Gemeinderat,
29. Sitzung vom 24.06.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 104 von 133
Diese schlechte Situation in Österreich hat natürlich - und
damit komme ich sozusagen ganz konkret zu den Auswirkungen in unserer
Geschäftsgruppe - einen dramatischen Anstieg der Sozialhilfe zur Folge. Auch
hier hat Kollege Römer - den ich jetzt schon zum zweiten Mal erwähne - wirklich
hervorragend analysiert, nämlich dass sich die schlechte Wirtschafts- und
Arbeitsmarktsituation direkt auf die Sozialhilfe niederschlägt. Analyse richtig
- Problem ist: Zuständig für Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik ist, Artikel
10-Kompetenz, der Bund. Hier ist es also auch wieder wichtig, wie Sie gesagt
haben, richtig zu analysieren und zu einem Ergebnis zu kommen.
Bereits seit 2001 gibt es einen dramatischen Anstieg
im Bereich der anspruchsberechtigten Personen in der Sozialhilfe. So hatten
1999 - ich möchte nicht zu viele Zahlen nennen, aber das sind, glaube ich,
wirklich dramatische Zahlen, die wir uns als Kommunalpolitikerinnen und
-politiker auch merken sollten - rund 44 000 Personen Hilfe im
Bereich der Sozialhilfe in Anspruch genommen. Im Jahr 2002 waren es über
67 000 Personen. Besonders hoch - und das sollte uns ganz besonders
zu denken geben, es sollte vor allem insbesondere den Kolleginnen und Kollegen
im Bund zu denken geben - war der Anstieg der Auszahlungen von
Richtsatzergänzungen. Das betrifft diejenigen, die, obwohl sie Leistungen vom
AMS bekommen, dort so wenig bekommen, dass sie zusätzlich noch Sozialhilfe
kriegen.
Dieser Anstieg hat zwei Komponenten. Die eine
Komponente ist - und das ist für mich als Sozialdemokratin die wichtigste -,
was das für den einzelnen Menschen in dieser Stadt bedeutet. Ich sage noch
einmal, 67 211 Personen haben Sozialhilfe bezogen. Was bedeutet das
für diese Menschen, wenn sie Sozialhilfe bezogen haben? In welcher Situation
befinden sie sich hier? Das ist sicher kein lustiges Leben!
Der zweite Bereich, den wir hier im Zuge der Debatte
um den Rechnungsabschluss auch beleuchten müssen, ist die Frage, dass das
natürlich eine massive Belastung für das Budget der Stadt Wien ist. Da braucht
man keine Ökonomin zu sein, um zu wissen, dass es nichts nützt, Geld
nachzudrucken - egal, ob man das jetzt dürfte oder nicht. Dieser massive
zusätzliche Bedarf im Bereich der Sozialhilfe führt natürlich dazu, dass uns
jede Möglichkeit an Spielräumen in anderen Bereichen im Großen und Ganzen
verwehrt bleibt.
Nun möchte ich zu einem anderen Punkt kommen; Sie
haben mir heute wirklich sehr viele Anknüpfungspunkte gegeben, Herr Kollege
Römer. Sie haben hier davon gesprochen, dass man jetzt noch nicht über die
Frage der Umwandlung der Notstandshilfe in die Sozialhilfe zu diskutieren
braucht, weil das gar nicht ansteht. Wir werden das morgen noch diskutieren.
Aber ich finde Ihre Argumentation überaus skurril. Erstens behaupten Sie
nämlich, das steht nirgends - dann haben Sie Ihr Regierungsprogramm offenbar
nicht gelesen, denn da steht drin: Es ist zu prüfen, die Notstandhilfe als
Leistung des AMS in eine Sozialhilfe ... (GR Johann Römer: Es ist aber nur
zu prüfen!) Ja, genau, aber vorhin haben Sie gesagt, das steht überhaupt
nirgends! - Es ist zu prüfen, dies in die Sozialhilfe der Länder überzuführen. (GR
Johann Römer: Das ist aber ein Unterschied!)
Sie stellen sich nun hierher und sagen, man möge sich
das doch in Ruhe anschauen. Das finde ich ausgesprochen skurril bei dieser
Bundesregierung, die seit dem 4. Februar 2000 im Amt ist, mit einer kurzen
Unterbrechung dann gleich wieder, und die sich insbesondere dadurch auszeichnet
- neben dem, dass es permanent Abstimmungspannen gibt, was mich amüsiert, aber
Sie wahrscheinlich nicht -, dass die Dinge einfach blitzartig und ohne jede
Diskussion passieren. Daher glaube ich, dass es ganz besonders wichtig ist,
dass wir zwar nicht jetzt, aber morgen und in Zukunft immer wieder darüber
diskutieren und deponieren, dass für uns die Umwandlung der Notstandshilfe, die
eine Versicherungsleistung ist, in die Sozialhilfe nicht in Frage kommt! Sonst
wird es einfach da sein, und wir werden komisch schauen. (Beifall bei der
SPÖ.)
Ich würde Sie bitten, wenn Sie dazu
Hintergrundinformationen haben, dass man sich das in Ruhe anschauen kann. Ich
würde mich sehr darüber freuen - nur ach, mir fehlt der Glaube!
Die Situation ist daher alles, nur nicht rosig. Die
Stadt Wien wird aber auch in diesem Bereich trotz umfassender und ausgesprochen
schwerer Rahmenbedingungen ihrer Tradition als soziale Stadt auch jetzt und in
Zukunft gerecht werden, gerade im Bereich der MA 12, wo die notwendige und
seit mehreren Jahren eingeleitete Umsetzung der Neuorganisation recht zügig
voranschreitet, wo wir - das ist heute noch gar nicht diskutiert worden und
scheint mir sehr wichtig zu sein - sehr gute Erfolge im Bereich der
Arbeitsintegration haben, mit dem Projekt Jobchance, mit dem es gelingt -
obwohl die Situation auf dem Arbeitsmarkt eine ganz, ganz schlechte ist, das
wissen wir alle -, rund 300 Personen, die bereits im Bereich der
Sozialhilfe waren, die also großteils Langzeitarbeitslose waren, wieder in den
Arbeitsmarkt zu integrieren.
Zum Bereich der Obdachlosen möchte ich kurz einige Punkte
ansprechen. Keine Frage, grundsätzlich wäre es schön, wenn es keine Obdachlosen
gäbe! Ich denke nur, dass man hier auch zur Kenntnis nehmen muss, dass es keine
europäische Stadt gibt, in der es keine Obdachlosen gibt - ganz im Gegenteil!
Wir haben uns 2001 im Fünfjahresprogramm das Ziel gesetzt, dass es bis 2006
keine langzeitobdachlosen Personen in Wien mehr geben soll. Ich glaube, dass
dieses Ziel nach wie vor erreichbar ist. Wir haben seit dem Jahr 2002 eine
deutlich verbesserte Dokumentation, sodass wir jetzt nicht nur eine gesamte
Fallzahl haben, sondern ganz konkret die tatsächliche Anzahl der obdachlosen
Personen sagen können und daher jetzt auch sagen können, dass zirka - die Zahl
wurde schon genannt - 500 Personen auf der Straße leben, dass es aber
inklusive dieser 500 Personen nicht mehr als 3 000 obdach-lose
Personen zu jedem Stichtag gibt. Das sind natürlich nicht immer dieselben, aber
es sind rund 3 000 Personen. Man muss aber schon noch sagen - wir
leben zwar in Wien, aber wir leben auch im Vergleich -, dass es keine
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