Gemeinderat,
31. Sitzung vom 23.09.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 20 von 57
Lehrlingsstiftungen die Jugendlichen die
Berufsausbildung fertig machen können, wenn sie den Übertritt in den ersten
Arbeitsmarkt nicht schaffen. Diese Bundesregierung hat die Möglichkeit,
Lehrlingsstiftungen einzurichten, abgeschafft. Da geht es nicht um die Frage
der Finanzierung, da geht es einfach darum, dass wir in Wien keine
Lehrlingsstiftungen machen können, weil im Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz
nicht mehr vorgesehen ist, dass es diese gibt.
Ich könnte jetzt noch viele Maßnahmen nennen, die von
der Bundesregierung getroffen wurden und Wien besonders hart treffen, aber eben
- und das möchte ich hier nur kurz erwähnen - nicht nur Wien treffen. Es ist
heute schon gesagt worden, dass in Tirol nach einer Studie, die die
Landesregierung in Auftrag gegeben hat, 21 Prozent der Arbeitnehmer und
Arbeitnehmerinnen unter der Armutsgrenze leben, und 40 Prozent der
Pensionisten. Das kommt auch nicht von ungefähr, sondern das sind ebenfalls
Maßnahmen, die sich aufgrund verfehlter Politik des Bundes ergeben. Und dass in
Salzburg in vielen Bezirken die Sozialhilfe im letzten Jahr bereits um
20 Prozent gestiegen ist, würde ich auch sagen, ist nicht die
Verantwortung und die Schuld Salzburgs, sondern die Schuld der Bundesregierung,
die hier verfehlte Politik macht.
Was bedeutet das aber jetzt konkret für Wien? Für
Wien bedeutet das konkret - und wir haben das hier auch schon diskutiert, nicht
erst heute - einen dramatischen Anstieg von Sozialhilfebeziehern. Hiezu
vielleicht nur zwei Zahlen: Im Jahr 1999 hatten wir knapp über
44 000 Sozialhilfebezieher, im Jahr 2003 werden wir an der
80 000er-Grenze schrammen, und besonders davon betroffen sind Frauen,
Kinder und Pensionisten. Von ihnen wiederum ganz besonders betroffen sind jene
Personen - da ist die Steigerung extrem hoch -, die an sich Notstandshilfe
beziehen, deren Notstandshilfe aber so gering ist, dass sie nicht
existenzsichernd ist und diese Menschen darüber hinaus noch Sozialhilfe
beziehen.
Besonders dramatisch finde ich hier - das ist heute
kurz angesprochen worden, und ich möchte es hier noch einmal erwähnen, weil ich
es für eine ganz besonders schlimme Entwicklung halte - den Anstieg bei den
Kindern und Jugendlichen, die Sozialhilfe beziehen. Wir hatten bei den Kindern,
die Sozialhilfe beziehen, vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2002 einen Anstieg um
81 Prozent; waren es im Jahr 2000 rund 8 400 Kinder, so sind es
im Jahr 2002 bereits über 15 000 Kinder gewesen, die Sozialhilfe
bezogen haben. Bei den Jugendlichen kam es zu einem Anstieg um
109 Prozent, von rund 1 200 auf 2 500.
Meine Damen und Herren - sehr viele sind nicht da -
von der FPÖ und von der ÖVP! Da muss man sich wirklich überlegen, was das für
eine Gesellschaft bedeutet, wenn immer mehr Kinder und Jugendliche und
alleinerziehende Frauen auf die Sozialhilfe angewiesen sind, weil sie aus dem
Arbeitsmarkt verdrängt werden und keine Möglichkeit haben, ihr Erwerbseinkommen
durch Arbeit zu erarbeiten. (GR Dipl Ing Martin Margulies: Wenn du nicht
reich bist, hast du überhaupt nichts mehr!) Was bedeutet das für die
Kinder, die viel von dem, was andere Kinder haben, einfach nicht haben können?
Was bedeutet das für Kinder, deren Eltern aus dem Arbeitsprozess gedrängt
werden?
Die nächste Maßnahme - und Kollege Römer hat gesagt,
das wird ja alles nicht so kommen, weil man darüber wird reden müssen wird,
über eine Artikel-15a-Vereinbarung, und man sich nicht schon im Voraus fürchten
soll -, die nächste Maßnahmen, die angedacht ist und die nicht nur angedacht
ist, sondern die im Regierungsprogramm steht, ist die Umwandlung der
Notstandshilfe, die eine Versicherungsleistung ist, in die Sozialhilfe der
Länder. (GRin Ingrid Korosec: Sozialhilfe neu! Neu!) Wir haben das hier
auch schon diskutiert. Sie können hier zwar weiterhin sagen, man weiß nicht, ob
das kommen wird. (GR Franz Ekkamp: Regierungsprogramm!) Tatsache ist,
wenn Sie die Interviews des Herrn Bartenstein verfolgen, spricht er in
mindestens jedem zweiten Interview davon, wie wichtig diese - unter
Anführungszeichen, sage ich, er sagt es nicht unter Anführungszeichen -
"Reformmaßnahme" ist.
Ich möchte hier noch einmal betonen, was das
bedeutet: Das bedeutet jetzt schon, dass die Notstandshilfe oft nicht
existenzsichernd ist. Das wissen wir - ich habe es vorhin erwähnt - aufgrund
des hohen Anstiegs der Personen, die zur Notstandshilfe zusätzlich Sozialhilfe
bekommen.
Aber zusätzlich wissen wir, dass die Sozialhilfe
keine Versicherungsleistung ist. Das heißt, es gibt hier keine Ersatzzeiten für
die Pension, es gibt keine Leistungen des Arbeitsmarkservice. Wien ist das
einzige Bundesland, das mit Jobchance und in Kooperation mit dem
ArbeitnehmerInnenförderungsfonds - den es ja auch nirgends anders außer in Wien
gibt - versucht, ein gewisses Segment wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern.
Sonst gibt es hier keine Arbeitsmarktleistungen und keine Vermittlung.
Außerdem gibt es in sechs von neun Bundesländern
einen Regress. Wenn man sich jetzt auch fragt, wieso in Wien die Sozialhilfe so
hoch ist, kann man sagen, dass in Niederösterreich die Zahl der
Sozialhilfebezieher auch deshalb nicht so hoch ist, weil die Sozialhilfe dort
nur als Darlehen vergeben wird, aber nicht als eine Leistung, auf die ich einen
Rechtsanspruch habe, wenn es mir schlecht geht. Das ist der wesentliche
Unterschied, den man hier auch ansprechen muss! (Beifall bei der SPÖ.)
Herr Kollege Römer! Da Sie so
lapidar davon sprechen, das wird schon nicht kommen, oder wir werden uns das
alles noch anschauen - wir sprechen hier von der Existenzsicherung von
40 000 Wienerinnen und Wienern und deren Familien! (GR Dr Kurt
Stürzenbecher: Freilich wird es kommen!) Es handelt sich hier also nicht um
ein Nischenthema, sondern es handelt sich um rund 100 000 Menschen,
die in Wien von dieser Frage betroffen sind. Da Sie aber ja auch der Meinung
sind, dass das in dieser Form, wie es jetzt andiskutiert worden ist, nicht
kommen kann, gehe ich auch hier davon aus, dass Sie einem Antrag zustimmen, den
ich jetzt hier
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