Gemeinderat,
32. Sitzung vom 24.09.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 36 von 63
Ich habe hier eine Broschüre "PatientInnenrechte". Da steht: "Recht auf ausreichende Wahrung der Privatsphäre auch in Mehrbettzimmern." Wie Sie das machen, das muss man mir erklären. "Recht auf Zustimmung zur Behandlung oder Verweigerung der Behandlung. Recht auf ein würdevolles Sterben und Recht auf Sterbebegleitung." – Hier in dieser Broschüre.
Tja, dass die alte Dame ihre Tochter nur anbettelt
und sagt, ich will weg, weg, weg, bitte hol mich raus, kann man, glaube ich,
verstehen.
Ich weiß auch, dass das mit dem Sterben lassen ein
heikles Kapitel ist. Jemand in Würde sterben zu lassen, muss aber möglich sein,
wie im Hospiz.
Man geht in der Pflege eben nicht, und das wird auch
jetzt nicht möglich sein, auf das seelische und geistige Befinden von Menschen
ein, sondern man "behandelt" sie – vollkommen richtig nach den
jetzigen Pflegekonzepten.
Ich komme noch einmal zurück zu dem Begriff
"Geriatrie", also Alten- und Greisenheilkunde, und möchte ich nur sagen:
Lassen Sie die Menschen alt sein, aber nicht blöd, und schaffen Sie
Voraussetzungen, sie abzuholen, wo sie stehen, und begleiten Sie sie pflegend,
wo es nötig ist, bis an ihr Ende. Auch das habe ich nicht erfunden, sondern
Gott sei Dank gibt es gescheite Leute auf dem Gebiet, die sich mit dieser
Problematik eingehendst beschäftigen. Heilung ist angesagt, wo Besserung
möglich ist.
Und jetzt hätte ich schon eine Frage: Warum ist es
nicht möglich, damit zu beginnen, auch in den verkrustetsten Strukturen ein
neues Betreuungs- und Pflegesystem wirksam werden zu lassen?
Laut Prof Böhm: Alles, was der Bewohner kann, macht
er auch selbst. Vieles, alles, was der Bewohner gekonnt hat, kann er auch wieder
lernen. Eine beruhigende Aussicht, eine Hoffnung für jeden. Das ist eine
grundlegende Entscheidung.
Konzepte zur Rehabilitation von alternden Menschen
liegen nach Aussagen von Pflegeforscher Dr Böhm seit Jahrzehnten in der
Schublade. Warum, frage ich, in der Schublade? Ich glaube nicht, dass die dort
besonders nützlich sind.
Im Kuratorium, und jetzt wirklich eine erfreuliche
Mitteilung, im Kuratorium der Wiener Pensionistenwohnhäuser hat man damit
begonnen. Die haben eine Demenzstation eingerichtet nach dem
psychobiografischen Pflegemodell eben von Prof Böhm im Betreuungszentrum
Rosenberg. Ich kann nur sagen: Ein Hoch an Frau Geschäftsführerin Piroschka.
Im Übrigen sagt man mir immer wieder in den anderen
Stationen, da die dementen Patienten, in dem Fall wirklich Patienten, oder
Bewohner, sagen wir so, einen sehr großen Bewegungsdrang haben, dass sie allein
damit beschäftigt sind, sie einzufangen. Das wurde hier bereits berücksichtigt.
Also wirklich einmal eine erfreuliche Nachricht.
Wir werden einen Antrag einbringen – das heißt, wir
bringen ihn ein, wenn ich ihn nur finde –, der sich mit der Neuerung in den
Pflegeausbildungen und Pflegesystemen beschäftigt. Man soll die Hoffnung nie
aufgeben, auch die SPÖ bewegen zu können. Aber vielleicht hätte man eben statt
einer Ärztin als zuständige Stadträtin für die Pflegeheime einen Sachmenschen
aus dem Pflegebereich damit betrauen sollen. Aber die Misere ist ja auch schon
alt. Und auch Ihre Vorgänger und Vorvorgänger hatten mit Neuerungen
Schwierigkeiten.
Im Übrigen habe ich mich im
neuen Geriatriezentrum Favoriten umgesehen, was es für diese Bewohner hier in
Favoriten so zu tun gibt. Und die Schwester, die uns geführt hat, sagte: Na ja,
basteln können sie halt. Das war genau die Antwort, die ich erwartet habe:
Basteln können sie halt. Und hie und da gibt es eine Veranstaltung oder ein
Fest. Und dann habe ich gefragt: "Können da die Bewohner des Pflegeheimes
vielleicht auch aktiv etwas mitmachen?" Sie hat gesagt: "Nein, eher
nicht, denn das macht das Pflegepersonal noch dazu außerhalb seiner
Dienstzeit." Und da kann ich nur sagen: Hut ab vor einer Pflegerin oder
einem Pfleger, der außerhalb seiner Dienstzeit auch noch Feste für die alten
Menschen arrangiert. (Beifall bei den GRÜNEN und der GRinnen
Ingrid Lakatha und Ingrid Korosec.)
Und ich möchte noch sagen:
In diesem Neubau, in dieser Abteilung gab es nur zwei bettlägerige
Patientinnen, und die anderen, es waren welche in Rollstühlen, aber ich muss
ehrlich sagen, sie sahen nicht so jenseits, sage ich jetzt einmal, aus, dass
man sie nicht auch mit irgendetwas beschäftigen könnte. Also es waren zumeist
Menschen, die durchaus noch eine Verantwortung übernehmen können. Sie können
halt nur Basteln, Fernsehen oder was weiß ich. Natürlich ist für viele Menschen
der Begriff der Lebensqualität bis zuletzt sicher auch ein verschiedener.
So, zum zweiten Punkt möchte ich noch sagen, zum
Thema "Besserung von Pflegepatienten und Pflege": Ja, sollte sich
eine Besserung einstellen und könnte der- oder diejenige das Heim verlassen –
wohin, wohin? Es war geplant, mindestens dreißig betreute Wohngemeinschaften zu
erstellen. Was haben Sie gemacht? Sie haben sie nach vierzehn ausgelagert. Zwei
sind noch so hineingeschummelt worden. Und Schluss, aus, nichts passiert. Es ist
auch kein Budget mehr da. Und deswegen muss ich sagen: Wir stellen diesen
Antrag noch einmal. Wir geben die Hoffnung nicht auf. Vielleicht, vielleicht
ist das eine Chance.
Zu Recht hat die Vertretung des Pflegepersonals gegen
die Einsetzung von Dr Vogt Einspruch erhoben, und ich glaube nicht, dass
das persönlich gegen Dr Vogt gerichtet ist, sondern es gilt, hier ein
Zeichen zu setzen, dass Sie die Probleme eines Pflegeheimes – wiederum
absichtlich "Pflegeheim" – nicht verstanden haben. Da sind Menschen,
die sich in Pflege besser auskennen als jeder Arzt, sonst hätte man das Debakel
wahrscheinlich gar nicht so lange anstehen lassen müssen.
Im
Übrigen muss ich sagen: Von Seniorenorganisationen, auch von der SPÖ, habe ich
zu dem Thema nicht viel gehört. Ich muss sagen: Für uns GRÜNE sind auch
Bewohner eines Pflegeheimes immer noch Seniorinnen und Senioren, und nicht nur
in Wahlzeiten, wo man weiß,
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