Gemeinderat,
31. Sitzung vom 23.09.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 3 von 57
(Beginn um 11.00 Uhr.)
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer:
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Ich darf Sie zur 31. Sitzung des Wiener
Gemeinderats am heutigen Tag begrüßen.
Ich darf sie für eröffnet erklären. (Die GRÜNEN
zeigen sechs Plakate mit folgenden Aufschriften: „WIEN IST NICHT ANDERS“,
„SOZIALABBAU FINDET STADT“, „SPÖ MACHT SOZIALABBAU“.)
Ich darf bekannt geben, dass die Frau amtsf StRin Mag Renate Brauner,
der Herr GR Barnet, der Herr GR Mag Ebinger, der Herr GR Hufnagl und der Herr
GR Walter Strobl entschuldigt sind.
Bevor wir zur Erledigung unserer Tagesordnung kommen
gebe ich bekannt, dass gemäß § 15 Abs 2 der Geschäftsordnung an
schriftlichen Anfragen zehnmal Grün und einmal ÖVP eingebracht wurden und diese
eingelangt sind.
Von der Frau GRin Susanne Jerusalem wurde eine
Anfrage an den Herrn Bürgermeister betreffend „Geplanter Sozialabbau in Wien“
gerichtet.
Das Verlangen auf dringliche Behandlung dieser Anfrage
wurde von der notwendigen Anzahl von Gemeinderäten und Gemeinderätinnen
unterzeichnet.
Gemäß § 36 Abs 5 der GO wird die
Beantwortung der Dringlichen Anfrage vor Schluss der öffentlichen Sitzung
erfolgen. Ist dies um 16.00 Uhr noch nicht geschehen, wird die Sitzung
dafür unterbrochen, um die Dringliche Anfrage zu beantworten.
Gemäß § 21 Abs 4 der Wiener Stadtverfassung
wurde auf Verlangen des Grünen Klubs im Rathaus auf Einberufung einer Sitzung
des Gemeinderats zum Thema "Drohender Sozialcrash in Wien, Wiener GRÜNE
verlangen von SPÖ-Alleinregierung Garantie für Sparstopp im Sozialbereich"
eingebracht.
Der Herr Bürgermeister hat entsprechend des § 21
Abs 4 der Wiener Stadtverfassung im Zusammenhalt mit § 8 der
Geschäftsordnung des Gemeinderats zu dieser heutigen Sitzung eingeladen.
Die Frau amtsführende Stadträtin der Geschäftsgruppe
Bildung, Jugend, Soziales, Information und Sport hat sich gemäß § 16 der
Geschäftsordnung zu einer Mitteilung betreffend „Soziale Situation in Wien“ zum
Wort gemeldet. Ich erteile es ihr somit und darf bemerken, dass die Redezeit
mit 40 Minuten begrenzt ist. Bitte, Frau Vizebürgermeisterin.
VBgmin Grete Laska: Sehr geehrter Herr
Vorsitzender! Herr Bürgermeister! Sehr geehrte Damen und Herren!
Bevor ich mit meiner Mitteilung zur tatsächlichen
sozialen Situation in Wien beginne darf ich Sie nochmals darauf aufmerksam
machen, dass ich den Klubobleuten der Oppositionsparteien eine Auflistung von
einigen Tabellen und Diagrammen übermittelt habe, damit diese, die ich als
Hinweis in meinen Ausführungen auch behandeln werde, in bildlicher Form zum
Mitschauen vorliegen. (GR Mag Christoph Chorherr: Wo bitte?) Sie
bekommen sie schon, Herr Klubobmann, keine Sorge, sie sind unterwegs. Sie haben
somit Gelegenheit, das, was ich Ihnen sagen werde, sozusagen auch bildlich
vorliegen zu haben.
Sehr
geehrte Damen und Herren! Aktive Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik ist die
beste Sozialpolitik. Darauf werden wir uns ja wahrscheinlich verständigen
können. Diesem Grundsatz widersprechen derzeit alle Zahlen. Das
Wirtschaftswachstum Österreichs liegt derzeit unter dem EU-Durchschnitt und das
starke Anwachsen von Unternehmensgewinnen zeigt keine positiven Auswirkungen
auf Wachstum und Beschäftigung. Sie sehen das an Hand der ersten Tabelle.
Die
öffentlichen Investitionen des Bundes wurden gegenüber 1999 halbiert und der
Bundesdienst ist von Personalabbau und Aufnahmesperre betroffen. Auch das zeigt
die zweite Tabelle mit aller Deutlichkeit.
Der Bund
verabschiedet sich, wie bereits beim Meldewesen, Fundwesen, Passwesen, bei der
Schulwegsicherung und anderem bewiesen, zunehmend von seinen Aufgaben und
schiebt diese auf Länder und Gemeinden ab, ohne dafür finanziell Vorsorge zu
treffen. Heute wird meistens weit mehr Steuerleistung als je zuvor erbracht –
auch das ist entlang der Tabelle ersichtlich –, doch diese Steuerbelastungen
sind sehr ungleich verteilt. Die Einnahmen aus der Einkommenssteuer, also der
Steuer der Selbstständigen, sind zwischen 1989 und 2004 praktisch gleich
geblieben. Auch die Einnahmen aus der Körperschaftssteuer, der Steuer der
Unternehmen, änderten sich wenig. Dafür aber stiegen die Einnahmen aus der
Lohnsteuer, also der Steuer der ArbeitnehmerInnen, kräftig. Weil Einkommen,
Pensionen, Investitionen und Sozialleistungen gekürzt und Steuern und Abgaben
erhöht werden, wird die Kaufkraft der Bevölkerung geschwächt. Deshalb sind die
Konjunkturaussichten weiter trist, am Arbeitsmarkt ist keine Entspannung zu
erwarten, die Ausgaben für Arbeitslosigkeit wachsen.
Die Zahl
der aktiv Beschäftigten, also ohne KarenzgeldbezieherInnen und ohne
Präsenzdiener, stagniert. Das Beschäftigungswachstum früherer Jahre ist einem
Arbeitsplatzrückgang gewichen. 2002 gab es 14 000 Arbeitsplätze
weniger als im Jahr zuvor, 2003 wird es 3 000 weniger geben. Die
Arbeitslosenzahl ist extrem gestiegen. Rechnet man alle Arbeitslosen zusammen,
solche mit und solche ohne Schulungen, so ergibt das neue Arbeitslosenrekorde.
Zählt man jene dazu, die sich in Schulungen des Arbeitsmarktservices befanden,
gab es im August 2003 in Österreich zusammen fast
240 000 Arbeitslose, um über 8 700 mehr als vor einem Jahr.
80 Prozent von ihnen haben weder eine abgeschlossene Schulbildung, noch
einen Pflichtschul- oder Lehrabschluss.
Sieht man sich nun die Maßnahmen
im Bildungsbereich an, dann sprechen auch diese Zahlen für sich. Heuer werden
erstmalig quer über alle Schultypen Stundenkürzungen vorgenommen. Insgesamt um
ein halbes Jahr weniger wird ein Kind, das im September 2003 mit der
Volksschule begonnen hat und die Ausbildung nach insgesamt 12 Schuljahren
beendet, unterrichtet. Die Reduktion von Lehrerdienstposten und die Einführung
von Studiengebühren gehen in dieselbe Richtung. Immer
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