Gemeinderat,
31. Sitzung vom 23.09.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 4 von 57
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Jugendliche finden in Österreich keinen Einstieg ins Berufsleben.
Nach der
OECD-Vergleichsstudie "Bildung auf einen Blick", die nicht nur die
offiziellen Arbeitslosenquoten heranzieht, sondern auch jene Personen
berücksichtigt, die nicht aktiv einen Job suchen, befanden sich im
Jahre 2001 11,3 Prozent der 15- bis 19-jährigen ÖsterreicherInnen,
das heißt jeder 9. Jugendliche, weder in Ausbildung noch waren sie Teil
der Erwerbsbevölkerung. Das Mittel der OECD liegt bei 8,6 Prozent. Damit
belegen wir einen traurigen Spitzenplatz in der OECD und werden nur von der
Türkei, Mexiko und der Slowakei und Italien überholt.
Erneut ist
in Österreich die Jugendarbeitslosigkeit der 15- bis 25-jährigen stärker
gestiegen als die Gesamtarbeitslosigkeit. Die Zahl der arbeitslosen
Jugendlichen in und ohne Schulungen war im August 2003 gegenüber dem
Vorjahr um fast 5 400 Jugendliche höher. Nur jeder vierte bekam eine
Schulung des Arbeitsmarktservices. Auch auf Lehrstellensuche waren
15 Prozent mehr als vor einem Jahr. Insgesamt waren damit im
August 2003 österreichweit über 56 000 junge Menschen auf
Arbeitssuche, in Wien mehr als 15 000 und davon waren fast 9 000
arbeitslos gemeldet.
Während
die Nachfrage der Jugendlichen um einen Ausbildungsplatz steigt, insbesondere
bei den jungen Frauen mit einem Plus von 51 Prozent in den letzten beiden
Jahren, ist auf Grund der ungünstigen konjunkturellen Entwicklung die
Bereitschaft der Betriebe, Lehrlinge auszubilden, rückläufig. 2002 waren nur
noch 16 040 Lehrplätze in Wien zu finden. Das ist halb so viel wie
1980.
Auch bei
den Frauen ist die Situation nicht wirklich frohlockend. Immer weniger Frauen
kehren nach der Karenz ins Berufsleben zurück. Nur rund 50 Prozent von
ihnen nehmen am Ende ihrer Elternkarenz wieder eine Beschäftigung auf, so eine
bundesweite Studie der Arbeiterkammer. Sowohl der Anteil der Wiedereinsteigerinnen
als auch der Anteil der Frauen, die eine voll versicherte Arbeit angenommen
haben, ist gesunken. Seit 1997 stieg dafür der Prozentsatz der geringfügig
beschäftigten Frauen bei den Wiedereinsteigerinnen von 19,5 auf
21,2 Prozent.
Auch die
älteren Menschen sind betroffen. Derzeit leben in Wien mehr als 340 000
über 60-jährige, das sind mehr als 20 Prozent der Gesamtbevölkerung. Es
ist dies eine äußerst heterogene Zielgruppe, denn neben der aktiven 55+
Generation sind rund 96 200 zwischen 75 und 85 Jahre und rund
33 300 älter als 85 Jahre.
Auch in
finanzieller Hinsicht ist diese Gruppe heterogen und immer mehr Seniorinnen und
Senioren spüren die Auswirkungen der Politik des Bundes. Bereits zum vierten
Mal hintereinander wurden die Pensionen unter der Inflationsrate angepasst.
Änderungen bei der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Erwerbsfähigkeit
und beim Pensionsantrittsalter verunsicherten ebenso wie die extremen Kürzungen
bei Witwen- und Invaliditätspensionen. Dazu kommen die Belastungen älterer
Menschen durch höhere Gesundheitskosten. So wurden die für viele ältere
Menschen, für Menschen mit Behinderungen wichtigen Unfallrenten durch eine
Besteuerung um bis zu ein Drittel gekürzt. Das bedeutet fehlende
145 Millionen EUR für die Betroffenen.
Eine
besondere Aufmerksamkeit gilt auch der Situation der Flüchtlinge in Österreich.
Im Oktober 2002 hat der Bund eine Liste von sicheren Drittstaaten
veröffentlicht und vor dem Winter rund 1 000 Asylanten aus der
Betreuung entlassen und aus dem Flüchtlingsheim Traiskirchen entfernt. Ein
OGH-Urteil vom September 2003, wonach diese Praxis dem
Gleichbehandlungsgrundsatz im Bundesbetreuungsgesetz widerspricht, hat
Asylanten nun das Recht auf Betreuung durch den Bund zugesprochen. Eine offizielle
Einigung betreffend die Grundversorgung aller AsylwerberInnen in Österreich
gibt es allerdings noch nicht.
Nach einem
Beschluss der Landeshauptleutekonferenz von Mitte Oktober 2002 war
eine Bund-Länder-Regelung vereinbart und vorgesehen. In Wien werden
20 Prozent aller zu betreuenden Personen versorgt und mit der derzeitigen
Wiener Versorgungsquote im Bereich der unbegleiteten minderjährigen
Flüchtlinge, bei deren Betreuung
zwischen 2001 und 2002 eine Steigerungsrate von 30 Prozent
zu verzeichnen war, ist das Soll längst übererfüllt. Konkrete, von den Ländern
eingeforderte Maßnahmen wie die Beschleunigung der Asylverfahren, ein
Datenverbund der Krankenversicherung und Schülerfreifahrt wurden seitens des
Bundes bislang nicht gesetzt und auch die laufenden Verhandlungen - gerade
heute findet eine Sitzung in dieser Frage statt - lassen nicht darauf
schließen, dass sich der Bund endlich seiner Verantwortung in diesem Bereich
bewusst wird.
Was sind nun die Folgen? Die Länder und Gemeinden
sehen sich mit steigender Arbeitslosigkeit und mit einer Zunahme von
leistungsberechtigten Sozialleistungen konfrontiert, denn wenn den Menschen
alle sozialen Netze entzogen werden, landen sie im tertiären Auffangnetz der
Länder und Gemeinden.
Den stärksten Anstieg der Arbeitslosigkeit unter den
Bundesländern gab es in Vorarlberg. In Salzburg ist die Arbeitslosigkeit
gegenüber dem Vorjahr um 15 Prozent angestiegen. Überproportional sind
dort Langzeitarbeitslose, Jugendliche und ältere Arbeitslose betroffen. In Wien
gab es im August 2003 mehr als 88 000 arbeitslos
Gemeldete sowie arbeitslose Menschen, die sich in Schulungen des
Arbeitsmarktservices befanden. Gegenüber dem Vorjahr war das eine Zunahme um
9 Prozent. Rund 60 Prozent der Arbeitssuchenden in Wien sind entweder
älter als 50 Jahre, Menschen mit Behinderungen oder AusländerInnen und
damit wie in Salzburg voraussichtlich längere Zeit auf die tertiären
Sozialnetze angewiesen.
Die Arbeitslosigkeit steigt auch
im Bereich der öffentlichen Verwaltung des Bundes. Da sich rund ein Drittel
aller Arbeitsplätze der Bundesverwaltung in Wien befinden, schlägt sich der
Stellenabbau hier besonders nieder. 2002 gab es in diesem Bereich um mehr
als 6 000 Beschäftigte weniger als noch im Jahr zuvor und im
August 2003 erhöhten die arbeitslosen Personen der
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