszeit fertig
geworden ist und Sie von Plänen nicht sehr viel halten, wie Sie mir erst
kürzlich in einer Anfragebeantwortung mitgeteilt haben. Aber es kann auch sein,
dass Sie die Ergebnisse so geschreckt haben, dass Sie dermaßen abgeschreckt
waren und gleich beschlossen haben, nichts zu tun und diesen Bericht
wegzusperren.
Aber wie so oft im Leben
wird man von der Realität eingeholt. Frau Dr Pittermann, darin stehen Zahlen,
die ich noch einmal komprimiert zusammenfasse. Das kann man auch bei aller
Fähigkeit zur Dialektik, Rudi Hundstorfer, nicht wegdiskutieren. Auf der
Datenbasis 1999/2000 wurden zwei Planungshorizonte herausgearbeitet: 2005 und
2010. Der Bericht – ich wiederhole – ist zwei Jahre alt. Darin steht im
Wesentlichen, dass wir 2005 4 000 zusätzliche Pflegeheimplätze brauchen
werden, dass wir mit Investitionen zwischen 60 und 340 Millionen EUR
rechnen müssen, dass uns in der Pflege 2005 4 000 Personen fehlen
werden, davon rund 2 400 diplomierte Pflegepersonen, dass wir gegenwärtig
nur 25 Prozent der benötigten Therapeuten, Physiotherapeuten,
Ergotherapeuten und Logopäden, haben und dass Sie mit zusätzlichen jährlichen
Personalkosten von 130 bis 140 Millionen EUR rechnen müssen.
Ich weiß schon, das ist ein heftiger Tobak, aber es ändert
nichts an der Situation. Die Augen davor zu verschließen, ist wohl das Letzte
und das Schlimmste, was man tun kann, weil die Realität da ist. Mit der
Realität müssen wir uns auseinander setzen. Die Konsequenzen dieses Nichtstuns
sehen wir jetzt und ich fürchte, wir werden es noch oft genug sehen.
Frau Dr Pittermann, es ist fünf
nach zwölf! Die Uhr ist abgelaufen! Für mich wäre es auch keine Schande, wenn
Sie sich eingestehen, dass Sie in Ihrer Funktion, in Ihrer Tätigkeit
gescheitert sind, vor allem deshalb, weil Sie, ich denke, das können Sie
durchaus sagen, in Ihrem Leben in anderen Bereichen schon etwas zu Wege
gebracht haben und etwas vorweisen können! Niemand ist davor gefeit und hat
eine Garantie dafür, nicht in Konkurs zu gehen, man muss nur die richtigen
Konsequenzen daraus ziehen! Frau Dr Pittermann, Sie müssen in Ihrer
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