Gemeinderat,
30. Sitzung vom 25.06.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 28 von 76
vorliegenden
Geschäftsstücken.
Vorsitzender
GR Rudolf Hundstorfer: Ich
danke. Die Debatte ist somit eröffnet. Frau GRin Mag Marie Ringler, Sie sind die erste,
Sie haben theoretisch 40 Minuten.
GRin Mag
Marie Ringler (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrte
Damen und Herren!
Der
Schwerpunkt des heutigen Tages trägt auch den Namen „Reform“. Und wie der Herr GR
Vettermann ja schon ausgeführt hat, ist das so mit den Reformen dieser Tage.
Die Frage ist immer: Ist die Reform eigentlich ein Drohinstrument oder kann sie
tatsächlich etwas verändern und dann zum Guten?
Heute
liegen uns einige Geschäftsstücke aus dem Theaterbereich vor. Da geht es darum,
wie und in welcher Form sich die Theaterlandschaft in den nächsten Jahren in
Wien entwickeln wird. Wir haben in diesem Gemeinderat auch schon über die
Theaterstudie diskutiert, die von StR Mailath-Pokorny
mit den Kultursprechern gemeinsam in Auftrag gegeben wurde. Es wurde ja auch
schon medial Bericht erstattet, dass diese Studie durchaus allgemein Wohlwollen
findet.
Nichts
desto trotz, sehr geehrte Damen und Herren, gilt es jedoch einen sehr genauen
Blick zu werfen, sich anzuschauen, in welche Richtung sich diese Theaterreform
für Wien entwickelt und durchaus auch mit kritischem Blick auf die
Geschäftsstücke des heutigen Tages zu blicken wenn es darum geht, sich zu
überlegen, ob das, was heute beschlossen werden soll, in diesem Kontext Sinn
macht.
Gestern
hat der Kollege Woller etwas humoristisch ein neues Reformmodell in die
Diskussion eingebracht. Ich nenne es „Die Reform durch natürlichen Abgang“. Das
Modell, naja, wenn jemand stirbt, der ein Theater hat, dann macht man das
Theater vielleicht zu. Ich sage, ich gehöre nicht zu denen, die der Meinung
sind, das ein Theaterraum ein Theaterraum für immer und ewig sein muss. Aber
ich glaube, es gibt vielleicht elegantere, sinnvollere und intelligentere
Reformansätze als den, darauf zu warten, dass jemand stirbt. Jetzt klopfe ich
auf Holz, auf dass es nicht allzu viele treffen möge, irgendwann wahrscheinlich
uns alle. (GRin Mag Heidemarie Unterreiner: Sicher!)
Nichts
desto trotz glaube ich, dass wir mit der Theaterreform in Wien einen wichtigen
Schritt machen. Ich möchte Sie nur daran erinnern, dass sich wahrscheinlich in
allen Büros jener, die in diesen letzten Jahren und Jahrzehnten Kulturpolitik
gemacht haben, die Studien stapeln. Studien, in denen drinnen steht, so uns so
viele Besucher weniger oder so und so viel Geld falsch angelegt oder die
Stagnation oder, oder, oder. Das was es, glaube ich, in diesem Fall gilt zu
verhindern ist, dass wir wieder einmal ein Papier produziert haben, das gar
nichts verändern wird, denn das System, so wie wir es kennen, braucht
Veränderung, braucht die Veränderung ganz dringend, denn Kunst braucht diese
Bewegung. Darum muss es uns ja allen gehen.
Derzeit
haben wir es mit einem System zu tun, das von manchen liebevoll als „Die
Gießkanne“ bezeichnet wird. Ich würde einen Schritt weitergehen und sagen: Eine
Sprinkleranlage ist vielleicht das bessere Bild. Viel Geld für sehr viele,
womit sehr viele sehr wenig bekommen. Das ist auch etwas, was in dieser Studie
stark und klar kritisiert wird und ich denke zu Recht kritisiert wird.
Aber es
geht auch darum, dass wir das was wir hier im Gemeinderat beschließen und tun,
sehr genau daraufhin prüfen, ob und in welcher Form es mit dem, was in diesem
Papier als Reformgrundsatz angedeutet wird, kompatibel ist.
Ich möchte
vielleicht doch ein paar Kritikpunkte anbringen oder Punkte, die uns relevant
erscheinen, auf die man einen sehr präzisen Blick werfen muss und auf die auch
wir achten werden.
Ich halte
es für sehr wichtig und ich bin den Autoren dieser Studie sehr dankbar, dass
sie sich in dieser Studie nicht nur der Freien Szene gewidmet haben, sondern
sehr wohl mit einem sehr ganzheitlichen Blick auf die Theaterlandschaft in Wien
vorgegangen sind. Ich glaube auch, dass diese Reform dringend einen neuen
Ansatzpunkt finden sollte, der da heißt: Nicht nur das Papier ist nicht
ausschließlich auf die Freie Szene bezogen, sondern auch die Reform ist nicht
ausschließlich mit einem Blick auf die Freie Szene. Es gibt einen sehr
wichtigen Satz in dieser Studie, nämlich dass mit dem Wachsen der Gelder die
Evaluierung sinkt. Das heißt so viel wie: Ein großes Theater, das viele
Millionen bekommt, unterliegt weniger Evaluierungskriterien und weniger
Auflagen und weniger genauer Prüfung als eine kleine Freie Gruppe, die
vielleicht nur 10 000, 15 000 EUR bekommt.
Wir halten
es aber auch aus künstlerischen und kulturpolitischen Erwägungen für
problematisch, wenn man diese Studie und die Reform ausschließlich mit dem
Blick auf diese Freien Gruppen hin konzipiert. Wir glauben, dass es notwendig
und hoch an der Zeit ist, die Theaterlandschaft in Wien ganzheitlich zu
betrachten. Auch bei den Überlegungen, die wir darüber anstellen wollen und
müssen, welche Profile einzelne Häuser entwickeln sollen, welche Leerstellen es
gibt, welche neuen Räume wir uns eröffnen wollen, sollten wir auch die großen
Häuser miteinbeziehen. Das heißt noch nicht unbedingt, dass sie alle dem neuen
Vergabesystem unterworfen werden, aber es heißt, dass sie in der Diskussion
mitbedacht werden und es heißt auch, dass man sie nicht mehr aus den strikten
Kriterien und Evaluierungen ausnimmt, die wir ganz zu Recht für die anderen
anlegen.
Ein
zweiter wichtiger Punkt ist die Frage der Besetzung der zukünftigen Gremien.
Es sind in
diesem Papier einige Gremien in unterschiedlichen Konstellationen mit
unterschiedlichen Aufgaben angesprochen und ich glaube, dass es sehr wichtig
ist, dass wir uns darüber einig werden, dass diese Gremien ausgeschrieben
werden und dass es klare Unvereinbarkeiten gibt und klare Berichtspflichten für
all jene, die die Zukunft der Theaterstadt Wien mit dem Kulturausschuss und im
Gemeinderat gemeinsam entscheiden werden.
Ich bin deshalb ein bisschen besorgt, weil ich glaube, dass
wir derzeit an einer – sagen wir einmal –
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