Gemeinderat,
30. Sitzung vom 25.06.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 29 von 76
Weichenstellung
stehen. Entweder wir schaffen es, diese Reform durchzusetzen, auch gemeinsame
Beschlüsse im Gemeinderat diesbezüglich zu machen, oder wir verfallen ins
Chaos. Es ist schon öfter passiert, dass man beim Wechsel von einem System zum
nächsten am Ende nicht mehr wusste, was eigentlich zu tun ist.
Wenn ich
mir anschaue, dass wir gerade eben erst vor einer Woche eine Pressekonferenz
der IG Freie Theater hatten, bei der die IG Freie Theater ein paar deutliche
Worte dafür gefunden hat, dass derzeit das Management dieses Übergangs sagen
wir einmal nicht ideal funktioniert, dann glaube ich, ist es sehr, sehr
wichtig, dass wir uns rasch darüber einig werden, wie dieser Übergang von einer
Beiratsform zu einem, in der Studie wird es Kuratorium genannt, ablaufen kann.
Was nicht sein darf - und das ist, glaube ich, wirklich wichtig - ist, dass wir
jetzt freihändig Gelder in welcher Form auch immer vergeben und dass die
Beiräte jetzt aufgelöst sind ohne dass wir wissen, was als Nächstes kommt oder
wie das Nächste kommt. Ich denke, dass es ganz zentral ist, hier Klarheit für
die Antragstellerinnen und Antragsteller zu schaffen.
Vielleicht
noch einige Punkte zu dem, was in der Studie angeführt ist und wo wir glauben,
dass man besonderes Augenmerk darauf legen muss.
Ich hab
schon gesagt, die neuen Gremien müssen in ihrer Zusammensetzung und in ihrer
Bestellung unser besonderes Augenmerk bekommen. Nicht zuletzt deshalb, weil in
dieser Studie - und ich glaube nicht zu Unrecht - die Auflösung der
traditionellen Sparten angesprochen ist. Aber es ist auch nicht ganz zu
Unrecht, dass so manche Sparte wie etwa das Kindertheater etwas vorsichtig ist
und sagt: Wie können wir sicherstellen, dass ein Gremium über die notwendige
Expertise verfügt? Hier müssen wir uns einig werden wie es möglich ist, mit dieser
Vielfalt von neuen Formen zurecht zu kommen, wenn ein Gremium niemals, faktisch
auch niemals, über alles Expertenwissen verfügen kann. Ich glaube auch, dass es
wichtig ist, die Entscheidungswege, die wir derzeit haben, im Zuge dieses
Prozesses zu klären und zu vereinheitlichen. Aus meiner Sicht kann es dann nur
noch einen Entscheidungsweg geben und der läuft über die Theaterkommission und
die Jury.
Was ich
glaube, was auch ein wichtiger Prozess in den nächsten Monaten sein wird und
ich hoffe, dass wir ihn gemeinsam und öffentlich führen werden, ist die Frage
der Qualität. Sie wissen, dass künstlerische Qualität keinesfalls irgendein
absoluter Wert ist, den man festsetzen kann. Es gibt kein Schön und kein
Hässlich, es gibt maximal persönlichen Geschmack. Aber es gibt Kriterien, die
man entwickeln kann, die auch die Betroffenen und Schaffenden gemeinsam
entwickeln können und auf die man sich einigen kann, von denen man sagen kann:
Diese Kriterien gelten für einen bestimmten Zeitraum für uns, für diese Bewertung.
Diese Diskussion halte ich für ganz besonders wichtig!
Etwas, was
mir persönlich sehr am Herzen liegt, ist, dass ich meine, dass es notwendig
ist, dieser Reform ein Ablaufdatum zu geben. Wenn ich gesagt habe, dass Kunst
Bewegung braucht, dann sage ich auch, dass die Politik Bewegung braucht.
Sie wissen
alle, es gibt kaum eine Stadt auf dieser Welt, in der Provisorien so gut halten
wie in Wien. Ich glaube, dass es notwendig sein wird, dass wir dieser Reform
ein Ablaufdatum geben, dass wir sagen, wir machen das jetzt acht oder zehn
Jahre und dann müssen wir, ob wir wollen oder nicht, darüber nachdenken, ob wir
es verlängern, verändern, abwandeln, gänzlich umstürzen.
Gerade
deshalb, gerade weil ich glaube, dass diese Reform umgesetzt werden soll und
dass sie gut sein kann, werden wir heute die vorliegenden 3-Jahres-Verträge für
Volkstheater, Schauspielhaus, Kammeroper und Theater der Jugend nicht
beschließen.
Warum?
Nicht weil
ich die künstlerische Arbeit der Leute, die an diesen Häusern arbeiten, nicht
sehr schätze. Das soll wirklich vorangestellt sein und ich glaube, dass es auch
notwendig ist, das ganz klar zu sagen, nein, sondern ich glaube, dass wir hier
einen großen Fehler begehen, wenn wir diese vier 3-Jahres-Verträge so in dieser
Form heute beschließen.
Lassen Sie
mich im einzelnen ausführen warum.
Halten Sie
sich vor Augen wie so ein Vertrag aussieht. So ein Vertrag wird auf
3 Jahre abgeschlossen und in diesem Fall sind diese Verträge über den
Zeitraum hinaus determinierend, den wir in der Studie als den Zeitraum, an dem
die neue Reform beginnen soll, definiert haben. Das heißt, wir haben bereits
vier Ausnahmen für eine Reform! Und Sie wissen was passiert? Wenn man einmal
eine Ausnahme macht, dann wird es schwierig keine zweite, dritte, vierte,
fünfte, sechste zu machen. Und dann steigt der Druck auf uns alle: Doch noch
einmal, und geht es nicht, und Sie kennen dieses wienerische „Naja, kann es
nicht ein bisserl mehr sein?“
In diesen
Verträgen ist zudem ziemlich genau festgehalten, wie viele Produktionen um das
Geld gemacht werden sollen, wie viele Eigenleistungen dieses Haus erbringen
soll, et cetera. Es sind keine sehr präzisen und keine meines Erachtens nach
auch nicht besonders guten Vorgaben, aber es ist doch so eine Art
Leistungsvertrag.
Wie können
wir jetzt Leistungsverträge mit Häusern abschließen, von denen wir noch gar
nicht wissen, welche Rolle sie in unserer neuen reformierten Landschaft spielen
sollen? Ich gebe ihnen nur ein Beispiel: Die Kammeroper.
Die Kammeroper könnte unter Umständen eine neue Aufgabe in
dieser Landschaft bekommen. Sie könnte unter Umständen im Kontext des
Musiktheaters in Wien aufgewertet und programmatisch vielleicht auch, sagen wir
einmal mit Freien Gruppen und anderem angereichert werden. Das wäre doch eine
spannende Entwicklung. Das wäre doch hochinteressant, wenn es sich in diese
Richtung entwickeln könnte. Jetzt beschließen wir einen 3-Jahres-Vertrag über
den Zeitraum 2005 hinweg, der ganz klar festlegt, welche Aufgaben die
Kammeroper hat und der damit jeden Freiraum auch für die
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