Gemeinderat,
30. Sitzung vom 25.06.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 20 von 76
österreichweit scheitert, weil die Stadt Wien sagt, wir
werden sicher keiner Vereinheitlichung zustimmen, wo es Regressansprüche gibt,
weil das einfach dem Sinn der Sozialhilfe zuwiderläuft.
Wichtig ist auch folgender
Punkt: Die Sozialhilfe ist sozusagen das letzte soziale Netz, da zunächst
eigenes Vermögen zu verwerten ist. Das ist bei der Notstandshilfe, die eine
Versicherungsleistung, nicht so.
Und daher gibt es zwei
grundsätzliche unterschiedliche Konzeptionen bei diesen beiden Bereichen.
Wichtig ist es mir, festzustellen, dass wer über eine Reform der Notstandshilfe
spricht, nicht über irgend ein Nischenthema spricht, wo man halt sagt, da sind
eben ein paar davon betroffen und reden wir halt darüber und machen wir
irgendetwas damit, sondern wir sprechen, wenn wir über die Reform der
Notstandshilfe sprechen, über die Frage der Existenzsicherung von über 90 000
Personen in Österreich und ihren Familien. Und von diesen 90 000 Personen sind
mit Stand Februar 2003 40 000 bei uns in Wien betroffen.
Und jetzt kann man viel
diskutieren. Man kann diskutieren - und wir haben das ja in den letzten zwei
Tagen sehr ausführlich gemacht -, wie es zu dieser Situation kommt, dass die
Zahl der Notstandshilfebezieher ansteigt, wie es dazu kommt, dass insbesondere
bei der Sozialhilfe die Zahl jener ganz massiv steigt, die zusätzlich zu einer
Leistung aus dem Arbeitsmarktservice meistens zu ihrer Notstandshilfe
Sozialhilfe bedürfen, weil die Notstandshilfe in der derzeitigen Ausformung
nicht mehr Existenz sichernd ist.
Wir können insbesondere sehr
gerne und sehr eingehend darüber diskutieren, dass die Notstandshilfe derzeit
so ausgestaltet ist, dass insbesondere durch die Anrechnungsbestimmungen Frauen
massiv diskriminiert werden und die Höhe der Notstandshilfe bei Frauen weit
niedriger ist als bei Männern, weil eben hier Familieneinkommen angerechnet
werden und meistens die Frauen weniger verdienen als die Männer.
Und zu einem Schluss kann
man bei dieser Diskussion keinesfalls kommen, nämlich, dass es im Sinne dieser
90 000 Menschen ist, die Notstandshilfe, diese Versicherungsleistung des
Bundes, überzuführen in eine Sozialhilfeleistung der Länder, denn das ist aus
sozialpolitischen Gründen abzulehnen. Aber auch deshalb, weil es sich hierbei
um einen Kollaps des Budgets der Länder und hier natürlich insbesondere der
Gemeinde Wien, handeln würde.
Ich bin sehr erfreut darüber, dass letzte Woche auch
die Sozialreferentenkonferenz einstimmig, ja einstimmig, diese so genannte
Reform der Notstandshilfe abgelehnt hat. Ich denke, dass das ein wichtiger
erster Schritt ist und ich möchte zum Abschluss noch darüber sprechen, wieso
wir das heute und hier diskutieren, weil ja gestern in der Debatte schon
herausgekommen ist, dass da ja eigentlich gar nichts ansteht und es daher nicht
verständlich ist, wieso das jetzt hier zum Thema gemacht wird.
Ich sagte schon Eingangs, dass diese Veränderung im
Regierungsübereinkommen steht, daher steht es an. Und die Bundesregierung ist
in den letzten drei Jahren insbesondere durch folgende Vorgangsweisen
aufgefallen:
Dass sie ohne Rücksicht auf die soziale Situation von
Menschen, ohne die in einer Demokratie üblichen und bis zum 4. Februar 2000
auch tatsächlich stattfindenden Diskussionen einfach über Dinge drüberfährt,
dass die
Begutachtungsfristen zu Gesetzesänderungen zu kurz sind, um sich hier wirklich
ernsthaft und sinnvoll mit diesen Dingen zu beschäftigen,
dass die Bundesregierung meistens Entscheidungen über
die Köpfe der Menschen hinweg fällt und dass diese Entscheidungen meistens, ich
sage nur ein Stichwort “Pensionsreform“, Menschen treffen, die niedrige
Einkommen haben, beziehungsweise hier in dem konkreten Fall Menschen treffen,
die gar kein Erwerbseinkommen mehr haben, sondern die überhaupt in der
schwächsten sozialen Situation sind, nämlich arbeitslos.
Und daher ist es wichtig, dass wir hier und heute
über dieses Thema sprechen und es ist auch wichtig, und das erwarte ich mir
auch, dass sich hier und heute alle Parteien dieses Hauses massiv und eindeutig
gegen eine Umwandlung der Versicherungsleistung Notstandshilfe in Sozialhilfe
und gegen die Überführung in die Länder aussprechen.
Davon gehe ich aus, dass dieser sozialpolitische
Anschlag von allen Vertreterinnen und Vertretern dieses Hauses abgelehnt wird
und ich erwarte mir auch - und die nächsten Wortmeldungen werden es ja
hoffentlich zeigen - von den Vertretern und Vertreterinnen der ÖVP-Wien wie
denen der FPÖ-Wien, dass sie auch dafür sorgen, dass die Wienerinnen und Wiener
von diesem Anschlag nicht betroffen werden und daher dafür sorgen, dass es zu
dieser Reform nicht kommen wird und ich freue mich sehr auf Ihre Wortmeldungen
in diesem Sinn. (Beifall bei der SPÖ.)
Vorsitzender GR Günther Reiter: Als
nächste Rednerin hat sich Frau GRin Jerusalem gemeldet. Ihre Redezeit beträgt
fünf Minuten.
GRin Susanne Jerusalem(Grüner Klub
im Rathaus): Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Das ist eine Maßnahme einer abgehobenen
Politikerkaste, die gar nicht weiß, was Armut ist und die auch nicht weiß, was
Demütigung bedeutet. Die GRÜNEN lehnen die Umwandlung der Versicherungsleistung
Notstandshilfe in eine Sozialhilfe dezidiert ab, weil eine
Versicherungsleistung, auf die jemand Anspruch hat, weil er sie erworben hat,
dafür eingezahlt und somit erworben hat, nicht umgewandelt werden darf in
Almosen und weil man aus Versicherungs-EmpfängerInnen nicht
AlmosenempfängerInnen machen darf.
Ich möchte aber auch, dass allen hier klar wird, dass
die GRÜNEN jetzt nicht zu einer großen
Glorifizierung der Notstandshilfe ausholen. Auch die Notstandshilfe ist kritikwürdig,
weil sie nicht existenzsichernd ist und weil sie dadurch, dass das Einkommen
des Partners eingerechnet wird, natürlich ein großes Risiko und eine Benachteiligung
für diese Menschen ist.
Nur, wir sagen, es handelt sich bei dem Vorhaben um einen
Schritt in die falsche Richtung, denn was wir
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