Gemeinderat,
32. Sitzung vom 24.09.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 37 von 63
dass die SPÖ ja sehr eifrig in den Pflegeheimen
unterwegs ist.
Und jetzt möchte ich noch sagen: Nehmen Sie die Chance
wahr, die die sukzessive Änderung unserer Gesellschaft durch die demographische
Entwicklung erfährt, und machen Sie einen Sprung in Neuland. Gehen Sie ein auf
den Aufruf von Christine Schell: "Geriatrische Pflege morgen wird in ihrer
Quantität an Bedeutung zunehmen, in ihrer Qualität stark beeinflusst durch den
politischen Willen." Und klären Sie uns auch endlich auf, was Sie mit
Ihrer Umstrukturierung alles vorhaben und wohin Sie die Verantwortung dann
abschieben möchten. Und ich bitte Sie, unseren Anträgen diesmal zuzustimmen. Es
würde Hoffnung machen, und Hoffnung ist auf diesem Gebiet, glaube ich, jetzt
sehr angesagt. – Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzende GRin Mag Heidemarie Unterreiner: Als nächster Redner ist Herr GR Pfeiffer
gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.
GR Gerhard Pfeiffer
(ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien):
Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Die Frau Anica Matzka-Dojder war die erste
sozialistische, sozialdemokratische Politikerin, die ich gehört habe, die
gesagt hat: Es tut mir Leid. Faszinierend. Das war ein guter Anfang für eine
Rede, muss ich sagen. Das hätte ich viel öfter und viel lieber von anderen hier
heute schon gehört. Der Rest war dann wieder sozialdemokratisches Establishment.
Der Rest war Missverständnis.
Es geht nicht um eine Hetze gegenüber dem
Pflegepersonal. Das ist ja lächerlich. Es geht um eine massive Kritik am
System. Ganz klar, was sonst. Die institutionelle Betreuung von Menschen im
hohen Alter in unserer Stadt ist an einem Punkt angekommen, wo wir völlig neu
beginnen müssen. Es gilt, Bilanz zu ziehen, zwischen dem, was gut ist, zwischen
dem, was verbesserungsfähig ist, und zwischen dem, was unverantwortbar ist, zu
unterscheiden. Es gilt, die Kosten in eine Relation zur Effizienz der
Einrichtungen zu setzen. Es gilt, vor allem nach der Anderson-Studie, neue und
grundlegende politische Entscheidungen zu treffen. Das sagt Ihnen eine Studie,
die Sie selbst in Auftrag gegeben haben. Mehr vom Bisherigen ist abzulehnen, ist
schlecht und ist, wie man sieht, in einigen Fällen sogar kontraproduktiv.
Sieben Prozent des Budgets, meine sehr geehrten Damen
und Herren, ist ein hoher Betrag, der heute für den Bereich Senioren ausgegeben
wird, 800 Millionen EUR, die wir ausgeben, die nicht nur – auch – zu
Unzulänglichkeiten führen. Das kann durchaus passieren. Fehler macht jeder.
Jeder von uns macht Fehler, niemand ist ohne Fehler. Das kann passieren. Aber
es darf auf gar keinen Fall so viel Geld eingesetzt werden, dass es zu menschenunwürdigen
Zuständen kommt. Das ist genau die Differenz, worum es geht, das ist genau das,
was Sie nicht verstehen wollen. Nicht, dass es irgendwo einmal Fehler gibt,
nein. Aber dass es Fehler gibt, die nicht auffallen, wenn sie
menschenunwürdiges Verhalten dann zutage bringen, das darf aus meiner Sicht
wirklich nicht passieren und vor allem nicht mit so viel Geld, das in diesem
Bereich investiert wird. (Beifall bei der
ÖVP.)
Schuld, meine sehr geehrten
Damen und Herren, ist die ideologische Grundeinstellung, das muss man sagen,
wie Sie seitens der Sozialdemokratie auf menschliche Probleme und menschliche
Situationen zugehen.
Kinder? Nicht die Familien
stärken, nicht so, wie es der Bund gemacht hat, das Familiengeld einführen.
Nein, da schicken wir die Frauen nur zu Hause an den Herd und dergleichen Dinge
mehr. Nein, was Sie fordern sind Unterbringungsanstalten für die Kinder. Also
Kinder heißt Unterbringung.
Alte Menschen? Nicht die
Familien stärken, nicht Herbeiführen der Versicherungsmöglichkeiten, nicht
Herbeiführen der Förderungen; die in diesem Bereich möglich wären; um Pflegende
zu unterstützen. Mit dem gleichen Geld, das in die Institutionen hineingepumpt
wird, könnten wir das ja auch als Stadt Wien tun. Nein, meine sehr geehrten
Damen und Herren, Alte-Menschen-Unterbringung. Das ist Ihr System! (Beifall bei der ÖVP.)
Und wer nicht "mit uns
in die neue Zeit marschiert", der wird isoliert, ausgegrenzt, der darf
nicht teilhaben an den materiellem Kuchen, der den sozialdemokratischen
Feindschaften zugeschanzt wird. So sieht es aus, meine Damen und Herren! Und
das ist es, was wir kritisieren. Nicht die Menschen, die in diesem System
arbeiten müssen. "Der Mensch zählt", haben Sie einmal plakatiert. (GR
Johann Driemer: Das stimmt!) Ja, ja, das stimmt. Das ist aber ganz
eindeutig eine Geburt Ihres Zwiedenkens. Ja, er zählt, das stimmt, aber nicht
als Person in seiner persönlichen Würde. Nein, er zählt als Objekt in Ihrer
sozialen Unterbringungsstatistik. Das ist das Problem, meine sehr geehrten
Damen und Herren. Das ist nicht das Problem einiger Pflegepersonen, das ist das
Problem einer Geisteshaltung. Und so wird der Mensch auch behandelt. Immer
wieder, immer öfter, immer mehr kommen Mängel und Missstände und Skandale auf,
insbesondere bei denen – und das ist das Schreckliche daran –, die sich nicht
selber helfen können. Da kommt dann die Wegschau- und die
Verniedlichungspolitik.
Ich sage es noch einmal:
Fehler können überall passieren. Die Frage ist: Wie werden sie behandelt? Da
marschieren dann die sozialdemokratischen Abgeordneten hier auf, erzählen, dass
das alles gar nicht so schlimm ist, dass alles woanders vielleicht nicht besser
ist, dass die böse Opposition ja Menschenhatz betreibt und überhaupt.
Und
an allem insgesamt ist dann der ferne Bund schuld. Der ist derjenige, der
dieses System trägt und erhält. Na, das ist aber sehr interessant, meine sehr
geehrten Damen und Herren. Anstelle sich der Verantwortung zu stellen, anstelle
unseren gestrigen Antrag zumindest einmal zu überdenken, dass derjenige, der
die einzigmöglichen Durchgriffsrechte hier in dieser Stadt besitzt, weil wir ja
eine Bürgermeisterverfassung haben, anstelle, dass derjenige sagt, ja, ich sehe
ein, da muss jetzt wirklich meine Autorität zum Tragen kommen. Nein, da stellen
wir uns flockig nieder. Interessanterweise auch
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