Gemeinderat,
31. Sitzung vom 23.09.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 5 von 57
Bundesverwaltung die Arbeitslosenquote in Wien um 0,3 Prozent. Die Ausgaben Wiens für Sozialpolitik, also von der Sozial- über die Behindertenhilfe, Pflegesicherung, Pensionistenwohnhäuser, Soziale Dienste, Flüchtlings- und Obdachlosenhilfe sowie die Familienförderung, sind in den letzten 10 Jahren um rund 50 Prozent gestiegen. Besonders große Posten entstehen durch die Behindertenhilfe und den Anstieg der SozialhilfeempfängerInnen. Auch die anderen Bundesländer sind davon betroffen. Salzburg zum Beispiel meldete schon im Vorjahr in einzelnen Bezirken eine Zunahme um bis zu 20 Prozent.
Wien hat die Behindertenhilfe in den letzten
10 Jahren nahezu verdoppelt und gibt heuer mit 120 Millionen EUR um
50 Millionen jährlich mehr aus als noch vor 10 Jahren. Auch in
anderen Bundesländern ist die Zahl derer, die auf Grund des Behindertengesetzes
eine Pflichtleistung erhalten, angestiegen, in Salzburg etwa von 2000 bis
2002 um mehr als 22 Prozent. Die Ausgaben des Landes Salzburg haben
sich sogar innerhalb von 6 Jahren mehr als verdoppelt.
Auch in anderen Bundesländern ist die Zahl derer, die
auf Grund des Behindertengesetzes eine Pflichtleistung erhalten, angestiegen.
In Salzburg um 22 Prozent, die Verdoppelung habe ich schon angesprochen.
In Tirol leben nach Angaben der Landesregierung bereits 21 Prozent der
ArbeitnehmerInnen und 40 Prozent der PensionistInnen unter der
Armutsgrenze. Auch in Wien ist die Zahl der SozialhilfebezieherInnen seit dem
Antritt der Bundesregierung, dieser Bundesregierung, um etwa 70 Prozent
gestiegen. Die jährlichen Ausgaben Wiens für die Sozialhilfe sind um rund
20 bis 30 Millionen EUR höher als 1999. Hauptursachen sind die hohe
Arbeitslosigkeit, Einkommensverluste und Arbeitsverhältnisse mit geringem
Einkommen. Betroffen sind immer mehr Frauen, Kinder und Pensionistinnen.
Salzburg, Oberösterreich und Wien sind die einzigen
Bundesländer, die keine Regressansprüche für Sozialleistungen an
Familienangehörige stellen. Das ist eine Tatsache, die immer wieder untergeht
und wo man nicht berücksichtigt, wie unterschiedlich auch die sozialen Systeme
in den einzelnen Bundesländern sind und Vergleiche dann natürlich
dementsprechend hinken. Sie haben auch hier eine Tabelle über den Anstieg der
Bereiche, die ich gerade anspreche.
Besonders auffallend ist, dass die Zahl der
NotstandshilfebezieherInnen in Österreich im Vorjahr auf
82 850 angestiegen ist. Der Kostenaufwand dafür betrug fast
786 Millionen EUR. In Wien beträgt die Steigerung der
NotstandshilfebezieherInnen von 2001 auf 2002 zirka
19 Prozent. Die Absicht der Bundesregierung, die Notstandshilfe in die
Sozialhilfe der Länder einzugliedern, ist eine gefährliche Drohung. Wir wehren
uns dagegen und sagen ein „Nein“ zu diesem Vorhaben, ein ganz entschiedenes
„Nein“! (Beifall bei der SPÖ.)
Alleine in Wien wären davon zirka
40 000 Menschen betroffen, für die auch der zwischen Notstandshilfe
und Sozialhilfe unterschiedliche Versicherungsschutz eine Verschlechterung
darstellen würde.
Aufgabenverschiebungen und Auslagerungen des Bundes
sind immer mit zu geringen Dotierungen verbunden. Gerade wer die heutigen
Zeitungen aufmerksam verfolgt hat, sieht die Auswirkungen im Bereich der
Universitäten. Im heurigen Sommer konnten wir sehen, was es bedeutet, wenn
Einrichtungen des Bundes privatisiert werden. Die Auswirkungen, wie sie
Schönbrunn im heurigen Sommer gezeigt hat, sprechen eine deutliche Sprache.
Zusätzlich ist auch die Zahl jener, die über ein
Arbeitseinkommen verfügen, das nicht zum Leben ausreicht, gestiegen. Bei rund
200 000 Menschen in Österreich reicht das Erwerbseinkommen nicht mehr
zum Leben, weil sie atypisch beschäftigt sind. Sie leben unter der
Armutsgrenze. Die Schulden der privaten Haushalte explodieren. Die Zahl der
Menschen, die zur Schuldnerberatung kommen, steigt spürbar, am meisten in Niederösterreich
und in der Steiermark. Die Zahl der Forderungsexekutionen steigt ebenfalls
dramatisch und liegt heuer um 50 000 höher als noch im
Jahr 2000. Im Vorjahr mussten in Österreich fast
9 000 Zwangsversteigerungen vorgenommen werden, die meisten davon in
Niederösterreich.
Während die Anzahl der VollsozialhilfebezieherInnen,
das sind BezieherInnen, die keinerlei Anspruch auf ein anderes Einkommen haben,
nur geringfügig gestiegen ist, kann bei den RichtsatzergänzungsbezieherInnen
ein massiver Anstieg ausgemacht werden. Gegenüber dem Jahr 2000 gibt es um
67 Prozent mehr Richtsatzergänzungsfälle als im Jahr 2002. Auch hier
haben Sie eine Tabelle, die das veranschaulicht.
Besonders ist auch die Situation bei Familien mit
Kindern und Jugendlichen, und damit auch die Betroffenheit von Kindern und
Jugendlichen. Sie haben hier auch eine Tabelle, die genau nach Altersgruppen
differenziert und damit die Auswirkungen besonders auf Familien mit Kindern
verdeutlicht. Das schlägt sich auch in einer dramatisch gestiegenen Anzahl von
WohnbeihilfebezieherInnen nieder. Haben in Wien im Jahr 1999
19 000 MieterInnen Wohnbeihilfe bezogen, so ist deren Anzahl bis
Dezember 2003 auf 39 500 gestiegen, also über 100 Prozent höher.
Die Auswirkungen zeigen sich erstmals in allen
Bereichen sozial gestaffelter Systeme. Diese Situation hat es noch nie gegeben.
Das heißt, es zeigt sich die Auswirkung auch dort, wo Wien gestaffelte
Beitragssysteme hat, wie etwa bei den Kinderbetreuungseinrichtungen. Wir
erleben ein Durchschlagen in alle Bereiche und wir erleben damit die Auswirkung
dessen, was wir mit dem Aufeinanderprallen von zwei grundverschiedenen
Ausrichtungen politischer Art zu identifizieren haben.
Wir haben auf Bundesebene eine
Politik, die von Neoliberalismus und Privatisierung bestimmt ist. Die soziale
Versorgung, aber auch andere Bereiche der Daseinsvorsorge wie der öffentliche
Verkehr, die Müllabfuhr, die Sicherheit und andere Infrastruktureinrichtungen
sowie Investitionen in Bildung, Forschung, Kultur, sind von freiwilligen
Leistungen abhängig oder sollen nach Absicht des Bundes privatisiert werden.
Der Bund wälzt
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