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Gemeinderat, 32. Sitzung vom 24.09.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 29 von 63

 

MA 47 ist nie überprüft worden. Das erste Mal im Juli. Als sich zwei Sachwalter sehr lange einfach nicht haben abwimmeln lassen, ist es endlich dazu gekommen. Das ist kein einmaliges Versagen und auch nicht ein einmaliger Personalmangel, sondern das ist das ganze System, das grundlegend reformiert gehört! (Beifall bei der ÖVP.)

 

Ich habe in den letzten Wochen unglaublich viele Briefe und sehr viele Anrufe von Angehörigen von Pflegebewohnern, aber auch von vielen Pflegepersonen bekommen. Ich muss Ihnen sagen, es ist wirklich erschütternd. Diese Fälle ziehen sich wirklich durch vom Jahre 1989 an.

 

Ein Fall, der mich sehr berührt hat: Ein Mann war bei mir. Seine Mutter ist 1995 gestorben. Er hat all das bestätigt, was in den Zeitungen steht. Das hat er damals schon alles erlebt. Sein Schicksal ist abgeschlossen. Die Mutter lebt nicht mehr. Sie wurden Stadträtin. Im Jahr 2000 ist er zu Ihnen ins Büro gekommen, weil er sich gedacht hat, jetzt kommt eine Ärztin, die ein besonderes Sensorium haben wird. Das helfe zwar seinen Angehörigen nichts mehr, aber für die anderen gehe er hin und werde es aufzeigen. Er war nicht bei Ihnen, denn er ist nicht bis zu Ihnen gekommen. Er wurde bereits im Vorzimmer aufgehalten. Man hat ihm zugesagt, dass Ihnen das alles mitgeteilt wird und Sie antworten werden, aber auf die Antwort wartet er heute noch.

 

Es gab auch viele Anrufe von Pflegepersonen. Ich muss Ihnen sagen, ein Anruf – Kollege Tschirf hat ganz kurz darauf hingewiesen – hat mich besonders erschüttert. Eine Diplompflegerin hat angerufen und erzählt, dass sie nach ihrer Ausbildung sehr motiviert in das Pflegeheim gekommen ist, wirklich idealistisch. Sie wollte den Menschen die letzten Lebenstage noch verschönern. Die Realität war ganz anders. Sie hat sich dagegen gewehrt und wurde versetzt. Sie hat sich wieder gewehrt und wurde wieder versetzt. In der Zwischenzeit war sie schon sehr verzweifelt, ist zu einem Kollegen gegangen und hat gemeint: "Ich halte das einfach nicht mehr aus. Was soll ich tun?" Die Antwort des Kollegen lassen Sie sich bitte auf der Zunge zergehen. Er hat gesagt: "Wenn du in das Haus hereinkommst, gib dein Hirn beim Portier ab. Dann wirst du es aushalten." Haben Sie das gehört? "Wenn du beim Haus hereingehst, gib das Hirn beim Portier ab. Dann wirst du es aushalten." Das ist die Situation, die wir gerade in Lainz haben.

 

Ich habe da noch einen Fall, der mehr als interessant ist. Dabei geht es um die Verrechnung und man muss sagen, das ist auch beachtlich. Da wurde einem Herrn, dessen Frau im Pflegeheim war, im Jahr 2000 ein Betrag von 9 500 S vorgelegt. Er sollte unterschreiben, hat aber nachgefragt. Er hat gesagt, er unterschreibe nicht, er möchte die Unterlagen und möchte sich erkundigen. Das wurde ihm verwehrt. Dann ist er zur nächsten Instanz gegangen. Bei der dritten Instanz durfte er die Unterlagen endlich mitnehmen. Er ist schließlich zu einem Rechtsanwalt gegangen. Es hat dann zwei Jahre lang einen Briefwechsel zwischen Rechtsanwalt und MA 47 gegeben. Aus den 9 500 S ist letztendlich ein Betrag von – hören und staunen Sie – 80 EUR geworden. Dieser Herr, der bei mir war, hat gesagt, alle waren offenbar überrascht, weil er der Erste war, der sich dagegen gewehrt hat. Daher konnte man das überhaupt nicht glauben. Ich glaube das schon, weil wenn man Angehörige in ein Pflegeheim bringt, dann muss man Bittsteller sein und ist man sehr froh, dass es möglich ist. Da kann ich mir schon vorstellen, dass nicht jeder diesen Weg geht.

 

Dieser Herr hat an den Herrn Bürgermeister geschrieben. Natürlich war das jetzt. Sie werden es nicht glauben – ich meine, es ist an sich positiv –, die Antwort ist sofort gekommen, dass alles untersucht wird. Sogar mit reitendem Boten ist die Antwort gekommen, nicht mit der Post. Nein, ein Mitarbeiter des Herrn Bürgermeisters ist persönlich zu diesem Herrn gekommen und hat ihm den Brief des Bürgermeisters überreicht. Sehen Sie, so schnell kann man agieren! Wenn das zu einer anderen Zeit gewesen wäre, frage ich mich, ob überhaupt eine Antwort gekommen wäre! (Beifall bei der ÖVP.)

 

Frau Stadträtin, beim Pflegeheimgesetz kann ich es kurz machen. Die Frau Kollegin Pilz hat das so ausführlich und so gut berichtet. Seit mehr als zehn Jahren hat der GR Margulies unglaubliche Verdienste erwiesen, der immer wieder, alle halben Jahre, gesagt hat, dass wir das brauchen. (VBgm Dr Sepp Rieder: Der Vater Margulies!) Auch Sie, Herr Stadtrat, haben alle halben Jahre gesagt, dass das kommt und kommt und kommt, aber es ist halt nicht gekommen. Was Sie uns dann im Jahr 2000 vorgelegt haben, war zahnlos, mutlos. Heute ist es besser, man schweigt darüber.

 

Dass es keinen Pflegeheimplan gibt, ist bekannt, obwohl es einen gibt, aber halt doch nicht offiziell gibt. Dabei wäre das so unendlich wichtig, weil dies für die sozialen Kontakte der Hochaltrigen von ganz besonderer Bedeutung ist. Betreutes Wohnen steckt in den Kinderschuhen. Hospizbetten gibt es kaum. Und so fort. Da möchte ich auf die demografische Entwicklung gar nicht näher eingehen.

 

Aus diesem Grund bringen meine Kollegen Lakatha, Dr Hahn und ich einen Beschluss- und Resolutionsantrag an:

 

"Die amtsführende Stadträtin für Gesundheits- und Spitalswesen wird aufgefordert, den Ausbau der mobilen Pflege und Altenbetreuung und die vermehrte Einrichtung von dezentralen wohnortnahen Pflegestrukturen zu forcieren. Diesbezüglich möge der entsprechende Personalstand ausgebaut werden und die räumlichen und baulichen Voraussetzungen geschaffen werden. In diesem Zusammenhang sind auch gemeinnützige Vereine, mit denen die Stadt Wien auf dem Gebiet der Altenbetreuung zusammenarbeitet, verstärkt einzubeziehen und auch die ehrenamtlichen Mitglieder. Die amtsführende Stadträtin für Gesundheits- und Spitalswesen wird in diesem Zusammenhang ersucht, einen diesbezüglichen Bericht über den aktuellen Stand und die kurz- und mittelfristigen weiteren Vorhaben nach den oben genannten Vorgaben auf diesem Gebiet im Ausschuss der Geschäftsgruppe vorzulegen."

 

In formeller Hinsicht wird um sofortige Abstimmung ersucht. (Beifall bei der ÖVP.)

 

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