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Gemeinderat, 32. Sitzung vom 24.09.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 12 von 63

 

Sie sprechen vom Pflegeheimgesetz, Frau Stadträtin. Wir wissen, seit 1993 spricht man davon, auch Ihre Vorgänger. Wenn es der Entwurf ist, den wir gesehen haben und kein anderer, Frau Stadträtin, dann ist es eine Kapitulation und eine Festschreibung der Missstände, die wir kennen und es ist das Papier nicht Wert, auf dem es geschrieben ist.

 

Kein Wort steht drinnen über die Mindestausbaustruktur im baulichen Sinn, kein Wort steht drinnen, dass man 8-, 7- und 6-Bett-Zimmer, und hoffentlich auch 5- und 4-Bett-Zimmer abschaffen will, keine ausreichende Absicherung der Patienten und Patientinnen, der Bewohner- und Bewohnerinnenrechte, nichts von dem, was einem modernen Gesetz entsprechen würde, steht da drinnen. Schmeißen Sie es weg und machen Sie ein neues, Frau Stadträtin, und lesen Sie zuerst Ihren eigenen Text.

 

Frau Stadträtin, Ihre Sofortmaßnahme war die Ernennung des Herrn Dr Vogt als Pflegeombudsmann. In irgendeiner Weise ein kluger Schachzug. Dr Vogt ist bekannt als rebellischer, als streitbarer, als kritischer Mediziner. Ich schätze ihn persönlich sehr und vielleicht haben Sie sich da auch einen unguided missile ins Haus geholt, weil ich glaube nicht, dass er Ihnen die Freude machen wird, über Strukturmängel zu schweigen. Aber, Frau Stadträtin, aber Frau Stadträtin, viel wichtiger als die Erfindung neuer Parallelstrukturen und die Etablierung einer neuen Bürogemeinschaft, die für die Entgegennahme von Beschwerden da ist, wäre es, die bestehenden Institutionen ernst zu nehmen und umzugestalten. Warum, Frau Stadträtin, warum ist eigentlich der Patientenanwalt in Wien nicht unabhängig. Warum, ja warum (GRin Erika Stubenvoll: Ist er ja!) – ist er nicht, auf dem Papier. (StRin Dipl Ing Dr Herlinde Rothauer: Auch am Papier nicht!) Sie sagen es. De facto müsste eine unabhängige Patientenanwaltschaft auch die Möglichkeit haben, mit unabhängigen Gutachtern, mit unabhängigen Sachverständigen jederzeit überall hinzugehen und auf diese Weise sicherzustellen, dass hier nicht Abhängigkeiten und "Hinsichtl" und "Rücksichtl" der Fall ist. Werten Sie die bestehenden Institutionen auf und erfinden Sie nicht im patriarchalischen Gestus der Gemeinde Wien, der Sozialdemokratie, eine neue Institution, die zahnlos, aber chic ist. Tun Sie das nicht, Frau Stadträtin. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Und, Frau Stadträtin, die Menschen da oben, (Die Rednerin zeigt auf die Besuchergalerie.) ich denke, die meisten kommen aus dem Pflegebereich und ich glaube nicht, dass die das so ursuper finden, jetzt von einem Unfallchirurgen als Ombudsperson begleitet zu werden. Nun, das ist ja wieder eine Abwertung des Pflegeberufes. Hätte es nicht jemanden gegeben aus den Reihen der kompetenten Pflegepersonen aus Ihrem eigenen Bereich, den man dazu aufwerten kann. Warum nicht die Leute nehmen und fragen, die etwas davon verstehen. Wieso müssen es immer die Ärzte und die Männer sein, die da die Arbeit machen, erklären Sie mir das, Frau Stadträtin.

 

Frau Stadträtin, es wird eine Untersuchungskommission geben, die die Missstände, die Sie zu verantworten haben, anschaut. Und die GRÜNEN stehen dafür, dass man nicht nur nachstierlt, ob es irgendwo ein Fehlverhalten von irgendeiner Stationsschwester oder irgendeinem Oberpfleger gibt. Nicht, dass die Menschen nicht auch ihre Verantwortung wahrnehmen müssen, und sie tun es gerne. Sie tun es, weil sie eine schwere Arbeit haben.

 

Aber, Frau Stadträtin, wir werden den Scheinwerfer auf die Strukturmängel richten. Wir werden den Scheinwerfer auf Ihre Verantwortung, auf die Verantwortung Ihrer Vorgänger, auf die nicht eingelösten Konzepte, auf die hundertmal recyclierten Ideen und auf die erbärmliche Infrastruktur richten.

 

Und wir werden es nicht zulassen, dass man am Ende der Tätigkeit der Untersuchungskommission feststellt, da waren halt drei oder vier Pfleger nicht ganz ... (GR Franz Ekkamp: Sie wissen schon das Ergebnis!) Ich weiß, dass ich nicht zulasse, dass man Liebservice gegenüber dem Personal macht und in Wirklichkeit froh ist, wenn man sich daran abputzen kann. (GR Franz Ekkamp: Sehr gut, Sie wissen schon das Ergebnis!)

 

Und, Frau Stadträtin, und ... (GR Franz Ekkamp: Sie wissen jetzt bereits das Ergebnis!) Ja, ich weiß, dass das Ergebnis, dass Achtbettzimmer schlecht sind, Sie werden es nicht glauben, das weiß ich schon vorher. Sie werden noch draufkommen im Laufe der Untersuchungskommission. Genau, Achtbettzimmer sind nicht super. So! (Beifall bei den GRÜNEN. - GR Franz Ekkamp: Das ist zu verurteilen!)

 

Und, Frau Stadträtin, Sie haben davon gesprochen, dass Sie kein Personal kriegen, weil es unterbezahlt ist, weil es nicht ausreichend anerkannt ist, weil nicht genügend Leute ausgebildet werden in Österreich und dass es einen Schwarzmarkt aus Osteuropa gibt. Wie wahr, Frau Stadträtin, wie wahr.

 

Erstens muss man sich einmal überlegen, wieso eine Arbeit so schlecht ist, dass sie in Österreich niemand tun mag. Was hat es denn da mit den Arbeitsbedingungen auf sich?

 

Zweitens, wer hindert Sie daran, Frau Stadträtin, das Pflegepersonal die österreichischen und die ausländischen KollegInnen so gut zu bezahlen, dass sie als Schlüsselkräfte gelten, als Schlüsselkräfte! 25 000 finde ich ja nicht so wahnsinnig viel. Das kann man einer guten Pflegeperson wirklich bezahlen. Dann haben Sie das Problem nicht, dass Sie sagen müssen “Dumme Sache, weil wir so schlecht zahlen, können wir uns sie nicht als Schlüsselpersonen ins Land holen“. Werten Sie Ihr eigenes Personal auf, dann müssen Sie es nachher nicht diffamieren für Fehler, die Sie eigentlich selber zu verantworten haben, Frau Stadträtin. (Beifall bei den GRÜNEN und der ÖVP.)

 

Wir, Frau Stadträtin, die GRÜNEN unterstützen den Misstrauensantrag, der heute gegen Sie gestellt wird. Wir haben ihn mit unterzeichnet, weil, Frau Stadträtin, meine Hoffnung, dass Sie, und ich schätze Sie als Person und ich schätze Sie als Ärztin, aber dass Sie wissen, was Ihre politische Aufgabe ist, die eine andere ist als eine medizinische. Sie sind nicht die oberste Ärztin der

 

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