Gemeinderat,
29. Sitzung vom 24.06.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 113 von 133
Es wird dieser Tage über eine
Studie berichtet, die unter folgendem Titel erstellt wurde: "Auswirkungen
der Einführung von Studiengebühren auf die Studienbeteiligung und das
Studierverhalten". - Warum diese Studie erst dieser Tage diskutiert wird,
ist interessant, weil es sie nämlich schon seit zirka einem Jahr gibt. Sie
wurde während dieser Zeit von Bundesministerin Gehrer, die sie selbst in
Auftrag gegeben hat, unter Verschluss gehalten. Warum war diese Studie so lange
geheim und warum ist sie erst auf massiven Druck hin veröffentlicht worden? -
Das kann ich kurz schildern:
Diese
Studie ist nämlich zu einem erschütternden Ergebnis gekommen: Es gibt zunächst
einmal eine hohe Zahl von Studienabbrecherinnen und Studienabbrechern - das
wissen alle, die in diesem Raum sind und die die Zahlen gelesen haben. Die
Studie versucht jetzt, zu ergründen, warum das so ist. Das sind nämlich nicht
Bummelstudenten oder Scheininskribentinnen und -inskribenten, die man da
irgendwie aus der Statistik hinausgeschmissen hat, sondern die Studie kommt zu
dem Ergebnis, dass das vor allem Leute aus bildungsfernen und finanziell
schlechter gestellten Schichten sind. Besonders betroffen sind Frauen. Es gibt
einen massiv angestiegenen finanziellen und zeitlichen Druck auf die
Studierenden, der dazu führt, dass immer mehr Leute noch mehr arbeiten müssen
und immer weniger Lehrveranstaltungen besucht werden. - Also das Argument: Es
gibt jetzt einmal Studiengebühren, und dann werden die Leute schon etwas tun!,
stimmt nicht. Es gibt auch keine Serviceverbesserung, die von den Studierenden
wahrgenommen wird.
Jetzt komme ich zu dem Punkt, auf den ich hinaus
will. Diese Studie habe ich deshalb zitiert, weil sie die Bildungspolitik der
Bundesregierung, insbesondere auch im Hinblick auf den Zugang zur Bildung, sehr
gut anschaulich macht. Sie scheint vier Kriterien zu folgen: soziale Selektion,
das Schaffen eines Zwei-Klassen-Bildungssystems, Benachteiligung von Frauen und
absolute Innovationspause.
Da gibt es natürlich auch
Auswirkungen auf Wien. Die Folgen dieser Politik werden natürlich auch im
Schulbereich spürbar. Kollege Strobl hat das so dargestellt, als würden, so wie
in "Das Leben des Brian" von Monty Python, ich weiß nicht, ob das
alle kennen, die Judäische Volksfront, beim Finanzausgleich alle Selbstmord
begehen und sich ihre Mittel selbst kürzen, und zufällig kommt dann heraus: Es
gibt viel weniger Planstellen und im Bildungsbereich ist alles schlecht - aber
die Bundesregierung hat damit nichts zu tun.
Sie haben
da zum Beispiel die Leitzahlen erwähnt und dahin gehend argumentiert, dass man
das dann alles vereinheitlichen könne. Dazu muss man aber schon sagen: Die
Vereinheitlichung erfolgt dann im Jahr 2005 eben mit höheren Leitzahlen
als jetzt, wobei diese durch die Bank um 9 Prozent höher sein werden und
sogar um bis zu 13,64 Prozent höher bei den Polytechnischen Lehrgängen.
Das führt klar zu einer Kürzung von Lehrerstellen.
Das letzte
Beispiel - ich spreche jetzt nur ganz konkret etwas an, wovon man sagen kann,
damit hat die Landesregierung nicht so viel am Hut - ist der
Stundenkürzungsvorschlag der Ministerin. Wenn man sich die laut diesem
Vorschlag vorgesehenen Stundenkürzungen durchrechnet, dann kommt man auf ein Minus
von 2 800 Stunden in der Woche im Pflichtschulbereich, auf ein Minus
von 4 000 Stunden im AHS-Bereich und auf ein Minus von
2 000 Stunden in den berufsbildenden mittleren und höheren Schulen.
Das käme, würde man das so umlegen, auf 100 Stellen im Bereich der
berufsbildenden Schulen, auf 200 Stellen an den AHS und auf
130 Stellen an den Pflichtschulen.
Nun hat
die Stadt Wien in der Vergangenheit versucht – und sie wird wohl auch in der
Zukunft versuchen -, soweit es möglich ist, auch angesichts dieses Kahlschlags
Kündigungen zu vermeiden. Was man aber jetzt schon sieht, ist, dass es einen
massiven Abbau der pädagogischen Qualität gibt. Sie werden mir ja nicht
erzählen wollen, dass ein Minus von 8 800 Stunden in der Woche
irgendwie super für die pädagogische Qualität ist. Und was definitiv auch
zutreffen wird - Kollegin Jerusalem hat das schon in der Generaldebatte erwähnt
-, ist, dass es dadurch zu einer weiteren Veralterung des Lehrapparats kommen
wird. Den Innovationsstopp habe ich schon erwähnt.
Was macht
jetzt Wien? - Abgesehen davon, dass wir versuchen, uns nach Kräften gegen diese
Zerstörungswut, kann man fast sagen, zu wehren, gibt es natürlich nach wie vor
die Förderung vieler Projekte und alternativer Methoden. Es gibt nach wie vor
unseren massiven Einsatz für die Nachmittagsbetreuung, während dem Bund die
Vereinbarkeit von Beruf und Kindern offensichtlich egal ist. In Wien gibt es
derzeit 92 Standorte der Nachmittagsbetreuung und 19 Lernklubs. Es
stimmt: Es könnten viel mehr sein, vor allem in der verschränkten Betreuung. Da
wäre es halt schön, wenn es eine Unterstützung gäbe.
Zum
Schulneubau und zum Generalsanierungsprogramm: Einer meiner Vorredner hat in
diesem Zusammenhang von potemkinschen Dörfern gesprochen. Dazu möchte ich
Folgendes sagen: Im Schulneubau wurden zwei Turnsaal-Zubauten fertig gestellt,
drei Schulneubauten errichtet. Im Bereich des Schulneubaus wurden im
Jahr 2002 16,391 Millionen EUR ausgegeben und im
Generalsanierungsprogramm 29,9 Millionen EUR. Wenn man mit diesem
Geld nur potemkinsche Dörfer aufgebaut hätte - sagen wir einmal, die Fassade
der Schulen -, dann wären diese Dörfer wahrscheinlich so groß wie Wien.
Zum sonstigen Schulbereich - ich möchte Sie auf Grund der vorgeschrittenen
Stunde nicht lange aufhalten -: Es gibt natürlich ganz viele Projekte, ich darf
auf eines davon kurz eingehen. Es gibt zum Beispiel das
"Bildungsnetz". Dieses ist seit nunmehr vier Jahren ein sehr
herzeigbares Erfolgsprojekt in schulischen Belangen, und es gehört sicher auch
international inhaltlich zu den besten und thematisch umfangreichsten
Bildungsservern. Bei den Zugriffen gibt es seit vier Jahren ein stetiges
Wachstum, so auch im letzten Jahr. Momentan sind
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