Gemeinderat,
32. Sitzung vom 24.09.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 11 von 63
Dieses Dokument könnte ein grünes Grundsatzpapier sein. In diesem Dokument steht, wie es gemacht gehört. Darin steht, was in der Stadt Not tut. Darin steht, was das Personal braucht. Darin steht, wie alte, hoch betagte Menschen menschenwürdig gepflegt werden können. Es stehen Zeitpläne drinnen. Beginnend mit 2001 stehen in einem schrittweisen Prozess bis 2010 taxativ die Maßnahmen, die zu ergreifen sind. Darin gibt es eine Tabelle, die besonders interessant ist. Dort steht :"Alten- und Pflegeheime Wien, Aus- und Abbaubedarf idealtypisch". Schauen wir einmal unter Wien 13, Hietzing, nach. Jeder weiß, worum es sich handelt. Schauen wir einmal nach. Dort steht: "Ist versus Soll 1999: ein Abbaubedarf von 2878 auf 911 Betten."
Vielleicht erinnern Sie sich, Frau Stadträtin, die
Wiener Grünen haben unter Schani Margulies gesagt: "Sprengt Lainz!"
Unter Sigrid Pilz sagen sie: "Reduziert Lainz auf die menschliche Größe!
Schließt das Pflegeheim Lainz und siedelt die Bewohner und Bewohnerinnen, die
dort ghettoisiert werden, in die Wohnbezirke um! Macht neue Konzepte!
Vergleicht und verändert die Strukturen dort!"
Das Areal wäre gut brauchbar für ein
Sonderkrankenhaus für Geriatrie, aber sicher nicht als Endstation für über
2 000 Bewohner und Bewohnerinnen. (Beifall bei den GRÜNEN.) Das
steht im Pflegeheimplan, Frau Stadträtin. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Damit Sie nicht etwa von Ihrem Personal, von den
Menschen und von der Opposition Ernst genommen werden, haben Sie das Papier
gleich gar nicht vorgelegt.
Schubladiert, weggeräumt, war sicher nicht billig,
war sicher viel Hirnschmalz drinnen, nicht nur vom ÖBIG, sondern von Ihren
eigenen Mitarbeitern, die da - man merkt es dem Text an - engagiert und
hoffnungsfroh am Entwurf einer Zukunft gearbeitet haben. Es ist ganz klar, was
zu tun ist. Man soll nicht alle Menschen über einen Kamm scheren und alle in
gleiche diffuse Strukturen einbinden, sondern differenzieren. Ich habe mit
Geriatern gesprochen, die mir sagen, ein Drittel der Menschen, die in Lainz
untergebracht sind, sind dort völlig verkehrt, völlig! Die könnten zu Hause
bleiben in ihrer eigenen Wohnung (und die meisten würden das sicher gerne
wollen). Sie könnten in ihrer Wohnung bleiben, wenn es ausgebaute Betreuung zu
Hause gäbe, wenn man nach dem Oberschenkelhalsbruch remobilisiert, ermutigt und
gut betreut zu Hause wird und man nicht sagen muss, fahren wir nach Lainz, weil
das für alle im unheiligen Bündnis die einfachste Lösung ist. Ein Drittel mit
guter, ausgebauter mobiler Betreuung kann zu Hause bleiben.
Ein zweites Drittel bedarf wohnortnaher
Pflegestrukturen, gut ausgestattete, erreichbare, niedrigschwellige
Pflegeeinrichtungen, wo es genug Ergotherapie gibt, genug Physiotherapie und
Sozialarbeiter - die Sie übrigens abgeschafft haben im GZW zu meinem großen
Entsetzen -, die ihnen helfen, ihren Alltag zu strukturieren.
Da kann auch eine tagesstrukturierende Institution
angeschlossen sein, wo Leute, die zu Hause bleiben, tagsüber hinkommen können
und die Tante Mizzi ist nicht aus dem Grätzel weg, unerreichbar im GZW, wo sie
die Freundin nicht besuchen kann und die Nichte auch nicht, weil es ist, wie
man in Wien sagt, a brada Weg und wer
kommt schon so schnell dort hin.
Das andere, das dritte Drittel, Frau Stadträtin, sind
Menschen, die multimorbid sind, die gute, ständige intensive medizinische und
pflegerische Betreuung brauchen. Die brauchen ein Krankenhaus, die brauchen ein
Krankenhaus und das, was ich auch an Ihnen schätze, Frau Stadträtin, die gute
medizinische Betreuung.
Die zwei anderen Gruppen brauchen die Ärzte nicht die
ganze Zeit. Die, die zu Hause sind, können mit ihrem Hausarzt leben. Die, die
in einem Pflegeheim in der wohnortnahen Struktur sind, könnten von einem Arzt,
der dort Sprechstunde hat, betreut werden und es wäre das menschliche Maß, und
man müsste sich nicht schämen vor den alten Leuten, weil man sie in
8-Bett-Zimmern endlagert, wie ich es bezeichne.
Frau Stadträtin, wenn Sie die Strukturen ändern
wollen, dann werfen Sie nicht dem guten Geld schlechtes nach oder dem
schlechten Geld das gute nach. Die schlechte Unterbringung im 8-Bett-Zimmer im
Geriatriezentrum Am Wienerwald ist megateuer, megateuer. Wer gibt schon gerne
60 000 S aus dafür, dass er ein Nachtkasterl und ein Bett hat. Ich
weiß schon, es ist nicht der Einzelne, der es ausgibt, aber in Summe, durch die
verschiedenen Träger, läppert sich in Kostenwahrheit dieser Betrag zusammen.
Nun, ich denke, da hat die öffentliche Hand doch hoffentlich mehr zu bieten als
diese miese Qualität, die in der Unterbringung, in der Infrastruktur hier zur
Verfügung gestellt wird.
Und das Pflegepersonal muss es ausbaden. Mir hat eine
Pflegeperson aus dem GZW gesagt, wissen sie, wenn man Patienten duschen will,
da muss man sich selber eine Badehose oder einen Bikini anziehen, weil in den
engen Duschen kann man nur ordentlich dem Patienten assistieren, wenn man
selber pudelnass wird. Also, das ist ja wohl keine Situation, die man dem
Pflegepersonal zumuten kann.
Und, Frau Stadträtin, nehmen Sie Ihren eigenen
Pflegeheimplan ernst, der sagt, bauen Sie dort ab, wo wir zu viele Betten haben
und erhöhen Sie die Plätze dort, wo wir sie brauchen. 60 000 S für
einen Platz in Lainz ist viel und es ist zuviel, wenn es dort schlechte
Qualität gibt.
Der Pflegeheimplan weist auch hier einen Ausweg. Die
Adaptierung eines Substandardplatzes, so die Berechnungen hier, kostet in etwa
80 Prozent der Neuerrichtungskosten. 80 Prozent, und da wollen Sie Lainz
ausbauen? Da wollen Sie Lainz ausbauen in dem gemächlichen Tempo, dass wir uns
selber dort vielleicht noch, wenn wir Karten haben, Kartenspiele in die Hand
geben können? Wollen Sie das wirklich? Oder wollen Sie nicht sagen, diesen
Betrag investiere ich in zukunftsweisende Strukturen, in Neubau, in
Umgestaltung bestehender Wohnheime, deren Nachfrage sinkt, deren Nachfrage
sinkt wie das ÖBIG treffend feststellt. Machen Sie neue Konzepte und kommen Sie
uns nicht mit den untauglichen. (Beifall bei den GRÜNEN.)
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