Gemeinderat,
29. Sitzung vom 24.06.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 116 von 133
soll, aber es gibt Verhandlungen zur Harmonisierung der
Sozialhilfegesetze zwischen den verschiedenen Bundesländern, es gibt auch
diverse Vorgaben seitens des Bundes, man muss abwarten, man muss sich das
anschauen, aber es wird noch in diesem Jahr erfolgen. - Zuerst hat es geheißen,
das wird im Jahr 2001 kommen, dann hat es geheißen, es wird im
Jahr 2002 kommen. Jetzt haben wir schon Sommer 2003, und allmählich
denke ich mir: Jetzt ist es aber genug. Tun Sie es einfach!
Wir werden heute, wie gesagt, darüber zu befinden
haben - es gibt bereits einen Antrag der GRÜNEN, der schon wieder einmal
vorliegt. Aber ich denke, es reicht nicht, wenn Sie ganz einfach nur diesem
Antrag erneut zustimmen und uns dann wieder vertrösten, sondern: Tun Sie es
einfach – jetzt, heuer noch! Novellieren Sie endlich dieses Gesetz!
Es ist wirklich an der Zeit, dies zu tun, es ist auch
dringend geboten - ich habe das heute bereits auch in der Integrationsdebatte
ausgeführt -: Was droht, ist ja die Abschaffung der Notstandshilfe, und somit
werden wir in Wien uns diesem Problem so oder so stellen müssen. Denn es ist,
bitte, undenkbar und unzumutbar, dass Menschen, die arbeiten und die dann
längere Zeit arbeitslos sind, einfach nur in Ausnahmefällen, wie es jetzt vorgesehen
ist, und nur für maximal sechs Monate in den Genuss der Sozialhilfe kommen
können, falls sie in die missliche Lage kommen, diese zu brauchen.
Beispiel zwei betrifft das Kapitel persönliche
Assistenz für Menschen mit Behinderungen. Auch hier ist man wieder mit genau
demselben Umgang konfrontiert. Es hat lange gedauert, bis man bereit war, über
dieses Thema überhaupt zu diskutieren. Man hat sich diesem Vorschlag lange
genug verschlossen. Dann gab es jahrelang hundert Argumente, warum das
eigentlich nicht jetzt geht, warum es nicht wirklich geht. Es hieß, das sei zu
teuer, wie soll das gehen?, das sei mühsam, das sei eine schwierige Umstellung.
Dann hat es endlich ein grundsätzliches Bekenntnis dazu
gegeben. Sodann ist ein Arbeitskreis eingerichtet worden, in dem Vertreterinnen
und Vertreter von Behindertenorganisationen gesessen sind. Dieser Arbeitskreis
hat lange und gründlich gearbeitet und hat ein wunderschönes Papier produziert,
ein ziemlich dickes noch dazu, in dem die Rahmenbedingungen für die Schaffung
einer persönlichen Assistenz in Wien festgehalten wurden. Jeder von Ihnen, der
daran interessiert ist, kann das nachlesen.
Es hat dann auch geheißen: Ja, das soll auch
umgesetzt werden. Es soll zunächst einmal eine Art Pilotprojekt zustande
kommen, noch in diesem Jahr beziehungsweise ab dem nächsten Winter, in dem man
sich einmal anschaut, wie sich das bewährt und was es in der Praxis konkret
bedeutet.
Auf einmal aber erfahren wir - es wird in etwa einen
Monat her sein -, dass es das nicht geben soll: weil es zu teuer ist, weil
nicht klar ist, wie der BezieherInnenkreis genau definiert werden soll, weil
die Kosten explodieren würden - und weil und weil und weil. Und das besonders
Ärgerliche ist, dass all diese Menschen, die daran gearbeitet haben, auch keine
Perspektive bekommen. Sie erfahren diesbezüglich nichts. Wissen Sie, das riecht
ohnedies schon verdächtig genug nach Salzamt und nach Beschäftigungstherapie
für behinderte Menschen, und ich kann mir schon vorstellen, dass Sie auch
verstehen werden, dass so etwas sehr, sehr ärgerlich ist, wenn man lange an
etwas gearbeitet hat und auch daran geglaubt hat. Aber ich finde, das Mindeste,
was man tun kann, wenn man schon einen Rückzieher macht, ist, diesen Menschen
konkret eine Aussicht zu geben, also ihnen klar zu vermitteln: Na ja, es wird
heuer nicht kommen, dafür aber wird es meinetwegen nächstes Jahr kommen - und
dieses und jenes ist konkret noch notwendig, das muss noch erarbeitet werden, und
das sind konkret die nächsten Schritte und der nächste Zeithorizont. - Von all
dem fehlt jede Spur! Es kommt ein Rückzieher, und dann ist alles mehr oder
weniger ... - Mir fehlen ganz einfach die Worte, um Ihnen zu vermitteln,
welches Gefühl dadurch entsteht. Es ist einfach das Gefühl: Ich habe umsonst
gearbeitet, ich weiß nicht, ob es jemals kommen wird und ob ich es noch erleben
werde. Na ja, wahrscheinlich war es umsonst. - Das ist sehr deprimierend und es
ist auch sehr demotivierend.
Beispiel Nummer drei - und auch hier, glaube ich,
müsste es nichts zu diskutieren geben -: Ich habe mich bemüht, in einem
StadtexpertInnengespräch vergangene Woche das Thema Betreuung von lesbischen
und schwulen Jugendlichen zur Sprache zu bringen, die ihr Coming-out haben,
also jene Phase, in der ein junger Mensch entdeckt, dass er oder sie einfach
anders ist. Ich meine: Was heißt hier junger Mensch? Es muss uns allen klar
sein, wir sprechen hier von Kindern, wirklich von Kindern. Es ist ein sehr,
sehr sensibles Alter. Es ist eine sehr schwierige Phase. Es ist eine besondere
Krise, die diese Kinder mitmachen. Und es gibt wirklich ganz, ganz harte
Situationen, mit denen sie oft konfrontiert sind, denn ich brauche Ihnen,
glaube ich, nicht auszuführen, wie manchmal in der Schule reagiert wird, wie
die Lehrer teilweise auch nicht unbedingt verständnisvoll reagieren. - Wobei
ich jetzt nicht will, dass mir nachher nachgesagt wird, ich hätte Lehrer
verunglimpft. Das, bitte, ist unter keinen Umständen der Fall! Es kann nur auch
vorkommen, dass Lehrer nicht gerade verständnisvoll reagieren - das will ich
auch sagen -, weil natürlich dieses Thema in der Ausbildung von Pädagoginnen
und Pädagogen auch nicht unbedingt ein besonderer Schwerpunkt ist. - Und es
gibt, allem voran, oft ganz, ganz große Schwierigkeiten zu Hause mit den
Eltern. Es kommt nicht von ungefähr, dass die Selbstmordversuchsrate bei
Jugendlichen, die bei sich eine lesbische oder schwule Neigung entdecken, bei
40 Prozent liegt. Das ist also wirklich alarmierend.
Diese gesamte Problematik ist ein tabuisiertes Thema, über
das man aber doch diskutieren sollte und wo man sich die Situation anschauen
sollte. Unsere Idee war - und das war auch ein Aufhänger für die Diskussion -,
dass es vielleicht speziell betreute Wohngemeinschaften oder betreute
Wohnprojekte für solche Jugendliche
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